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Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896.

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in den Tempel? Warum war er ihnen unterthan? Warum
nahm er mit den Jahren zu an Gnade und Weisheit?
Gilt nicht auch hier sein Wort: "Ich habe euch ein Bei-
spiel gegeben"
; "Willst du mein Schüler sein, folge mir
nach."
Will also die Jugend selig werden, so muß sie wie
die Erwachsenen dem Sohne Gottes gleichförmig werden.
Hiefür besorgt zu sein, christliche Eltern, ist euere Pflicht,
euere Aufgabe und zwar derart, daß die hl. Kirche diese
Pflicht den Pathen auferlegt, wenn ihr sterben oder euch
nachlässig erweisen solltet.

Wie glücklich seid ihr und euere Kinder, sobald ihr
euer Glück verstehet und zu gebrauchen wisset. Denn
sobald es sich um ein Vorbild handelt, gilt das Wort:
"Für die Jugend ist nur das Beste gut genug!" Nun
kann man allerdings streiten, wer der größte Feldherr,
oder Redner, oder Dichter, oder Maler, oder Philosoph
gewesen, sobald man aber fragt: "Wer war der voll-
kommenste Mensch?"
- so müssen vor einer Persönlich-
keit alle in den Hintergrund treten, wie vor der Morgen-
sonne alle Sterne verschwinden. Was sind nämlich alle
Menschen? Sünder. "Wer da sagt, er sei ohne Sünde,
der ist ein Lügner, die Wahrheit ist nicht in ihm."

Selbst die Heiligen sind dieser Regel unterworfen, es
gibt nur eine Ausnahme, nämlich die seligste Jungfrau
Maria, und diese ist nur deßhalb ausgenommen, weil sie
die wahre Mutter des Gottmenschen ist und deßwegen
nach ihrem göttlichen Sohne unser erstes Vorbild. Daher
hat denn dieser Menschensohn nicht bloß keine Unvoll-
kommenheit, sondern er kann auch keine haben, weil er
zugleich der Sohn Gottes ist.

Oder ist vielleicht dies Vorbild zu vollendet, zu
erhaben, unerreichbar und deßhalb auch unbrauchbar?
Ich hörte selbst einmal so ungelehrte Gelehrte, welche
die Gottheit frech leugneten und dabei mit philosophischer

in den Tempel? Warum war er ihnen unterthan? Warum
nahm er mit den Jahren zu an Gnade und Weisheit?
Gilt nicht auch hier sein Wort: „Ich habe euch ein Bei-
spiel gegeben“
; „Willst du mein Schüler sein, folge mir
nach.“
Will also die Jugend selig werden, so muß sie wie
die Erwachsenen dem Sohne Gottes gleichförmig werden.
Hiefür besorgt zu sein, christliche Eltern, ist euere Pflicht,
euere Aufgabe und zwar derart, daß die hl. Kirche diese
Pflicht den Pathen auferlegt, wenn ihr sterben oder euch
nachlässig erweisen solltet.

Wie glücklich seid ihr und euere Kinder, sobald ihr
euer Glück verstehet und zu gebrauchen wisset. Denn
sobald es sich um ein Vorbild handelt, gilt das Wort:
„Für die Jugend ist nur das Beste gut genug!“ Nun
kann man allerdings streiten, wer der größte Feldherr,
oder Redner, oder Dichter, oder Maler, oder Philosoph
gewesen, sobald man aber fragt: „Wer war der voll-
kommenste Mensch?“
– so müssen vor einer Persönlich-
keit alle in den Hintergrund treten, wie vor der Morgen-
sonne alle Sterne verschwinden. Was sind nämlich alle
Menschen? Sünder. „Wer da sagt, er sei ohne Sünde,
der ist ein Lügner, die Wahrheit ist nicht in ihm.“

Selbst die Heiligen sind dieser Regel unterworfen, es
gibt nur eine Ausnahme, nämlich die seligste Jungfrau
Maria, und diese ist nur deßhalb ausgenommen, weil sie
die wahre Mutter des Gottmenschen ist und deßwegen
nach ihrem göttlichen Sohne unser erstes Vorbild. Daher
hat denn dieser Menschensohn nicht bloß keine Unvoll-
kommenheit, sondern er kann auch keine haben, weil er
zugleich der Sohn Gottes ist.

Oder ist vielleicht dies Vorbild zu vollendet, zu
erhaben, unerreichbar und deßhalb auch unbrauchbar?
Ich hörte selbst einmal so ungelehrte Gelehrte, welche
die Gottheit frech leugneten und dabei mit philosophischer

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[180/0192] in den Tempel? Warum war er ihnen unterthan? Warum nahm er mit den Jahren zu an Gnade und Weisheit? Gilt nicht auch hier sein Wort: „Ich habe euch ein Bei- spiel gegeben“; „Willst du mein Schüler sein, folge mir nach.“ Will also die Jugend selig werden, so muß sie wie die Erwachsenen dem Sohne Gottes gleichförmig werden. Hiefür besorgt zu sein, christliche Eltern, ist euere Pflicht, euere Aufgabe und zwar derart, daß die hl. Kirche diese Pflicht den Pathen auferlegt, wenn ihr sterben oder euch nachlässig erweisen solltet. Wie glücklich seid ihr und euere Kinder, sobald ihr euer Glück verstehet und zu gebrauchen wisset. Denn sobald es sich um ein Vorbild handelt, gilt das Wort: „Für die Jugend ist nur das Beste gut genug!“ Nun kann man allerdings streiten, wer der größte Feldherr, oder Redner, oder Dichter, oder Maler, oder Philosoph gewesen, sobald man aber fragt: „Wer war der voll- kommenste Mensch?“ – so müssen vor einer Persönlich- keit alle in den Hintergrund treten, wie vor der Morgen- sonne alle Sterne verschwinden. Was sind nämlich alle Menschen? Sünder. „Wer da sagt, er sei ohne Sünde, der ist ein Lügner, die Wahrheit ist nicht in ihm.“ Selbst die Heiligen sind dieser Regel unterworfen, es gibt nur eine Ausnahme, nämlich die seligste Jungfrau Maria, und diese ist nur deßhalb ausgenommen, weil sie die wahre Mutter des Gottmenschen ist und deßwegen nach ihrem göttlichen Sohne unser erstes Vorbild. Daher hat denn dieser Menschensohn nicht bloß keine Unvoll- kommenheit, sondern er kann auch keine haben, weil er zugleich der Sohn Gottes ist. Oder ist vielleicht dies Vorbild zu vollendet, zu erhaben, unerreichbar und deßhalb auch unbrauchbar? Ich hörte selbst einmal so ungelehrte Gelehrte, welche die Gottheit frech leugneten und dabei mit philosophischer

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Zitationshilfe: Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/192>, abgerufen am 22.11.2024.