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Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

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zuerst die Bemerkung, daß sie wellenförmig bewegt, Figuren, den Chlad-
ni
schen Klangfiguren ähnlich, hervorbringe. An diese Beobachtung schloß sich
eine ausführliche mit seltener Genauigkeit durchgeführte Reihe von For-
schungen über die wellenförmigen Bewegungen der Flüssigkeiten über-
haupt, deren Resultate sowohl auf die accustischen, als Lichterscheinun-
gen angewendet worden sind, bei denen ebenfalls eine undulatori-
sche Bewegung Statt findet.

Es ist häufig die Frage aufgeworfen worden, ob das Gleichgewicht der
Oberfläche des Oceans durch Strömung und Verdampfung sich verändern
könne und ob ein allgemeines Steigen oder Sinken des Spiegels des
Meeres
seit der historischen Zeit wahrzunehmen sei. Die verschiedenar-
tigsten Ansichten haben in dem Ergebniß mannigfaltiger Untersuchun-
gen ihre Begründung gefunden, indem nur zu häufig auf locale Er-
scheinungen zu allgemeine Schlüsse basirt worden sind. Ein merkwür-
diges Vorkommen, das zu mancherlei Vermuthungen über Verände-
rung des Wasserstandes im mittelländischen Meere Veranlas-
sung gelgeben hat, sind die bekannten Trümmer des Jupiters Tempels
bei Puzzuola; von diesem stehen noch einige aus Cippolino antico
gehauene senkrecchte Säulen da. Der untere Theil dieser Säulen,
von dem 15 Fuß über der Meeresfläche gelegenen Boden an, bis
zu einer Höhe von 12 Fuß ist rings um dieselben voll von klei-
nen Höhlungen, wie diejenigen sind, wie die Pholaden (Mytilus
lithophagus
) in die Uferfelsen bohren. Höher hinauf sind die Säulen
frei von solchen Höhlungen. Aus dieser Erscheinung hat man den Schluß
ziehen wollen, daß nach Erbauung dieses Tempels auf trocknem Bo-
den, der Meeresspiegel sich soweit erhöht haben müsse, als die
Höhlungen in der Höhe der Säulen reichen, weil die Bohrmuschel nur
unter dem Meere lebt und arbeitet, und daß das Meer sich seitdem

zuerst die Bemerkung, daß sie wellenförmig bewegt, Figuren, den Chlad-
ni
schen Klangfiguren ähnlich, hervorbringe. An diese Beobachtung schloß sich
eine ausführliche mit seltener Genauigkeit durchgeführte Reihe von For-
schungen über die wellenförmigen Bewegungen der Flüssigkeiten über-
haupt, deren Resultate sowohl auf die accustischen, als Lichterscheinun-
gen angewendet worden sind, bei denen ebenfalls eine undulatori-
sche Bewegung Statt findet.

Es ist häufig die Frage aufgeworfen worden, ob das Gleichgewicht der
Oberfläche des Oceans durch Strömung und Verdampfung sich verändern
könne und ob ein allgemeines Steigen oder Sinken des Spiegels des
Meeres
seit der historischen Zeit wahrzunehmen sei. Die verschiedenar-
tigsten Ansichten haben in dem Ergebniß mannigfaltiger Untersuchun-
gen ihre Begründung gefunden, indem nur zu häufig auf locale Er-
scheinungen zu allgemeine Schlüsse basirt worden sind. Ein merkwür-
diges Vorkom̃en, das zu mancherlei Vermuthungen über Verände-
rung des Wasserstandes im mittelländischen Meere Veranlas-
sung gelgeben hat, sind die bekañten Trüm̃er des Jupiters Tempels
bei Puzzuola; von diesem stehen noch einige aus Cippolino antico
gehauene senkrecchte Säulen da. Der untere Theil dieser Säulen,
von dem 15 Fuß über der Meeresfläche gelegenen Boden an, bis
zu einer Höhe von 12 Fuß ist rings um dieselben voll von klei-
nen Höhlungen, wie diejenigen sind, wie die Pholaden (Mytilus
lithophagus
) in die Uferfelsen bohren. Höher hinauf sind die Säulen
frei von solchen Höhlungen. Aus dieser Erscheinung hat man den Schluß
ziehen wollen, daß nach Erbauung dieses Tempels auf trocknem Bo-
den, der Meeresspiegel sich soweit erhöht haben müsse, als die
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[60/0064] zuerst die Bemerkung, daß sie wellenförmig bewegt, Figuren, den Chlad- nischen Klangfiguren ähnlich, hervorbringe. An diese Beobachtung schloß sich eine ausführliche mit seltener Genauigkeit durchgeführte Reihe von For- schungen über die wellenförmigen Bewegungen der Flüssigkeiten über- haupt, deren Resultate sowohl auf die accustischen, als Lichterscheinun- gen angewendet worden sind, bei denen ebenfalls eine undulatori- sche Bewegung Statt findet. Es ist häufig die Frage aufgeworfen worden, ob das Gleichgewicht der Oberfläche des Oceans durch Strömung u Verdampfung sich verändern könne und ob ein allgemeines Steigen oder Sinken des Spiegels des Meeres seit der historischen Zeit wahrzunehmen sei. Die verschiedenar- tigsten Ansichten haben in dem Ergebniß mannigfaltiger Untersuchun- gen ihre Begründung gefunden, indem nur zu häufig auf locale Er- scheinungen zu allgemeine Schlüsse basirt worden sind. Ein merkwür- diges Vorkom̃en, das zu mancherlei Vermuthungen über Verände- rung des Wasserstandes im mittelländischen Meere Veranlas- sung gegeben hat, sind die bekañten Trüm̃er des Jupiters Tempels bei Puzzuola; von diesem stehen noch einige aus Cippolino antico gehauene senkrechte Säulen da. Der untere Theil dieser Säulen, von dem 15 Fuß über der Meeresfläche gelegenen Boden an, bis zu einer Höhe von 12 Fuß ist rings um dieselben voll von klei- nen Höhlungen, wie diejenigen sind, wie die Pholaden /Mytilus lithophagus/ in die Uferfelsen bohren. Höher hinauf sind die Säulen frei von solchen Höhlungen. Aus dieser Erscheinung hat man den Schluß ziehen wollen, daß nach Erbauung dieses Tempels auf trocknem Bo- den, der Meeresspiegel sich soweit erhöht haben müsse, als die Höhlungen in der Höhe der Säulen reichen, weil die Bohrmuschel nur unter dem Meere lebt und arbeitet, und daß das Meer sich seitdem

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Tina Krell, Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Nalan Lom: Bilddigitalisierung

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Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription von [N. N.]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1827/28] anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

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Zitationshilfe: Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829/64>, abgerufen am 25.11.2024.