6. Die Lebenskraft ist das grösste Erhaltungsmittel des Körpers, den sie bewohnt. Nicht genug, dass sie die gan- ze Organisation bindet und zusammen hält; so widersteht sie auch sehr kräftig den zerstörenden Einflüssen der übrigen Naturkräfte, in so fern sie auf chemi- schen Gesetzen beruhen, die sie aufzu- heben, wenigstens zu modifiziren ver- mag. Ich rechne hieher hauptsächlich die Wirkungen der Fäulniss, der Ver- witterung, des Frosts. -- Kein leben- diges Wesen fault; es gehört immer erst Schwächung oder Vernichtung der Le- benskraft dazu, um Fäulniss möglich zu machen. Selbst in ihrem gebundenen unwirksamen Zustand vermag sie Fäul- niss abzuhalten. Kein Ey, so lange noch Lebenskraft darinne ist, kein Saa- menkorn, keine eingesponnene Raupe, kein Scheintodter fault, und es ist ein wahres Wunderwerk, wie sie Körper, die eine so starke Neigung zur Fäulniss haben, wie eben der menschliche, 60 -- 80 -- ja 100 Jahre dafür schützen kann. --
6. Die Lebenskraft iſt das gröſste Erhaltungsmittel des Körpers, den ſie bewohnt. Nicht genug, daſs ſie die gan- ze Organiſation bindet und zuſammen hält; ſo widerſteht ſie auch ſehr kräftig den zerſtörenden Einflüſſen der übrigen Naturkräfte, in ſo fern ſie auf chemi- ſchen Geſetzen beruhen, die ſie aufzu- heben, wenigſtens zu modifiziren ver- mag. Ich rechne hieher hauptſächlich die Wirkungen der Fäulniſs, der Ver- witterung, des Froſts. — Kein leben- diges Weſen fault; es gehört immer erſt Schwächung oder Vernichtung der Le- benskraft dazu, um Fäulniſs möglich zu machen. Selbſt in ihrem gebundenen unwirkſamen Zuſtand vermag ſie Fäul- niſs abzuhalten. Kein Ey, ſo lange noch Lebenskraft darinne iſt, kein Saa- menkorn, keine eingeſponnene Raupe, kein Scheintodter fault, und es iſt ein wahres Wunderwerk, wie ſie Körper, die eine ſo ſtarke Neigung zur Fäulniſs haben, wie eben der menſchliche, 60 — 80 — ja 100 Jahre dafür ſchützen kann. —
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6. Die Lebenskraft iſt das gröſste
Erhaltungsmittel des Körpers, den ſie
bewohnt. Nicht genug, daſs ſie die gan-
ze Organiſation bindet und zuſammen
hält; ſo widerſteht ſie auch ſehr kräftig
den zerſtörenden Einflüſſen der übrigen
Naturkräfte, in ſo fern ſie auf chemi-
ſchen Geſetzen beruhen, die ſie aufzu-
heben, wenigſtens zu modifiziren ver-
mag. Ich rechne hieher hauptſächlich
die Wirkungen der Fäulniſs, der Ver-
witterung, des Froſts. — Kein leben-
diges Weſen fault; es gehört immer erſt
Schwächung oder Vernichtung der Le-
benskraft dazu, um Fäulniſs möglich zu
machen. Selbſt in ihrem gebundenen
unwirkſamen Zuſtand vermag ſie Fäul-
niſs abzuhalten. Kein Ey, ſo lange
noch Lebenskraft darinne iſt, kein Saa-
menkorn, keine eingeſponnene Raupe,
kein Scheintodter fault, und es iſt ein
wahres Wunderwerk, wie ſie Körper,
die eine ſo ſtarke Neigung zur Fäulniſs
haben, wie eben der menſchliche, 60 —
80 — ja 100 Jahre dafür ſchützen kann. —
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Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/82>, abgerufen am 24.11.2024.
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