Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

ausser der Zufriedenheit mit der Welt
und der Stelle, die man darinne hat,
Alles Thorheit sey, welche zum Misver-
gnügen führt." *)

5. Man stärke und befestige sich im-
mer mehr im Glauben und Vertrauen
auf die Menschheit, und in allen den
schönen daraus sprossenden Tugenden,
Wohlwollen, Menschenliebe, Freund-
schaft, Humanität. Man halte jeden
Menschen für gut, bis man durch un-
widersprechliche Beweise vom Gegen-
theil überzeugt ist, und auch dann müs-
sen wir ihn nur als einen irrenden be-
trachten, der mehr unser Mitleid, als
unsern Hass verdient. Er würde eben-
falls gut seyn, wenn ihn nicht Misver-
stand, Mangel an Erkenntniss oder fal-
sches Interesse verführte. Wehe dem
Menschen, dessen Lebensphilosophie
darinne besteht, niemand zu trauen!
Sein Leben ist ein ewiger Of- und De-
fensivkrieg, und um seine Zufriedenheit

*) S. Apologis des Misvergnügens.

auſſer der Zufriedenheit mit der Welt
und der Stelle, die man darinne hat,
Alles Thorheit ſey, welche zum Misver-
gnügen führt.“ *)

5. Man ſtärke und befeſtige ſich im-
mer mehr im Glauben und Vertrauen
auf die Menſchheit, und in allen den
ſchönen daraus ſproſſenden Tugenden,
Wohlwollen, Menſchenliebe, Freund-
ſchaft, Humanität. Man halte jeden
Menſchen für gut, bis man durch un-
widerſprechliche Beweiſe vom Gegen-
theil überzeugt iſt, und auch dann müſ-
ſen wir ihn nur als einen irrenden be-
trachten, der mehr unſer Mitleid, als
unſern Haſs verdient. Er würde eben-
falls gut ſeyn, wenn ihn nicht Misver-
ſtand, Mangel an Erkenntniſs oder fal-
ſches Intereſſe verführte. Wehe dem
Menſchen, deſſen Lebensphiloſophie
darinne beſteht, niemand zu trauen!
Sein Leben iſt ein ewiger Of- und De-
fenſivkrieg, und um ſeine Zufriedenheit

*) S. Apologis des Misvergnügens.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0646" n="618"/>
au&#x017F;&#x017F;er der Zufriedenheit mit der Welt<lb/>
und der Stelle, die man darinne hat,<lb/>
Alles Thorheit &#x017F;ey, welche zum Misver-<lb/>
gnügen führt.&#x201C; <note place="foot" n="*)">S. <hi rendition="#i">Apologis des Misvergnügens.</hi></note></p><lb/>
            <p>5. Man &#x017F;tärke und befe&#x017F;tige &#x017F;ich im-<lb/>
mer mehr im Glauben und Vertrauen<lb/>
auf die Men&#x017F;chheit, und in allen den<lb/>
&#x017F;chönen daraus &#x017F;pro&#x017F;&#x017F;enden Tugenden,<lb/>
Wohlwollen, Men&#x017F;chenliebe, Freund-<lb/>
&#x017F;chaft, Humanität. Man halte jeden<lb/>
Men&#x017F;chen für gut, bis man durch un-<lb/>
wider&#x017F;prechliche Bewei&#x017F;e vom Gegen-<lb/>
theil überzeugt i&#x017F;t, und auch dann mü&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en wir ihn nur als einen irrenden be-<lb/>
trachten, der mehr un&#x017F;er Mitleid, als<lb/>
un&#x017F;ern Ha&#x017F;s verdient. Er würde eben-<lb/>
falls gut &#x017F;eyn, wenn ihn nicht Misver-<lb/>
&#x017F;tand, Mangel an Erkenntni&#x017F;s oder fal-<lb/>
&#x017F;ches Intere&#x017F;&#x017F;e verführte. Wehe dem<lb/>
Men&#x017F;chen, de&#x017F;&#x017F;en Lebensphilo&#x017F;ophie<lb/>
darinne be&#x017F;teht, niemand zu trauen!<lb/>
Sein Leben i&#x017F;t ein ewiger Of- und De-<lb/>
fen&#x017F;ivkrieg, und um &#x017F;eine Zufriedenheit<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[618/0646] auſſer der Zufriedenheit mit der Welt und der Stelle, die man darinne hat, Alles Thorheit ſey, welche zum Misver- gnügen führt.“ *) 5. Man ſtärke und befeſtige ſich im- mer mehr im Glauben und Vertrauen auf die Menſchheit, und in allen den ſchönen daraus ſproſſenden Tugenden, Wohlwollen, Menſchenliebe, Freund- ſchaft, Humanität. Man halte jeden Menſchen für gut, bis man durch un- widerſprechliche Beweiſe vom Gegen- theil überzeugt iſt, und auch dann müſ- ſen wir ihn nur als einen irrenden be- trachten, der mehr unſer Mitleid, als unſern Haſs verdient. Er würde eben- falls gut ſeyn, wenn ihn nicht Misver- ſtand, Mangel an Erkenntniſs oder fal- ſches Intereſſe verführte. Wehe dem Menſchen, deſſen Lebensphiloſophie darinne beſteht, niemand zu trauen! Sein Leben iſt ein ewiger Of- und De- fenſivkrieg, und um ſeine Zufriedenheit *) S. Apologis des Misvergnügens.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/646
Zitationshilfe: Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 618. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/646>, abgerufen am 22.11.2024.