ausser der Zufriedenheit mit der Welt und der Stelle, die man darinne hat, Alles Thorheit sey, welche zum Misver- gnügen führt." *)
5. Man stärke und befestige sich im- mer mehr im Glauben und Vertrauen auf die Menschheit, und in allen den schönen daraus sprossenden Tugenden, Wohlwollen, Menschenliebe, Freund- schaft, Humanität. Man halte jeden Menschen für gut, bis man durch un- widersprechliche Beweise vom Gegen- theil überzeugt ist, und auch dann müs- sen wir ihn nur als einen irrenden be- trachten, der mehr unser Mitleid, als unsern Hass verdient. Er würde eben- falls gut seyn, wenn ihn nicht Misver- stand, Mangel an Erkenntniss oder fal- sches Interesse verführte. Wehe dem Menschen, dessen Lebensphilosophie darinne besteht, niemand zu trauen! Sein Leben ist ein ewiger Of- und De- fensivkrieg, und um seine Zufriedenheit
*) S. Apologis des Misvergnügens.
auſſer der Zufriedenheit mit der Welt und der Stelle, die man darinne hat, Alles Thorheit ſey, welche zum Misver- gnügen führt.“ *)
5. Man ſtärke und befeſtige ſich im- mer mehr im Glauben und Vertrauen auf die Menſchheit, und in allen den ſchönen daraus ſproſſenden Tugenden, Wohlwollen, Menſchenliebe, Freund- ſchaft, Humanität. Man halte jeden Menſchen für gut, bis man durch un- widerſprechliche Beweiſe vom Gegen- theil überzeugt iſt, und auch dann müſ- ſen wir ihn nur als einen irrenden be- trachten, der mehr unſer Mitleid, als unſern Haſs verdient. Er würde eben- falls gut ſeyn, wenn ihn nicht Misver- ſtand, Mangel an Erkenntniſs oder fal- ſches Intereſſe verführte. Wehe dem Menſchen, deſſen Lebensphiloſophie darinne beſteht, niemand zu trauen! Sein Leben iſt ein ewiger Of- und De- fenſivkrieg, und um ſeine Zufriedenheit
*) S. Apologis des Misvergnügens.
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auſſer der Zufriedenheit mit der Welt
und der Stelle, die man darinne hat,
Alles Thorheit ſey, welche zum Misver-
gnügen führt.“ *)
5. Man ſtärke und befeſtige ſich im-
mer mehr im Glauben und Vertrauen
auf die Menſchheit, und in allen den
ſchönen daraus ſproſſenden Tugenden,
Wohlwollen, Menſchenliebe, Freund-
ſchaft, Humanität. Man halte jeden
Menſchen für gut, bis man durch un-
widerſprechliche Beweiſe vom Gegen-
theil überzeugt iſt, und auch dann müſ-
ſen wir ihn nur als einen irrenden be-
trachten, der mehr unſer Mitleid, als
unſern Haſs verdient. Er würde eben-
falls gut ſeyn, wenn ihn nicht Misver-
ſtand, Mangel an Erkenntniſs oder fal-
ſches Intereſſe verführte. Wehe dem
Menſchen, deſſen Lebensphiloſophie
darinne beſteht, niemand zu trauen!
Sein Leben iſt ein ewiger Of- und De-
fenſivkrieg, und um ſeine Zufriedenheit
*) S. Apologis des Misvergnügens.
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Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 618. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/646>, abgerufen am 22.11.2024.
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