Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

menschliche Geist ist früh in seiner
grössten Reinheit, Energie und Frisch-
heit; noch ist er nicht, wie des Abends,
durch die mancherley Eindrücke des
Tags, durch Geschäfte und Verdriess-
lichkeiten getrübt und sich unähn-
lich gemacht, noch ist er es mehr
selbst, originell, und in seiner ur-
sprünglichen Kraft. Diess ist der Zeit-
punct neuer Geistesschöpfungen, reiner
Begriffe Anschauungen und grosser Ge-
danken. Nie geniesst der Mensch das
Gefühl seines eignen Daseyns so rein
und vollkommen, als an einem schönen
Morgen; wer diesen Zeitpunct ver-
säumt, der versäumt die Jugend seines
Lebens!

Alle, die ein hohes Alter erreichten,
liebten das Frühaufstehen, und J. Wes-
ley
, der Stifter einer eignen methodi-
stischen Secte, ein origineller und merk-
würdiger Mann, war so sehr von der
Nothwendigkeit dieser Gewohnheit
überzeugt, dass ers zu einem Religions-

menſchliche Geiſt iſt früh in ſeiner
gröſsten Reinheit, Energie und Friſch-
heit; noch iſt er nicht, wie des Abends,
durch die mancherley Eindrücke des
Tags, durch Geſchäfte und Verdrieſs-
lichkeiten getrübt und ſich unähn-
lich gemacht, noch iſt er es mehr
ſelbſt, originell, und in ſeiner ur-
ſprünglichen Kraft. Dieſs iſt der Zeit-
punct neuer Geiſtesſchöpfungen, reiner
Begriffe Anſchauungen und groſser Ge-
danken. Nie genieſst der Menſch das
Gefühl ſeines eignen Daſeyns ſo rein
und vollkommen, als an einem ſchönen
Morgen; wer dieſen Zeitpunct ver-
ſäumt, der verſäumt die Jugend ſeines
Lebens!

Alle, die ein hohes Alter erreichten,
liebten das Frühaufſtehen, und J. Wes-
ley
, der Stifter einer eignen methodi-
ſtiſchen Secte, ein origineller und merk-
würdiger Mann, war ſo ſehr von der
Nothwendigkeit dieſer Gewohnheit
überzeugt, daſs ers zu einem Religions-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0584" n="556"/>
men&#x017F;chliche Gei&#x017F;t i&#x017F;t früh in &#x017F;einer<lb/>
grö&#x017F;sten Reinheit, Energie und Fri&#x017F;ch-<lb/>
heit; noch i&#x017F;t er nicht, wie des Abends,<lb/>
durch die mancherley Eindrücke des<lb/>
Tags, durch Ge&#x017F;chäfte und Verdrie&#x017F;s-<lb/>
lichkeiten getrübt und &#x017F;ich unähn-<lb/>
lich gemacht, noch i&#x017F;t er es mehr<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t, originell, und in &#x017F;einer ur-<lb/>
&#x017F;prünglichen Kraft. Die&#x017F;s i&#x017F;t der Zeit-<lb/>
punct neuer Gei&#x017F;tes&#x017F;chöpfungen, reiner<lb/>
Begriffe An&#x017F;chauungen und gro&#x017F;ser Ge-<lb/>
danken. Nie genie&#x017F;st der Men&#x017F;ch das<lb/>
Gefühl &#x017F;eines eignen Da&#x017F;eyns &#x017F;o rein<lb/>
und vollkommen, als an einem &#x017F;chönen<lb/>
Morgen; wer die&#x017F;en Zeitpunct ver-<lb/>
&#x017F;äumt, der ver&#x017F;äumt die Jugend &#x017F;eines<lb/>
Lebens!</p><lb/>
            <p>Alle, die ein hohes Alter erreichten,<lb/>
liebten das Frühauf&#x017F;tehen, und <hi rendition="#i">J. Wes-<lb/>
ley</hi>, der Stifter einer eignen methodi-<lb/>
&#x017F;ti&#x017F;chen Secte, ein origineller und merk-<lb/>
würdiger Mann, war &#x017F;o &#x017F;ehr von der<lb/>
Nothwendigkeit die&#x017F;er Gewohnheit<lb/>
überzeugt, da&#x017F;s ers zu einem Religions-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[556/0584] menſchliche Geiſt iſt früh in ſeiner gröſsten Reinheit, Energie und Friſch- heit; noch iſt er nicht, wie des Abends, durch die mancherley Eindrücke des Tags, durch Geſchäfte und Verdrieſs- lichkeiten getrübt und ſich unähn- lich gemacht, noch iſt er es mehr ſelbſt, originell, und in ſeiner ur- ſprünglichen Kraft. Dieſs iſt der Zeit- punct neuer Geiſtesſchöpfungen, reiner Begriffe Anſchauungen und groſser Ge- danken. Nie genieſst der Menſch das Gefühl ſeines eignen Daſeyns ſo rein und vollkommen, als an einem ſchönen Morgen; wer dieſen Zeitpunct ver- ſäumt, der verſäumt die Jugend ſeines Lebens! Alle, die ein hohes Alter erreichten, liebten das Frühaufſtehen, und J. Wes- ley, der Stifter einer eignen methodi- ſtiſchen Secte, ein origineller und merk- würdiger Mann, war ſo ſehr von der Nothwendigkeit dieſer Gewohnheit überzeugt, daſs ers zu einem Religions-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/584
Zitationshilfe: Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/584>, abgerufen am 25.11.2024.