ser geistiges und physisches Gefühl seyn! Mit Recht sagt daher der grösste Philo- soph unsrer Zeiten: Nehmt dem Menschen Hofnung und Schlaf, und er ist das un- glücklichste Geschöpf auf Erden.
Wie unweise handelt also derjenige, der dadurch, dass er sich den Schlaf übermässig abbricht, seine Existenz zu verlängern glaubt! Er wird seinen Zweck weder in- noch extensiv erreichen. Zwar mehr Stunden wird er mit ofnen Augen zubringen, aber nie wird er das Leben im eigentlichen Sinn des Worts, nie jene Frischheit und Energie des Gei- stes geniessen, die die unausbleibliche Folge jedes gesunden und hinreichenden Schlafs ist, und die allem, was wir trei- ben und thun, ein ähnliches Gepräge aufdrückt.
Aber nicht blos fürs intensive Leben, sondern auch fürs extensive, für die Dauer und Erhaltung desselben ist gehö- riger Schlaf ein hauptsächliches Mittel. Nichts beschleunigt unsre Consumtion so sehr, nichts reibt so vor der Zeit auf
ſer geiſtiges und phyſiſches Gefühl ſeyn! Mit Recht ſagt daher der gröſste Philo- ſoph unſrer Zeiten: Nehmt dem Menſchen Hofnung und Schlaf, und er iſt das un- glücklichſte Geſchöpf auf Erden.
Wie unweiſe handelt alſo derjenige, der dadurch, daſs er ſich den Schlaf übermäſsig abbricht, ſeine Exiſtenz zu verlängern glaubt! Er wird ſeinen Zweck weder in- noch extenſiv erreichen. Zwar mehr Stunden wird er mit ofnen Augen zubringen, aber nie wird er das Leben im eigentlichen Sinn des Worts, nie jene Friſchheit und Energie des Gei- ſtes genieſsen, die die unausbleibliche Folge jedes geſunden und hinreichenden Schlafs iſt, und die allem, was wir trei- ben und thun, ein ähnliches Gepräge aufdrückt.
Aber nicht blos fürs intenſive Leben, ſondern auch fürs extenſive, für die Dauer und Erhaltung deſſelben iſt gehö- riger Schlaf ein hauptſächliches Mittel. Nichts beſchleunigt unſre Conſumtion ſo ſehr, nichts reibt ſo vor der Zeit auf
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0574"n="546"/>ſer geiſtiges und phyſiſches Gefühl ſeyn!<lb/>
Mit Recht ſagt daher der gröſste Philo-<lb/>ſoph unſrer Zeiten: <hirendition="#i">Nehmt dem Menſchen<lb/>
Hofnung und Schlaf</hi>, und er iſt das un-<lb/>
glücklichſte Geſchöpf auf Erden.</p><lb/><p>Wie unweiſe handelt alſo derjenige,<lb/>
der dadurch, daſs er ſich den Schlaf<lb/>
übermäſsig abbricht, ſeine Exiſtenz zu<lb/>
verlängern glaubt! Er wird ſeinen<lb/>
Zweck weder <hirendition="#i">in</hi>- noch <hirendition="#i">extenſiv</hi> erreichen.<lb/>
Zwar mehr Stunden wird er mit ofnen<lb/>
Augen zubringen, aber nie wird er das<lb/>
Leben im eigentlichen Sinn des Worts,<lb/>
nie jene Friſchheit und Energie des Gei-<lb/>ſtes genieſsen, die die unausbleibliche<lb/>
Folge jedes geſunden und hinreichenden<lb/>
Schlafs iſt, und die allem, was wir trei-<lb/>
ben und thun, ein ähnliches Gepräge<lb/>
aufdrückt.</p><lb/><p>Aber nicht blos fürs intenſive Leben,<lb/>ſondern auch fürs extenſive, für die<lb/>
Dauer und Erhaltung deſſelben iſt gehö-<lb/>
riger Schlaf ein hauptſächliches Mittel.<lb/>
Nichts beſchleunigt unſre Conſumtion<lb/>ſo ſehr, nichts reibt ſo vor der Zeit auf<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[546/0574]
ſer geiſtiges und phyſiſches Gefühl ſeyn!
Mit Recht ſagt daher der gröſste Philo-
ſoph unſrer Zeiten: Nehmt dem Menſchen
Hofnung und Schlaf, und er iſt das un-
glücklichſte Geſchöpf auf Erden.
Wie unweiſe handelt alſo derjenige,
der dadurch, daſs er ſich den Schlaf
übermäſsig abbricht, ſeine Exiſtenz zu
verlängern glaubt! Er wird ſeinen
Zweck weder in- noch extenſiv erreichen.
Zwar mehr Stunden wird er mit ofnen
Augen zubringen, aber nie wird er das
Leben im eigentlichen Sinn des Worts,
nie jene Friſchheit und Energie des Gei-
ſtes genieſsen, die die unausbleibliche
Folge jedes geſunden und hinreichenden
Schlafs iſt, und die allem, was wir trei-
ben und thun, ein ähnliches Gepräge
aufdrückt.
Aber nicht blos fürs intenſive Leben,
ſondern auch fürs extenſive, für die
Dauer und Erhaltung deſſelben iſt gehö-
riger Schlaf ein hauptſächliches Mittel.
Nichts beſchleunigt unſre Conſumtion
ſo ſehr, nichts reibt ſo vor der Zeit auf
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 546. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/574>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.