Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797.weiss ich aus Erfarung, und könnte hier Geschlechtstriebs, setzen ihn in Stand denselben
selbst moralischen Gesetzen und Rücksichten un- terzuordnen, und retten auch in diesem Verhält- niss seine moralische Freyheit. Der Mensch bey- derley Geschlechts ist dadurch für den physischen Schaden, den die Nichtbefriedigung des Ge- schlechtstriebs erregen könnte, gesichert, es existirt nun keine unwiderstehliche blos thieri- sche Nothwendigkeit desselben, und der Mensch behält auch hier (wenn er sich nicht selbst schon durch zu grosse Reizung des Triebs dieses Vor- zugs verlustig gemacht hat), seinen freyen Wil- len ihn zu erfüllen oder nicht, je nachdem es höhere moralische Rücksichten erfordern. Ein neuer grosser Beweiss, dass schon die physische Natur des Menschen auf seine höhere moralische Vollkommenheit berechnet war, und dass dieser Zweck eine seiner unzertrennlichsten und we- sentlichsten Eigenschaften ist! weiſs ich aus Erfarung, und könnte hier Geſchlechtstriebs, ſetzen ihn in Stand denſelben
ſelbſt moraliſchen Geſetzen und Rückſichten un- terzuordnen, und retten auch in dieſem Verhält- niſs ſeine moraliſche Freyheit. Der Menſch bey- derley Geſchlechts iſt dadurch für den phyſiſchen Schaden, den die Nichtbefriedigung des Ge- ſchlechtstriebs erregen könnte, geſichert, es exiſtirt nun keine unwiderſtehliche blos thieri- ſche Nothwendigkeit deſſelben, und der Menſch behält auch hier (wenn er ſich nicht ſelbſt ſchon durch zu groſse Reizung des Triebs dieſes Vor- zugs verluſtig gemacht hat), ſeinen freyen Wil- len ihn zu erfüllen oder nicht, je nachdem es höhere moraliſche Rückſichten erfordern. Ein neuer groſser Beweiſs, daſs ſchon die phyſiſche Natur des Menſchen auf ſeine höhere moraliſche Vollkommenheit berechnet war, und daſs dieſer Zweck eine ſeiner unzertrennlichſten und we- ſentlichſten Eigenſchaften iſt! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0551" n="523"/> weiſs ich aus Erfarung, und könnte hier<lb/> mehrere brave Männer anführen, die<lb/> ihren jungfräulichen Bräuten auch ihre<lb/> männliche Jungfrauſchaft zur Mitgabe<lb/> brachten. Aber es gehört dazu ein fe-<lb/> ſter Vorſatz, feſter Karacter und eine<lb/> gewiſſe Richtung und Stimmung der<lb/> Denk- und Lebensweiſe, die freylich<lb/><note xml:id="note-0551" prev="#note-0550" place="foot" n="*)">Geſchlechtstriebs, ſetzen ihn in Stand denſelben<lb/> ſelbſt moraliſchen Geſetzen und Rückſichten un-<lb/> terzuordnen, und retten auch in dieſem Verhält-<lb/> niſs ſeine moraliſche Freyheit. Der Menſch bey-<lb/> derley Geſchlechts iſt dadurch für den phyſiſchen<lb/> Schaden, den die Nichtbefriedigung des Ge-<lb/> ſchlechtstriebs erregen könnte, geſichert, es<lb/> exiſtirt nun keine unwiderſtehliche blos thieri-<lb/> ſche Nothwendigkeit deſſelben, und der Menſch<lb/> behält auch hier (wenn er ſich nicht ſelbſt ſchon<lb/> durch zu groſse Reizung des Triebs dieſes Vor-<lb/> zugs verluſtig gemacht hat), ſeinen freyen Wil-<lb/> len ihn zu erfüllen oder nicht, je nachdem es<lb/> höhere moraliſche Rückſichten erfordern. Ein<lb/> neuer groſser Beweiſs, daſs ſchon die phyſiſche<lb/> Natur des Menſchen auf ſeine höhere moraliſche<lb/> Vollkommenheit berechnet war, und daſs dieſer<lb/> Zweck eine ſeiner unzertrennlichſten und we-<lb/> ſentlichſten Eigenſchaften iſt!</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [523/0551]
weiſs ich aus Erfarung, und könnte hier
mehrere brave Männer anführen, die
ihren jungfräulichen Bräuten auch ihre
männliche Jungfrauſchaft zur Mitgabe
brachten. Aber es gehört dazu ein fe-
ſter Vorſatz, feſter Karacter und eine
gewiſſe Richtung und Stimmung der
Denk- und Lebensweiſe, die freylich
*)
*) Geſchlechtstriebs, ſetzen ihn in Stand denſelben
ſelbſt moraliſchen Geſetzen und Rückſichten un-
terzuordnen, und retten auch in dieſem Verhält-
niſs ſeine moraliſche Freyheit. Der Menſch bey-
derley Geſchlechts iſt dadurch für den phyſiſchen
Schaden, den die Nichtbefriedigung des Ge-
ſchlechtstriebs erregen könnte, geſichert, es
exiſtirt nun keine unwiderſtehliche blos thieri-
ſche Nothwendigkeit deſſelben, und der Menſch
behält auch hier (wenn er ſich nicht ſelbſt ſchon
durch zu groſse Reizung des Triebs dieſes Vor-
zugs verluſtig gemacht hat), ſeinen freyen Wil-
len ihn zu erfüllen oder nicht, je nachdem es
höhere moraliſche Rückſichten erfordern. Ein
neuer groſser Beweiſs, daſs ſchon die phyſiſche
Natur des Menſchen auf ſeine höhere moraliſche
Vollkommenheit berechnet war, und daſs dieſer
Zweck eine ſeiner unzertrennlichſten und we-
ſentlichſten Eigenſchaften iſt!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/551 |
Zitationshilfe: | Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 523. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/551>, abgerufen am 25.07.2024. |