führt. Ich habe diess in der Erfarung gar oft bestätigt gefunden. Kinder die zu früh und zu viel Fleischkost beka- men, wurden immer kräftige, aber lei- denschaftliche, heftige, brutale Men- schen, und ich zweifle, dass eine solche Anlage sowohl diese Menschen als die Welt beglückt. Es giebt allerdings Fälle, wo Fleischkost auch schon früh- zeitig nüzlich seyn kann, nehmlich bey schon schwachen, ohne Muttermilch er- zognen, an Säure leidenden Subjecten, aber denn ist sie Arzney, und muss vom Arzt erst bestimmt und verordnet wer- den. Was ich vom Fleisch gesagt habe, gilt auch noch mehr vom Wein, Koffee, Chokolade, Gewürze u. dgl. Und es bleibt daher eine sehr wichtige Regel der physischen Kinderzucht: Das Kind soll im ersten halben Jahre gar kein Fleisch, keine Fleischbrühe, kein Bier, keinen Koffee geniessen, sondern blos Mutter- milch. Erst im zweyten halben Jahre kann leichte Bouillonsuppe verstattet werden; aber wirkliches Fleisch in
führt. Ich habe dieſs in der Erfarung gar oft beſtätigt gefunden. Kinder die zu früh und zu viel Fleiſchkoſt beka- men, wurden immer kräftige, aber lei- denſchaftliche, heftige, brutale Men- ſchen, und ich zweifle, daſs eine ſolche Anlage ſowohl dieſe Menſchen als die Welt beglückt. Es giebt allerdings Fälle, wo Fleiſchkoſt auch ſchon früh- zeitig nüzlich ſeyn kann, nehmlich bey ſchon ſchwachen, ohne Muttermilch er- zognen, an Säure leidenden Subjecten, aber denn iſt ſie Arzney, und muſs vom Arzt erſt beſtimmt und verordnet wer- den. Was ich vom Fleiſch geſagt habe, gilt auch noch mehr vom Wein, Koffee, Chokolade, Gewürze u. dgl. Und es bleibt daher eine ſehr wichtige Regel der phyſiſchen Kinderzucht: Das Kind ſoll im erſten halben Jahre gar kein Fleiſch, keine Fleiſchbrühe, kein Bier, keinen Koffee genieſſen, ſondern blos Mutter- milch. Erſt im zweyten halben Jahre kann leichte Bouillonſuppe verſtattet werden; aber wirkliches Fleiſch in
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führt. Ich habe dieſs in der Erfarung
gar oft beſtätigt gefunden. Kinder die
zu früh und zu viel Fleiſchkoſt beka-
men, wurden immer kräftige, aber lei-
denſchaftliche, heftige, brutale Men-
ſchen, und ich zweifle, daſs eine ſolche
Anlage ſowohl dieſe Menſchen als die
Welt beglückt. Es giebt allerdings
Fälle, wo Fleiſchkoſt auch ſchon früh-
zeitig nüzlich ſeyn kann, nehmlich bey
ſchon ſchwachen, ohne Muttermilch er-
zognen, an Säure leidenden Subjecten,
aber denn iſt ſie Arzney, und muſs vom
Arzt erſt beſtimmt und verordnet wer-
den. Was ich vom Fleiſch geſagt habe,
gilt auch noch mehr vom Wein, Koffee,
Chokolade, Gewürze u. dgl. Und es
bleibt daher eine ſehr wichtige Regel der
phyſiſchen Kinderzucht: Das Kind ſoll
im erſten halben Jahre gar kein Fleiſch,
keine Fleiſchbrühe, kein Bier, keinen
Koffee genieſſen, ſondern blos Mutter-
milch. Erſt im zweyten halben Jahre
kann leichte Bouillonſuppe verſtattet
werden; aber wirkliches Fleiſch in
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Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/515>, abgerufen am 22.11.2024.
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