dem Verhältniss zum Kinde steht, als Fleisch zu dem Erwachsenen, und Wein zu dem alten abgelebten Menschen. Giebt man aber einem Kinde frühzeitig Fleischnahrung, so giebt man ihm einen Reiz, der dem Reiz des Weins bey Er- wachsenen gleich ist, der ihm viel zu stark, und von der Natur auch gar nicht bestimmt ist. Die Folgen sind: man erregt und unterhält bey dem Kinde ein künstliches Fieber, beschleunigt Circu- lation des Bluts, vermehrte Wärme, und bewirkt einen beständig zu hestigen ent- zündlichen Zufällen geneigten Zustand. Ein solches Kind sieht zwar blühend und wohlgenährt aus, aber die geringste Veranlassung kann ein heftiges Aufwal- len des Bluts erregen, und kommts nun vollends zur Zahnarbeit oder Blattern und andern Fiebern, wo der Trieb des Bluts so schon heftig zum Kopfe steigt, so kann man fest darauf rechnen, dass Entzündungsfieber, Zuckungen, Schlag- flüsse entstehen. Die meisten Menschen glauben, man könne nur an Schwäche
dem Verhältniſs zum Kinde ſteht, als Fleiſch zu dem Erwachſenen, und Wein zu dem alten abgelebten Menſchen. Giebt man aber einem Kinde frühzeitig Fleiſchnahrung, ſo giebt man ihm einen Reiz, der dem Reiz des Weins bey Er- wachſenen gleich iſt, der ihm viel zu ſtark, und von der Natur auch gar nicht beſtimmt iſt. Die Folgen ſind: man erregt und unterhält bey dem Kinde ein künſtliches Fieber, beſchleunigt Circu- lation des Bluts, vermehrte Wärme, und bewirkt einen beſtändig zu heſtigen ent- zündlichen Zufällen geneigten Zuſtand. Ein ſolches Kind ſieht zwar blühend und wohlgenährt aus, aber die geringſte Veranlaſſung kann ein heftiges Aufwal- len des Bluts erregen, und kommts nun vollends zur Zahnarbeit oder Blattern und andern Fiebern, wo der Trieb des Bluts ſo ſchon heftig zum Kopfe ſteigt, ſo kann man feſt darauf rechnen, daſs Entzündungsfieber, Zuckungen, Schlag- flüſſe entſtehen. Die meiſten Menſchen glauben, man könne nur an Schwäche
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dem Verhältniſs zum Kinde ſteht, als
Fleiſch zu dem Erwachſenen, und Wein
zu dem alten abgelebten Menſchen.
Giebt man aber einem Kinde frühzeitig
Fleiſchnahrung, ſo giebt man ihm einen
Reiz, der dem Reiz des Weins bey Er-
wachſenen gleich iſt, der ihm viel zu
ſtark, und von der Natur auch gar nicht
beſtimmt iſt. Die Folgen ſind: man
erregt und unterhält bey dem Kinde ein
künſtliches Fieber, beſchleunigt Circu-
lation des Bluts, vermehrte Wärme, und
bewirkt einen beſtändig zu heſtigen ent-
zündlichen Zufällen geneigten Zuſtand.
Ein ſolches Kind ſieht zwar blühend und
wohlgenährt aus, aber die geringſte
Veranlaſſung kann ein heftiges Aufwal-
len des Bluts erregen, und kommts nun
vollends zur Zahnarbeit oder Blattern
und andern Fiebern, wo der Trieb des
Bluts ſo ſchon heftig zum Kopfe ſteigt,
ſo kann man feſt darauf rechnen, daſs
Entzündungsfieber, Zuckungen, Schlag-
flüſſe entſtehen. Die meiſten Menſchen
glauben, man könne nur an Schwäche
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Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/513>, abgerufen am 22.11.2024.
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