Ende fliessen hier wieder zusammen. Meine Beweise sind folgende: Zuerst kann der Mensch keine Empfindung vom Sterben haben, denn Sterben heisst nichts anders als die Lebenskraft verlie- ren, und diese ists eben, wodurch die Seele ihren Körper empfindet; in dem- selben Verhältniss also, als sich die Le- benskraft verliert, verliert sich auch die Empfindungskraft und das Bewusstseyn; und wir können das Leben nicht verlie- ren, ohne zugleich oder noch eher (denn es gehören dazu zartere Organe) auch das Gefühl des Lebens zu verlieren. Und dann lehrt es auch die Erfarung. Alle die, welche den ersten Grad des Todes erlitten und wieder zum Leben zurückgerufen wurden, versichern ein- stimmig, dass sie nichts vom Sterben ge- fühlt haben, sondern in Ohnmacht, in Bewusstlosigkeit versunken sind. -- Man lasse sich nicht durch die Zuckun- gen, das Röcheln, die scheinbare Todes- angst irre machen, die man bey man- chen Sterbenden sieht. Diese Zufälle sind
Ende flieſsen hier wieder zuſammen. Meine Beweiſe ſind folgende: Zuerſt kann der Menſch keine Empfindung vom Sterben haben, denn Sterben heiſst nichts anders als die Lebenskraft verlie- ren, und dieſe iſts eben, wodurch die Seele ihren Körper empfindet; in dem- ſelben Verhältniſs alſo, als ſich die Le- benskraft verliert, verliert ſich auch die Empfindungskraft und das Bewuſstſeyn; und wir können das Leben nicht verlie- ren, ohne zugleich oder noch eher (denn es gehören dazu zartere Organe) auch das Gefühl des Lebens zu verlieren. Und dann lehrt es auch die Erfarung. Alle die, welche den erſten Grad des Todes erlitten und wieder zum Leben zurückgerufen wurden, verſichern ein- ſtimmig, daſs ſie nichts vom Sterben ge- fühlt haben, ſondern in Ohnmacht, in Bewuſstloſigkeit verſunken ſind. — Man laſſe ſich nicht durch die Zuckun- gen, das Röcheln, die ſcheinbare Todes- angſt irre machen, die man bey man- chen Sterbenden ſieht. Dieſe Zufälle ſind
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Ende flieſsen hier wieder zuſammen.
Meine Beweiſe ſind folgende: Zuerſt
kann der Menſch keine Empfindung
vom Sterben haben, denn Sterben heiſst
nichts anders als die Lebenskraft verlie-
ren, und dieſe iſts eben, wodurch die
Seele ihren Körper empfindet; in dem-
ſelben Verhältniſs alſo, als ſich die Le-
benskraft verliert, verliert ſich auch die
Empfindungskraft und das Bewuſstſeyn;
und wir können das Leben nicht verlie-
ren, ohne zugleich oder noch eher (denn
es gehören dazu zartere Organe) auch
das Gefühl des Lebens zu verlieren.
Und dann lehrt es auch die Erfarung.
Alle die, welche den erſten Grad des
Todes erlitten und wieder zum Leben
zurückgerufen wurden, verſichern ein-
ſtimmig, daſs ſie nichts vom Sterben ge-
fühlt haben, ſondern in Ohnmacht, in
Bewuſstloſigkeit verſunken ſind. —
Man laſſe ſich nicht durch die Zuckun-
gen, das Röcheln, die ſcheinbare Todes-
angſt irre machen, die man bey man-
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Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/426>, abgerufen am 22.11.2024.
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