rächen, -- nur an jene Stunde gedacht, und an das Verhältniss, was dort entste- hen wird, und ich stehe dafür, dass jene misgünstigen oder menschenfeindlichen Ideen sogleich verschwinden werden. Die Ursache ist, weil durch diese Ver- setzung des Schauplatzes alle jenen klein- lichen und selbstsüchtigen Rücksichten aufgehoben werden, die uns so gewöhn- lich bestimmen; alles bekommt mit ei- nemmale seinen wahren Gesichtspunct, sein wahres Verhältniss, die Täuschung schwindet, das Wesentliche bleibt.
2. Mancher fürchtet weit weniger den Tod als die Operation des Sterbens. Da macht man sich die allersonderbar- sten Begriffe von der lezten Todesnoth, der gewaltsamen Trennung der Seele von ihrem Körper u. dgl. mehr. Aber diess alles ist völlig ungegründet. Ge- wiss hat noch kein Mensch das Sterben selbst empfunden, und eben so bewusst- los, wie wir ins Leben treten, eben so treten wir wieder heraus. Anfang und
rächen, — nur an jene Stunde gedacht, und an das Verhältniſs, was dort entſte- hen wird, und ich ſtehe dafür, daſs jene misgünſtigen oder menſchenfeindlichen Ideen ſogleich verſchwinden werden. Die Urſache iſt, weil durch dieſe Ver- ſetzung des Schauplatzes alle jenen klein- lichen und ſelbſtſüchtigen Rückſichten aufgehoben werden, die uns ſo gewöhn- lich beſtimmen; alles bekommt mit ei- nemmale ſeinen wahren Geſichtspunct, ſein wahres Verhältniſs, die Täuſchung ſchwindet, das Weſentliche bleibt.
2. Mancher fürchtet weit weniger den Tod als die Operation des Sterbens. Da macht man ſich die allerſonderbar- ſten Begriffe von der lezten Todesnoth, der gewaltſamen Trennung der Seele von ihrem Körper u. dgl. mehr. Aber dieſs alles iſt völlig ungegründet. Ge- wiſs hat noch kein Menſch das Sterben ſelbſt empfunden, und eben ſo bewuſst- los, wie wir ins Leben treten, eben ſo treten wir wieder heraus. Anfang und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0425"n="397"/>
rächen, — nur an jene Stunde gedacht,<lb/>
und an das Verhältniſs, was dort entſte-<lb/>
hen wird, und ich ſtehe dafür, daſs jene<lb/>
misgünſtigen oder menſchenfeindlichen<lb/>
Ideen ſogleich verſchwinden werden.<lb/>
Die Urſache iſt, weil durch dieſe Ver-<lb/>ſetzung des Schauplatzes alle jenen klein-<lb/>
lichen und ſelbſtſüchtigen Rückſichten<lb/>
aufgehoben werden, die uns ſo gewöhn-<lb/>
lich beſtimmen; alles bekommt mit ei-<lb/>
nemmale ſeinen wahren Geſichtspunct,<lb/>ſein wahres Verhältniſs, die Täuſchung<lb/>ſchwindet, das Weſentliche bleibt.</p><lb/><p>2. Mancher fürchtet weit weniger<lb/>
den Tod als die Operation des Sterbens.<lb/>
Da macht man ſich die allerſonderbar-<lb/>ſten Begriffe von der lezten Todesnoth,<lb/>
der gewaltſamen Trennung der Seele<lb/>
von ihrem Körper u. dgl. mehr. Aber<lb/>
dieſs alles iſt völlig ungegründet. Ge-<lb/>
wiſs hat noch kein Menſch das Sterben<lb/>ſelbſt empfunden, und eben ſo bewuſst-<lb/>
los, wie wir ins Leben treten, eben ſo<lb/>
treten wir wieder heraus. Anfang und<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[397/0425]
rächen, — nur an jene Stunde gedacht,
und an das Verhältniſs, was dort entſte-
hen wird, und ich ſtehe dafür, daſs jene
misgünſtigen oder menſchenfeindlichen
Ideen ſogleich verſchwinden werden.
Die Urſache iſt, weil durch dieſe Ver-
ſetzung des Schauplatzes alle jenen klein-
lichen und ſelbſtſüchtigen Rückſichten
aufgehoben werden, die uns ſo gewöhn-
lich beſtimmen; alles bekommt mit ei-
nemmale ſeinen wahren Geſichtspunct,
ſein wahres Verhältniſs, die Täuſchung
ſchwindet, das Weſentliche bleibt.
2. Mancher fürchtet weit weniger
den Tod als die Operation des Sterbens.
Da macht man ſich die allerſonderbar-
ſten Begriffe von der lezten Todesnoth,
der gewaltſamen Trennung der Seele
von ihrem Körper u. dgl. mehr. Aber
dieſs alles iſt völlig ungegründet. Ge-
wiſs hat noch kein Menſch das Sterben
ſelbſt empfunden, und eben ſo bewuſst-
los, wie wir ins Leben treten, eben ſo
treten wir wieder heraus. Anfang und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/425>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.