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Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797.

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gen guten Freunden, in Maderawein
ersäufen zu lassen, und nun nach 50
oder mehr Jahren durch die wohlthäti-
gen Sonnenstrahlen meines Vaterlandes
wieder ins Leben gerufen zu werden,
um nun zu sehen, was für Früchte die
Saat getragen, welche Veränderungen
die Zeit vorgenommen hätte.

Aber diese Vorschläge fallen in ihr
Nichts zurück, sobald wir auf das wahre
Wesen und den Zweck des menschlichen
Lebens sehen. -- Was heisst denn Le-
ben des Menschen? Wahrlich nicht
blos Essen, Trinken und Schlafen. Sonst
käme es so ziemlich mit dem Leben des
Schweins überein, dem Cicero keinen
andern Namen zu geben wusste, als ein
Verhütungsmittel der Fäulniss. Das
Leben des Menschen hat eine höhere Be-
stimmung: er soll wirken, handeln, ge-
niessen, er soll nicht blos da seyn, son-
dern sein Leben soll die in ihm liegen-
den göttlichen Keime entwickeln, sie
vervollkommnen, sein und andrer Glück

gen guten Freunden, in Maderawein
erſäufen zu laſſen, und nun nach 50
oder mehr Jahren durch die wohlthäti-
gen Sonnenſtrahlen meines Vaterlandes
wieder ins Leben gerufen zu werden,
um nun zu ſehen, was für Früchte die
Saat getragen, welche Veränderungen
die Zeit vorgenommen hätte.

Aber dieſe Vorſchläge fallen in ihr
Nichts zurück, ſobald wir auf das wahre
Weſen und den Zweck des menſchlichen
Lebens ſehen. — Was heiſst denn Le-
ben des Menſchen? Wahrlich nicht
blos Eſſen, Trinken und Schlafen. Sonſt
käme es ſo ziemlich mit dem Leben des
Schweins überein, dem Cicero keinen
andern Namen zu geben wuſste, als ein
Verhütungsmittel der Fäulniſs. Das
Leben des Menſchen hat eine höhere Be-
ſtimmung: er ſoll wirken, handeln, ge-
nieſsen, er ſoll nicht blos da ſeyn, ſon-
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den göttlichen Keime entwickeln, ſie
vervollkommnen, ſein und andrer Glück

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[292/0320] gen guten Freunden, in Maderawein erſäufen zu laſſen, und nun nach 50 oder mehr Jahren durch die wohlthäti- gen Sonnenſtrahlen meines Vaterlandes wieder ins Leben gerufen zu werden, um nun zu ſehen, was für Früchte die Saat getragen, welche Veränderungen die Zeit vorgenommen hätte. Aber dieſe Vorſchläge fallen in ihr Nichts zurück, ſobald wir auf das wahre Weſen und den Zweck des menſchlichen Lebens ſehen. — Was heiſst denn Le- ben des Menſchen? Wahrlich nicht blos Eſſen, Trinken und Schlafen. Sonſt käme es ſo ziemlich mit dem Leben des Schweins überein, dem Cicero keinen andern Namen zu geben wuſste, als ein Verhütungsmittel der Fäulniſs. Das Leben des Menſchen hat eine höhere Be- ſtimmung: er ſoll wirken, handeln, ge- nieſsen, er ſoll nicht blos da ſeyn, ſon- dern ſein Leben ſoll die in ihm liegen- den göttlichen Keime entwickeln, ſie vervollkommnen, ſein und andrer Glück

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Zitationshilfe: Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/320>, abgerufen am 29.11.2024.