stimmen sein Gemüth zur Heiterkeit, seine Seele geniesst mit. Er isst nicht blos um zu essen, sondern es ist ihm eine festliche Stunde für jeden Tag, eine Art von Wollust, die den wesentlichen Vorzug für andern hat, dass sie ihn nicht ärmer, sondern reicher macht. Er isst langsam, und hat nicht zu viel Durst. Grosser Durst ist immer ein Zeichen schneller Selbstkonsumtion.
Er ist überhaupt heiter, gesprächig, theilnehmend, offen für Freude, Liebe und Hoffnung, aber verschlossen für die Gefühle des Hasses, Zorns und Neids. Seine Leidenschaften werden nie heftig und verzehrend. Kommt es je einmal zu wirklichen Aerger und Zorn, so ist es mehr eine nüzliche Erwärmung, ein künstliches und wohlthätiges Fieber, ohne Ergiessung der Galle. Er liebt dabey Beschäftigung, besonders stille Meditationen, angenehme Speculatio- nen -- ist Optimist, ein Freund der
ſtimmen ſein Gemüth zur Heiterkeit, ſeine Seele genieſst mit. Er iſst nicht blos um zu eſſen, ſondern es iſt ihm eine feſtliche Stunde für jeden Tag, eine Art von Wolluſt, die den weſentlichen Vorzug für andern hat, daſs ſie ihn nicht ärmer, ſondern reicher macht. Er iſst langſam, und hat nicht zu viel Durſt. Groſser Durſt iſt immer ein Zeichen ſchneller Selbſtkonſumtion.
Er iſt überhaupt heiter, geſprächig, theilnehmend, offen für Freude, Liebe und Hoffnung, aber verſchloſſen für die Gefühle des Haſſes, Zorns und Neids. Seine Leidenſchaften werden nie heftig und verzehrend. Kommt es je einmal zu wirklichen Aerger und Zorn, ſo iſt es mehr eine nüzliche Erwärmung, ein künſtliches und wohlthätiges Fieber, ohne Ergieſsung der Galle. Er liebt dabey Beſchäftigung, beſonders ſtille Meditationen, angenehme Speculatio- nen — iſt Optimiſt, ein Freund der
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ſtimmen ſein Gemüth zur Heiterkeit,
ſeine Seele genieſst mit. Er iſst nicht
blos um zu eſſen, ſondern es iſt ihm
eine feſtliche Stunde für jeden Tag, eine
Art von Wolluſt, die den weſentlichen
Vorzug für andern hat, daſs ſie ihn nicht
ärmer, ſondern reicher macht. Er iſst
langſam, und hat nicht zu viel Durſt.
Groſser Durſt iſt immer ein Zeichen
ſchneller Selbſtkonſumtion.
Er iſt überhaupt heiter, geſprächig,
theilnehmend, offen für Freude, Liebe
und Hoffnung, aber verſchloſſen für die
Gefühle des Haſſes, Zorns und Neids.
Seine Leidenſchaften werden nie heftig
und verzehrend. Kommt es je einmal
zu wirklichen Aerger und Zorn, ſo iſt
es mehr eine nüzliche Erwärmung, ein
künſtliches und wohlthätiges Fieber,
ohne Ergieſsung der Galle. Er liebt
dabey Beſchäftigung, beſonders ſtille
Meditationen, angenehme Speculatio-
nen — iſt Optimiſt, ein Freund der
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Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/306>, abgerufen am 27.11.2024.
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