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Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797.

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chemische Welt über, und werden wie-
der ein Eigenthum der allgemeinen un-
belebten Natur, aus der sie auf eine
kurze Zeit ausgetreten waren. Dies un-
unterbrochene Geschäft ist das Werk der
immer wirksamen Lebenskraft in uns,
folglich mit einer unaufhörlichen Kraft-
äusserung verbunden; und dies ist ein
neuer wichtiger Bestandtheil der Lebens-
operation. So ist das Leben ein bestän-
diges Nehmen, Aneignen und Wieder-
geben, ein immerwährendes Gemisch
von Tod und neuer Schöpfung.

Das, was wir also im gewöhnlichen
Sinne Leben eines Geschöpfs (als Darstel-
lung betrachtet) nennen, ist nichts wei-
ter als eine blosse Erscheinung, die
durchaus nichts eignes und selbstständi-
ges hat, als die wirkende geistige Kraft,
die ihr zum Grunde liegt, und die alles
bindet und ordnet. Alles übrige ist ein
blosses Phänomen, ein grosses fortdau-
erndes Schauspiel, wo das Dargestellte
keinen Augenblick dasselbe bleibt, son-

chemiſche Welt über, und werden wie-
der ein Eigenthum der allgemeinen un-
belebten Natur, aus der ſie auf eine
kurze Zeit ausgetreten waren. Dies un-
unterbrochene Geſchäft iſt das Werk der
immer wirkſamen Lebenskraft in uns,
folglich mit einer unaufhörlichen Kraft-
äuſſerung verbunden; und dies iſt ein
neuer wichtiger Beſtandtheil der Lebens-
operation. So iſt das Leben ein beſtän-
diges Nehmen, Aneignen und Wieder-
geben, ein immerwährendes Gemiſch
von Tod und neuer Schöpfung.

Das, was wir alſo im gewöhnlichen
Sinne Leben eines Geſchöpfs (als Darſtel-
lung betrachtet) nennen, iſt nichts wei-
ter als eine bloſse Erſcheinung, die
durchaus nichts eignes und ſelbſtſtändi-
ges hat, als die wirkende geiſtige Kraft,
die ihr zum Grunde liegt, und die alles
bindet und ordnet. Alles übrige iſt ein
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[221/0249] chemiſche Welt über, und werden wie- der ein Eigenthum der allgemeinen un- belebten Natur, aus der ſie auf eine kurze Zeit ausgetreten waren. Dies un- unterbrochene Geſchäft iſt das Werk der immer wirkſamen Lebenskraft in uns, folglich mit einer unaufhörlichen Kraft- äuſſerung verbunden; und dies iſt ein neuer wichtiger Beſtandtheil der Lebens- operation. So iſt das Leben ein beſtän- diges Nehmen, Aneignen und Wieder- geben, ein immerwährendes Gemiſch von Tod und neuer Schöpfung. Das, was wir alſo im gewöhnlichen Sinne Leben eines Geſchöpfs (als Darſtel- lung betrachtet) nennen, iſt nichts wei- ter als eine bloſse Erſcheinung, die durchaus nichts eignes und ſelbſtſtändi- ges hat, als die wirkende geiſtige Kraft, die ihr zum Grunde liegt, und die alles bindet und ordnet. Alles übrige iſt ein bloſses Phänomen, ein groſses fortdau- erndes Schauſpiel, wo das Dargeſtellte keinen Augenblick daſſelbe bleibt, ſon-

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Zitationshilfe: Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/249>, abgerufen am 23.11.2024.