16. Jahrhunderts in Deutschland; vorher sind nur die Unterlagen und Voraussetzungen der Raschheit der Beför- derung vorhanden: nämlich eine bestimmte Route (Boten- zug, Postlinie), deren planmässige oder traditionelle Eintei- lung in Halte- und Pferdewechsel-Stationen, nach ab- gemessenen oder vorher schon üblichen Distanzen, die Bereit- haltung der für die Unterlegung nötigen frischen Pferde, die Aufstellung besonderer Reitboten durch die Regierung oder durch die Handelswelt. Eine solche systematische Anordnung stellt sich schon in der römischen Kaiser- zeit als eine für Kommunikationszwecke errichtete stehende Anstalt mit einheitlich zentralisierter Leitung dar; es be- deutet dies aber -- wie ich immer wieder betonen muss -- nur die mehr technische, zu einer Organisation nötige Vor- bereitung der Strasse und der Vehikel.
Nun keimt im späteren Mittelalter allmählich die Organi- sation auf; die lebhaftere Entwicklung des Korrespondenz-, Reise- und Frachtverkehrs ist zugleich Folge und Ursache; zu- nächst wird dadurch das Bedürfnis nach einer sicheren und regelmässigen Beförderung gezeitigt, die Briefbeförderung ein spezielles Gewerbe. Wie die ehemaligen Handwerker des Bischofs oder der Pfalz selbständig werden und sich in einer Zunft vereinigen, ebenso entstehen neben den Hof- kurieren Botenzünfte, z. B. in Barcelona, in den lombardi- schen Städten, in den deutschen Reichsstädten, an den Universitäten. Vorher liegen die Ankunfts- und Abgangs- zeiten weit auseinander, jetzt führt -- zunächst an den Kreuzungspunkten -- das Aufkommen des Botengewer- bes zu einem geordneten Zusammenwirken für den allge- meinen Zweck der raschen Beförderung und zwar -- ge- mäss dem Wesen eines in der Arbeitsteilung stehenden Gewerbes -- "pour tout le monde"; das Botengewerbe ist schon seiner Natur nach gemeinwirtschaftlich.
Für jede Verkehrsorganisation ist diese Spezialisie-
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16. Jahrhunderts in Deutschland; vorher sind nur die Unterlagen und Voraussetzungen der Raschheit der Beför- derung vorhanden: nämlich eine bestimmte Route (Boten- zug, Postlinie), deren planmässige oder traditionelle Eintei- lung in Halte- und Pferdewechsel-Stationen, nach ab- gemessenen oder vorher schon üblichen Distanzen, die Bereit- haltung der für die Unterlegung nötigen frischen Pferde, die Aufstellung besonderer Reitboten durch die Regierung oder durch die Handelswelt. Eine solche systematische Anordnung stellt sich schon in der römischen Kaiser- zeit als eine für Kommunikationszwecke errichtete stehende Anstalt mit einheitlich zentralisierter Leitung dar; es be- deutet dies aber — wie ich immer wieder betonen muss — nur die mehr technische, zu einer Organisation nötige Vor- bereitung der Strasse und der Vehikel.
Nun keimt im späteren Mittelalter allmählich die Organi- sation auf; die lebhaftere Entwicklung des Korrespondenz-, Reise- und Frachtverkehrs ist zugleich Folge und Ursache; zu- nächst wird dadurch das Bedürfnis nach einer sicheren und regelmässigen Beförderung gezeitigt, die Briefbeförderung ein spezielles Gewerbe. Wie die ehemaligen Handwerker des Bischofs oder der Pfalz selbständig werden und sich in einer Zunft vereinigen, ebenso entstehen neben den Hof- kurieren Botenzünfte, z. B. in Barcelona, in den lombardi- schen Städten, in den deutschen Reichsstädten, an den Universitäten. Vorher liegen die Ankunfts- und Abgangs- zeiten weit auseinander, jetzt führt — zunächst an den Kreuzungspunkten — das Aufkommen des Botengewer- bes zu einem geordneten Zusammenwirken für den allge- meinen Zweck der raschen Beförderung und zwar — ge- mäss dem Wesen eines in der Arbeitsteilung stehenden Gewerbes — »pour tout le monde«; das Botengewerbe ist schon seiner Natur nach gemeinwirtschaftlich.
Für jede Verkehrsorganisation ist diese Spezialisie-
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16. Jahrhunderts in Deutschland; vorher sind nur die
Unterlagen und Voraussetzungen der Raschheit der Beför-
derung vorhanden: nämlich eine bestimmte Route (Boten-
zug, Postlinie), deren planmässige oder traditionelle Eintei-
lung in Halte- und Pferdewechsel-Stationen, nach ab-
gemessenen oder vorher schon üblichen Distanzen, die Bereit-
haltung der für die Unterlegung nötigen frischen Pferde,
die Aufstellung besonderer Reitboten durch die Regierung
oder durch die Handelswelt. Eine solche systematische
Anordnung stellt sich schon in der römischen Kaiser-
zeit als eine für Kommunikationszwecke errichtete stehende
Anstalt mit einheitlich zentralisierter Leitung dar; es be-
deutet dies aber — wie ich immer wieder betonen muss —
nur die mehr technische, zu einer Organisation nötige Vor-
bereitung der Strasse und der Vehikel.
Nun keimt im späteren Mittelalter allmählich die Organi-
sation auf; die lebhaftere Entwicklung des Korrespondenz-,
Reise- und Frachtverkehrs ist zugleich Folge und Ursache; zu-
nächst wird dadurch das Bedürfnis nach einer sicheren und
regelmässigen Beförderung gezeitigt, die Briefbeförderung
ein spezielles Gewerbe. Wie die ehemaligen Handwerker
des Bischofs oder der Pfalz selbständig werden und sich
in einer Zunft vereinigen, ebenso entstehen neben den Hof-
kurieren Botenzünfte, z. B. in Barcelona, in den lombardi-
schen Städten, in den deutschen Reichsstädten, an den
Universitäten. Vorher liegen die Ankunfts- und Abgangs-
zeiten weit auseinander, jetzt führt — zunächst an den
Kreuzungspunkten — das Aufkommen des Botengewer-
bes zu einem geordneten Zusammenwirken für den allge-
meinen Zweck der raschen Beförderung und zwar — ge-
mäss dem Wesen eines in der Arbeitsteilung stehenden
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schon seiner Natur nach gemeinwirtschaftlich.
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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/99>, abgerufen am 07.07.2024.
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