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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893.

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die Schilderung des Erasmus von Rotterdam gegenüber
den heutigen Schweizer Hotels und Münchener Bierpa-
lästen).

Durch all das wird das volkswirtschaftliche und ge-
sellschaftliche Zusammenwirken, der Verkehrsorganismus
und damit indirekt auch der Transportdienst gekräftigt.
Je weiter bei diesem Uebergang von der sogen. "Natural-
wirtschaft" zur "Geldwirtschaft" die arbeitsteilige Produk-
tion sich vervollkommnet, desto mehr schreitet auch der
Güteraustausch und der Gütertransport voran, und je mehr die
Kultur sich in geistiger Beziehung entfaltet, desto reger wird
der Verkehr (auch der in der Ferne)1); im gleichen Masse ge-
winnen der Fernverkehr und anderseits die Regel-
mässigkeit
der Tauschbeziehungen an Bedeutung. Damit
werden die Raum- überwindenden Transportmittel für das
Kulturleben unentbehrlich, und steigen zu Kultur-Grad-
messern empor; damit tritt aber auch das Bedürfnis nach
einem planmässigen System und einer ziel bewuss-
ten Organisation
des Beförderungsdienstes auf.

stitut der Börse eine Stütze finden. Von mächtigerem Einfluss wird der Fort-
schritt im Seewesen: Wissenschaft und Technik eilten auf diesem Ge-
biete frühe voran, vor allem die Nautik, die Astronomie (im Anschluss an
die Sterndeuterkunst jener Zeit), die Geographie (Behaim); der wissenschaft-
liche Fortschritt der Geographie, sowie die Erfindung der Magnetnadel und
des Kompasses ermöglichte die Entdeckung der neuen Welt und bahnte
in ähnlicher Weise eine neue Wirtschafts- und Kulturstufe an, wie die
spätere Erfindung der Dampfmaschine. Es erfolgt die Verlegung der Welt-
strasse aus dem Mittelmeer in den Ozean, und der Uebergang des interna-
tionalen Exportkommissionshandels von Venedig--Genua--Augs-
burg--Köln und Hamburg--Antwerpen auf London.
1) Der Korrespondenzverkehr in der Gestalt des Briefes erreicht seinen
Höhepunkt mit der Renaissance und im 18. Jahrh.: der Brief wird im gleichen
Masse zum Träger des Gedanken-Austausches und der gemütlich-familiären
Mitteilungen, als er vorher hauptsächlich dem Geschäftsverkehr gedient hat.
In der Mitte dieses Jahrhunderts vollzieht sich eine tiefeinschneidende Um-
wandelung unserer ganzen Denk- und Gefühlsweise, allmählich schwindet der
alte Brief und wird teilweise durch Postkarte und Telegramm verdrängt.

die Schilderung des Erasmus von Rotterdam gegenüber
den heutigen Schweizer Hotels und Münchener Bierpa-
lästen).

Durch all das wird das volkswirtschaftliche und ge-
sellschaftliche Zusammenwirken, der Verkehrsorganismus
und damit indirekt auch der Transportdienst gekräftigt.
Je weiter bei diesem Uebergang von der sogen. »Natural-
wirtschaft« zur »Geldwirtschaft« die arbeitsteilige Produk-
tion sich vervollkommnet, desto mehr schreitet auch der
Güteraustausch und der Gütertransport voran, und je mehr die
Kultur sich in geistiger Beziehung entfaltet, desto reger wird
der Verkehr (auch der in der Ferne)1); im gleichen Masse ge-
winnen der Fernverkehr und anderseits die Regel-
mässigkeit
der Tauschbeziehungen an Bedeutung. Damit
werden die Raum- überwindenden Transportmittel für das
Kulturleben unentbehrlich, und steigen zu Kultur-Grad-
messern empor; damit tritt aber auch das Bedürfnis nach
einem planmässigen System und einer ziel bewuss-
ten Organisation
des Beförderungsdienstes auf.

stitut der Börse eine Stütze finden. Von mächtigerem Einfluss wird der Fort-
schritt im Seewesen: Wissenschaft und Technik eilten auf diesem Ge-
biete frühe voran, vor allem die Nautik, die Astronomie (im Anschluss an
die Sterndeuterkunst jener Zeit), die Geographie (Behaim); der wissenschaft-
liche Fortschritt der Geographie, sowie die Erfindung der Magnetnadel und
des Kompasses ermöglichte die Entdeckung der neuen Welt und bahnte
in ähnlicher Weise eine neue Wirtschafts- und Kulturstufe an, wie die
spätere Erfindung der Dampfmaschine. Es erfolgt die Verlegung der Welt-
strasse aus dem Mittelmeer in den Ozean, und der Uebergang des interna-
tionalen Exportkommissionshandels von Venedig—Genua—Augs-
burg—Köln und Hamburg—Antwerpen auf London.
1) Der Korrespondenzverkehr in der Gestalt des Briefes erreicht seinen
Höhepunkt mit der Renaissance und im 18. Jahrh.: der Brief wird im gleichen
Masse zum Träger des Gedanken-Austausches und der gemütlich-familiären
Mitteilungen, als er vorher hauptsächlich dem Geschäftsverkehr gedient hat.
In der Mitte dieses Jahrhunderts vollzieht sich eine tiefeinschneidende Um-
wandelung unserer ganzen Denk- und Gefühlsweise, allmählich schwindet der
alte Brief und wird teilweise durch Postkarte und Telegramm verdrängt.
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[12/0028] die Schilderung des Erasmus von Rotterdam gegenüber den heutigen Schweizer Hotels und Münchener Bierpa- lästen). Durch all das wird das volkswirtschaftliche und ge- sellschaftliche Zusammenwirken, der Verkehrsorganismus und damit indirekt auch der Transportdienst gekräftigt. Je weiter bei diesem Uebergang von der sogen. »Natural- wirtschaft« zur »Geldwirtschaft« die arbeitsteilige Produk- tion sich vervollkommnet, desto mehr schreitet auch der Güteraustausch und der Gütertransport voran, und je mehr die Kultur sich in geistiger Beziehung entfaltet, desto reger wird der Verkehr (auch der in der Ferne) 1); im gleichen Masse ge- winnen der Fernverkehr und anderseits die Regel- mässigkeit der Tauschbeziehungen an Bedeutung. Damit werden die Raum- überwindenden Transportmittel für das Kulturleben unentbehrlich, und steigen zu Kultur-Grad- messern empor; damit tritt aber auch das Bedürfnis nach einem planmässigen System und einer ziel bewuss- ten Organisation des Beförderungsdienstes auf. 1) 1) Der Korrespondenzverkehr in der Gestalt des Briefes erreicht seinen Höhepunkt mit der Renaissance und im 18. Jahrh.: der Brief wird im gleichen Masse zum Träger des Gedanken-Austausches und der gemütlich-familiären Mitteilungen, als er vorher hauptsächlich dem Geschäftsverkehr gedient hat. In der Mitte dieses Jahrhunderts vollzieht sich eine tiefeinschneidende Um- wandelung unserer ganzen Denk- und Gefühlsweise, allmählich schwindet der alte Brief und wird teilweise durch Postkarte und Telegramm verdrängt. 1) stitut der Börse eine Stütze finden. Von mächtigerem Einfluss wird der Fort- schritt im Seewesen: Wissenschaft und Technik eilten auf diesem Ge- biete frühe voran, vor allem die Nautik, die Astronomie (im Anschluss an die Sterndeuterkunst jener Zeit), die Geographie (Behaim); der wissenschaft- liche Fortschritt der Geographie, sowie die Erfindung der Magnetnadel und des Kompasses ermöglichte die Entdeckung der neuen Welt und bahnte in ähnlicher Weise eine neue Wirtschafts- und Kulturstufe an, wie die spätere Erfindung der Dampfmaschine. Es erfolgt die Verlegung der Welt- strasse aus dem Mittelmeer in den Ozean, und der Uebergang des interna- tionalen Exportkommissionshandels von Venedig—Genua—Augs- burg—Köln und Hamburg—Antwerpen auf London.

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Zitationshilfe: Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/28>, abgerufen am 24.11.2024.