Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite

der Konkurrenz der Wasserstrassen. Die Kaiser beginnen
die Anlegung von Strassen für den grossen durchgehenden
Verkehr und die Beschleunigung der Nachrichtenbeförde-
rung, die ersten Elemente der Postorganisation nach grossen
einheitlichen Gesichtspunkten durchzuführen. Sie hatten
bei dem Ausbau jener Strassen -- gleich den Amerikanern
bei den Pacificbahnen -- den hohen Vorteil, dass sie erst
die Strassen bauten und sich die Ortschaften längs der-
selben und im Anschluss an dieselben später entwickelten:
so wurden die Römer zugleich zu systematischen Städte-
gründern.

Wie sich genau nachweisen lässt, folgte die römische
Kultur, die Gründung geschlossener Niederlassungen und
die Christianisierung dem Zuge dieser Militärstrassen 1).

In der Völkerwanderung werden römische Technik
und Organisation wie von einem Wildwasser hinweggefegt;
ihr Stand im Altertum sticht gegen den der folgenden
Periode so ab, wie etwa unsere Zeit gegen das vorige
Jahrhundert. Das ganze Kommunikationswesen des Mittel-
alters erscheint zu dem der römischen Kaiserzeit -- und es ist
dies ein Zeichen des inneren Zusammenhangs der allgemeinen
Kultur und des Transportverkehrs -- als ein ungeheuerer
Rückfall. Bis zum Anbruche der Neuzeit bleiben, wie die
Werkzeuge der Produktion
, so auch diejenigen des
Transports und des Handels stehen. Ueberhaupt ist die all-

1) Damit hängt zusammen, dass auch die Städte als Knotenpunkte des
Verkehrs heute noch dieselben sind, wie vor 2000 Jahren: Byzantium (Kon-
stantinopel), Singidunum (Belgrad?), Virunum (Klagenfurt?), Tergeste (Triest),
Juvavium (Salzburg), in der obern Donaugegend Augusta Vindelicorum (Augs-
burg), Regina castra (Regensburg) u. a., am Rhein Argentoratum (Strassburg),
Mogontiacum (Mainz), Bonna (Bonn), Colonia Agrippina (Köln), sie alle
und Tausende anderer Plätze, wie sie in der Peutinger'schen Tafel, entlang
den fünf von Rom ausgehenden Hauptsträngen (s. Raumers Historisches
Taschenbuch 1868, S. 102--118) aufgeführt werden, sind aus römischen Feld-
lagern und den sich daran anschliessenden Budenstädten (canabae) römischer
Kaufleute erwachsen.

der Konkurrenz der Wasserstrassen. Die Kaiser beginnen
die Anlegung von Strassen für den grossen durchgehenden
Verkehr und die Beschleunigung der Nachrichtenbeförde-
rung, die ersten Elemente der Postorganisation nach grossen
einheitlichen Gesichtspunkten durchzuführen. Sie hatten
bei dem Ausbau jener Strassen — gleich den Amerikanern
bei den Pacificbahnen — den hohen Vorteil, dass sie erst
die Strassen bauten und sich die Ortschaften längs der-
selben und im Anschluss an dieselben später entwickelten:
so wurden die Römer zugleich zu systematischen Städte-
gründern.

Wie sich genau nachweisen lässt, folgte die römische
Kultur, die Gründung geschlossener Niederlassungen und
die Christianisierung dem Zuge dieser Militärstrassen 1).

In der Völkerwanderung werden römische Technik
und Organisation wie von einem Wildwasser hinweggefegt;
ihr Stand im Altertum sticht gegen den der folgenden
Periode so ab, wie etwa unsere Zeit gegen das vorige
Jahrhundert. Das ganze Kommunikationswesen des Mittel-
alters erscheint zu dem der römischen Kaiserzeit — und es ist
dies ein Zeichen des inneren Zusammenhangs der allgemeinen
Kultur und des Transportverkehrs — als ein ungeheuerer
Rückfall. Bis zum Anbruche der Neuzeit bleiben, wie die
Werkzeuge der Produktion
, so auch diejenigen des
Transports und des Handels stehen. Ueberhaupt ist die all-

1) Damit hängt zusammen, dass auch die Städte als Knotenpunkte des
Verkehrs heute noch dieselben sind, wie vor 2000 Jahren: Byzantium (Kon-
stantinopel), Singidunum (Belgrad?), Virunum (Klagenfurt?), Tergeste (Triest),
Juvavium (Salzburg), in der obern Donaugegend Augusta Vindelicorum (Augs-
burg), Regina castra (Regensburg) u. a., am Rhein Argentoratum (Strassburg),
Mogontiacum (Mainz), Bonna (Bonn), Colonia Agrippina (Köln), sie alle
und Tausende anderer Plätze, wie sie in der Peutinger’schen Tafel, entlang
den fünf von Rom ausgehenden Hauptsträngen (s. Raumers Historisches
Taschenbuch 1868, S. 102—118) aufgeführt werden, sind aus römischen Feld-
lagern und den sich daran anschliessenden Budenstädten (canabae) römischer
Kaufleute erwachsen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0026" n="10"/>
der Konkurrenz der Wasserstrassen. Die Kaiser beginnen<lb/>
die Anlegung von Strassen für den grossen durchgehenden<lb/>
Verkehr und die Beschleunigung der Nachrichtenbeförde-<lb/>
rung, die ersten Elemente der Postorganisation nach grossen<lb/>
einheitlichen Gesichtspunkten durchzuführen. Sie hatten<lb/>
bei dem Ausbau jener Strassen &#x2014; gleich den Amerikanern<lb/>
bei den Pacificbahnen &#x2014; den hohen Vorteil, dass sie erst<lb/>
die Strassen bauten und sich die Ortschaften längs der-<lb/>
selben und im Anschluss an dieselben später entwickelten:<lb/>
so wurden die Römer zugleich zu systematischen Städte-<lb/>
gründern.</p><lb/>
          <p>Wie sich genau nachweisen lässt, folgte die römische<lb/>
Kultur, die Gründung geschlossener Niederlassungen und<lb/>
die Christianisierung dem Zuge dieser Militärstrassen <note place="foot" n="1)">Damit hängt zusammen, dass auch die Städte als Knotenpunkte des<lb/>
Verkehrs heute noch dieselben sind, wie vor 2000 Jahren: Byzantium (Kon-<lb/>
stantinopel), Singidunum (Belgrad?), Virunum (Klagenfurt?), Tergeste (Triest),<lb/>
Juvavium (Salzburg), in der obern Donaugegend Augusta Vindelicorum (Augs-<lb/>
burg), Regina castra (Regensburg) u. a., am Rhein Argentoratum (Strassburg),<lb/>
Mogontiacum (Mainz), Bonna (Bonn), Colonia Agrippina (Köln), sie alle<lb/>
und Tausende anderer Plätze, wie sie in der Peutinger&#x2019;schen Tafel, entlang<lb/>
den fünf von Rom ausgehenden Hauptsträngen (s. <hi rendition="#g">Raumers</hi> Historisches<lb/>
Taschenbuch 1868, S. 102&#x2014;118) aufgeführt werden, sind aus römischen Feld-<lb/>
lagern und den sich daran anschliessenden Budenstädten (canabae) römischer<lb/>
Kaufleute erwachsen.</note>.</p><lb/>
          <p>In der Völkerwanderung werden römische Technik<lb/>
und Organisation wie von einem Wildwasser hinweggefegt;<lb/>
ihr Stand im Altertum sticht gegen den der folgenden<lb/>
Periode so ab, wie etwa unsere Zeit gegen das vorige<lb/>
Jahrhundert. Das ganze Kommunikationswesen des Mittel-<lb/>
alters erscheint zu dem der römischen Kaiserzeit &#x2014; und es ist<lb/>
dies ein Zeichen des inneren Zusammenhangs der allgemeinen<lb/>
Kultur und des Transportverkehrs &#x2014; als ein ungeheuerer<lb/>
Rückfall. Bis zum Anbruche der Neuzeit bleiben, <hi rendition="#g">wie die<lb/>
Werkzeuge der Produktion</hi>, so auch diejenigen des<lb/>
Transports und des Handels stehen. Ueberhaupt ist die all-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0026] der Konkurrenz der Wasserstrassen. Die Kaiser beginnen die Anlegung von Strassen für den grossen durchgehenden Verkehr und die Beschleunigung der Nachrichtenbeförde- rung, die ersten Elemente der Postorganisation nach grossen einheitlichen Gesichtspunkten durchzuführen. Sie hatten bei dem Ausbau jener Strassen — gleich den Amerikanern bei den Pacificbahnen — den hohen Vorteil, dass sie erst die Strassen bauten und sich die Ortschaften längs der- selben und im Anschluss an dieselben später entwickelten: so wurden die Römer zugleich zu systematischen Städte- gründern. Wie sich genau nachweisen lässt, folgte die römische Kultur, die Gründung geschlossener Niederlassungen und die Christianisierung dem Zuge dieser Militärstrassen 1). In der Völkerwanderung werden römische Technik und Organisation wie von einem Wildwasser hinweggefegt; ihr Stand im Altertum sticht gegen den der folgenden Periode so ab, wie etwa unsere Zeit gegen das vorige Jahrhundert. Das ganze Kommunikationswesen des Mittel- alters erscheint zu dem der römischen Kaiserzeit — und es ist dies ein Zeichen des inneren Zusammenhangs der allgemeinen Kultur und des Transportverkehrs — als ein ungeheuerer Rückfall. Bis zum Anbruche der Neuzeit bleiben, wie die Werkzeuge der Produktion, so auch diejenigen des Transports und des Handels stehen. Ueberhaupt ist die all- 1) Damit hängt zusammen, dass auch die Städte als Knotenpunkte des Verkehrs heute noch dieselben sind, wie vor 2000 Jahren: Byzantium (Kon- stantinopel), Singidunum (Belgrad?), Virunum (Klagenfurt?), Tergeste (Triest), Juvavium (Salzburg), in der obern Donaugegend Augusta Vindelicorum (Augs- burg), Regina castra (Regensburg) u. a., am Rhein Argentoratum (Strassburg), Mogontiacum (Mainz), Bonna (Bonn), Colonia Agrippina (Köln), sie alle und Tausende anderer Plätze, wie sie in der Peutinger’schen Tafel, entlang den fünf von Rom ausgehenden Hauptsträngen (s. Raumers Historisches Taschenbuch 1868, S. 102—118) aufgeführt werden, sind aus römischen Feld- lagern und den sich daran anschliessenden Budenstädten (canabae) römischer Kaufleute erwachsen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/26
Zitationshilfe: Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/26>, abgerufen am 24.11.2024.