legt werde; "für die Poststrasse schlage ich vor, eine starke, feste, wohl fundamentierte Chaussee aufzuwerfen, oben bedeckt mit Kies, Kalk oder Stein, 60' breit, für die Querwege mag die Breite nur 20' betragen, für die Seitenwege soll so weit gesorgt werden, dass Wassergräben gezogen werden u. s. w."
Noch zu Anfang dieses Jahrhunderts erkannte man die Ver- besserung der Wege nicht einmal als nützlich, geschweige denn als eine Verpflichtung an. Vermied ja noch Friedrich der Grosse grundsätzlich die Anlage von Kunststrassen, angeblich aus stra- tegischen und handelspolitischen Rücksichten. Häufig liess man die Strasse absichtlich in schlechtem Stande. Unter der Kläg- lichkeit der mangelnden politischen Centralisation hatte am meisten der Transitverkehr zu leiden. Es war im Interesse der Provinz, wenn möglichst viele Reise-Unfälle vorkamen; durch die Bein-, Achsen- und Radbrüche wurde Geld in Umlauf gesetzt, der Schmied, der Radmacher, der Gastwirt, der Chirurg, alle verdienten dabei. Einen weiteren Gewinn für die Einheimischen erbrachte der Vorspann, von welchem an manchen Stellen ganze Dörfer lebten. Brücken- und Strassengeld wurden nicht nur als billiger Ersatz des Aufwands für fremde Passanten, sondern als schuldiger Tribut aufgefasst (Grundruhr, Strassen-Strand- recht). Mitte vorigen Jahrhunderts versagte z. B. Kurmainz der preussischen Post den Transit mit der ausdrücklichen Begrün- dung, dass sie viel zu schnell gehe, so dass "Gastwirte, Bäcker, Sattler, Schmiede, Bierbrauer und Weinschenker" an den Land- strassen nicht die Nahrung hätten, wie bei den Lohnfuhrwerken. Hauptrouten, wie die Strasse zwischen Hamm und Lippstadt, zwischen dem Westen und Osten von Preussen bildeten den Schrecken der Reisenden und der Fuhrleute; in den 1790ger Jahren wollte dort die preussische Regierung eine Kunststrasse an- legen, aber die damalige kurkölnische Regierung brach die Ver- handlungen aus Anlass eines Brückengeldstreites ab (über die Klagen jener Zeit vgl. z. B. Salzmann, Karl von Karlsberg oder "das menschliche Elend" 1784--1787 1); "Deutsche Kul-
1) Salzmann schildert, wie sein Pferd in dem morastigen Weg stecken geblieben ist, und fährt dann fort: "Täglich geht die Ordinaire hier durch! Täglich kann ich wenigstens in Bausch und Bogen sechs Extraposten rechnen,
legt werde; »für die Poststrasse schlage ich vor, eine starke, feste, wohl fundamentierte Chaussee aufzuwerfen, oben bedeckt mit Kies, Kalk óder Stein, 60′ breit, für die Querwege mag die Breite nur 20′ betragen, für die Seitenwege soll so weit gesorgt werden, dass Wassergräben gezogen werden u. s. w.«
Noch zu Anfang dieses Jahrhunderts erkannte man die Ver- besserung der Wege nicht einmal als nützlich, geschweige denn als eine Verpflichtung an. Vermied ja noch Friedrich der Grosse grundsätzlich die Anlage von Kunststrassen, angeblich aus stra- tegischen und handelspolitischen Rücksichten. Häufig liess man die Strasse absichtlich in schlechtem Stande. Unter der Kläg- lichkeit der mangelnden politischen Centralisation hatte am meisten der Transitverkehr zu leiden. Es war im Interesse der Provinz, wenn möglichst viele Reise-Unfälle vorkamen; durch die Bein-, Achsen- und Radbrüche wurde Geld in Umlauf gesetzt, der Schmied, der Radmacher, der Gastwirt, der Chirurg, alle verdienten dabei. Einen weiteren Gewinn für die Einheimischen erbrachte der Vorspann, von welchem an manchen Stellen ganze Dörfer lebten. Brücken- und Strassengeld wurden nicht nur als billiger Ersatz des Aufwands für fremde Passanten, sondern als schuldiger Tribut aufgefasst (Grundruhr, Strassen-Strand- recht). Mitte vorigen Jahrhunderts versagte z. B. Kurmainz der preussischen Post den Transit mit der ausdrücklichen Begrün- dung, dass sie viel zu schnell gehe, so dass »Gastwirte, Bäcker, Sattler, Schmiede, Bierbrauer und Weinschenker« an den Land- strassen nicht die Nahrung hätten, wie bei den Lohnfuhrwerken. Hauptrouten, wie die Strasse zwischen Hamm und Lippstadt, zwischen dem Westen und Osten von Preussen bildeten den Schrecken der Reisenden und der Fuhrleute; in den 1790ger Jahren wollte dort die preussische Regierung eine Kunststrasse an- legen, aber die damalige kurkölnische Regierung brach die Ver- handlungen aus Anlass eines Brückengeldstreites ab (über die Klagen jener Zeit vgl. z. B. Salzmann, Karl von Karlsberg oder »das menschliche Elend« 1784—1787 1); »Deutsche Kul-
1) Salzmann schildert, wie sein Pferd in dem morastigen Weg stecken geblieben ist, und fährt dann fort: »Täglich geht die Ordinaire hier durch! Täglich kann ich wenigstens in Bausch und Bogen sechs Extraposten rechnen,
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legt werde; »für die Poststrasse schlage ich vor, eine starke,
feste, wohl fundamentierte Chaussee aufzuwerfen, oben bedeckt
mit Kies, Kalk óder Stein, 60′ breit, für die Querwege mag die
Breite nur 20′ betragen, für die Seitenwege soll so weit gesorgt
werden, dass Wassergräben gezogen werden u. s. w.«
Noch zu Anfang dieses Jahrhunderts erkannte man die Ver-
besserung der Wege nicht einmal als nützlich, geschweige denn
als eine Verpflichtung an. Vermied ja noch Friedrich der Grosse
grundsätzlich die Anlage von Kunststrassen, angeblich aus stra-
tegischen und handelspolitischen Rücksichten. Häufig liess man
die Strasse absichtlich in schlechtem Stande. Unter der Kläg-
lichkeit der mangelnden politischen Centralisation hatte am
meisten der Transitverkehr zu leiden. Es war im Interesse der
Provinz, wenn möglichst viele Reise-Unfälle vorkamen; durch
die Bein-, Achsen- und Radbrüche wurde Geld in Umlauf gesetzt,
der Schmied, der Radmacher, der Gastwirt, der Chirurg, alle
verdienten dabei. Einen weiteren Gewinn für die Einheimischen
erbrachte der Vorspann, von welchem an manchen Stellen ganze
Dörfer lebten. Brücken- und Strassengeld wurden nicht nur
als billiger Ersatz des Aufwands für fremde Passanten, sondern
als schuldiger Tribut aufgefasst (Grundruhr, Strassen-Strand-
recht). Mitte vorigen Jahrhunderts versagte z. B. Kurmainz der
preussischen Post den Transit mit der ausdrücklichen Begrün-
dung, dass sie viel zu schnell gehe, so dass »Gastwirte, Bäcker,
Sattler, Schmiede, Bierbrauer und Weinschenker« an den Land-
strassen nicht die Nahrung hätten, wie bei den Lohnfuhrwerken.
Hauptrouten, wie die Strasse zwischen Hamm und Lippstadt,
zwischen dem Westen und Osten von Preussen bildeten den
Schrecken der Reisenden und der Fuhrleute; in den 1790ger
Jahren wollte dort die preussische Regierung eine Kunststrasse an-
legen, aber die damalige kurkölnische Regierung brach die Ver-
handlungen aus Anlass eines Brückengeldstreites ab (über die
Klagen jener Zeit vgl. z. B. Salzmann, Karl von Karlsberg
oder »das menschliche Elend« 1784—1787 1); »Deutsche Kul-
1) Salzmann schildert, wie sein Pferd in dem morastigen Weg stecken
geblieben ist, und fährt dann fort: »Täglich geht die Ordinaire hier durch!
Täglich kann ich wenigstens in Bausch und Bogen sechs Extraposten rechnen,
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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/235>, abgerufen am 16.02.2025.
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