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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893.

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Anlage 16 zu oben S. 119 und 127.
Ausbau und Rückwirkung der Organisation.

Was der schon mehrfach (z. B. S. 85, 119 und 214) berührte
systematische Ausbau eines Verkehrs-Netzes und der Transport-
Organisation bedeutet, wird klar, wenn man sich in den primi-
tiven Zustand der Transportmittel zu Anfang des 17. Jhh.
zurückversetzt. Man hatte damals eine Fahrbahn und eine Fahr-
post, aber praktikabel waren beide noch nicht. Wohl war die
Zahl der Verbindungswege zwischen den Hauptorten, namentlich
in Mittel- und Westdeutschland oder in Frankreich (wo 1553
die Totallänge der Strassen 25000 Km. betrug) sehr gross. Aber
die Fahrbahn bestand lediglich aus der Grasnarbe, wie in den
Pussten, oder aus der gewöhnlichen Ackerkrume.

Noch im 18. Jahrhundert war der Zustand der Heer- und
Hauptstrassen nicht besser als der unserer Feldwege: sie be-
standen aus nackter Erde und waren nur im Sommer bei schö-
nem Wetter passierbar (s. d. Schilderungen im "Veredarius"
S. 101--103). In Frankreich kosteten 1600 die Wege- und
Strassenbauten dem Staat 17600 frcs; (1610: 400000 frs, 1700:
3--4 Mill. frs), heute ebensoviele Millionen als damals Hundert.
Winter- und Regenzeit, während welcher die Landstrassen nahe-
zu unpassierbar waren, hemmten das ganze Verkehrsleben: alles
vermied die Reise und betrachtete die unvermeidliche als ein
Wagnis, bei dem es ohne Abenteuer nicht abgieng (s. G. Frey-
tag). Dan. Defoe ("An Essay on Projects" 1697) betrachtet die
Instandhaltung der öffentlichen Landstrassen" als eine ungeheure
Last für die Nation, eine Last, über welche dieselbe stöhnt --
und dabei ist der Zustand der Strassen ein recht schlechter."
Auf 18 Seiten schildert er als eine, erst in weiter Ferne zu ver-
wirklichende Utopie, dass in England ein Chausseennetz ange-

Anlage 16 zu oben S. 119 und 127.
Ausbau und Rückwirkung der Organisation.

Was der schon mehrfach (z. B. S. 85, 119 und 214) berührte
systematische Ausbau eines Verkehrs-Netzes und der Transport-
Organisation bedeutet, wird klar, wenn man sich in den primi-
tiven Zustand der Transportmittel zu Anfang des 17. Jhh.
zurückversetzt. Man hatte damals eine Fahrbahn und eine Fahr-
post, aber praktikabel waren beide noch nicht. Wohl war die
Zahl der Verbindungswege zwischen den Hauptorten, namentlich
in Mittel- und Westdeutschland oder in Frankreich (wo 1553
die Totallänge der Strassen 25000 Km. betrug) sehr gross. Aber
die Fahrbahn bestand lediglich aus der Grasnarbe, wie in den
Pussten, oder aus der gewöhnlichen Ackerkrume.

Noch im 18. Jahrhundert war der Zustand der Heer- und
Hauptstrassen nicht besser als der unserer Feldwege: sie be-
standen aus nackter Erde und waren nur im Sommer bei schö-
nem Wetter passierbar (s. d. Schilderungen im »Veredarius«
S. 101—103). In Frankreich kosteten 1600 die Wege- und
Strassenbauten dem Staat 17600 frcs; (1610: 400000 frs, 1700:
3—4 Mill. frs), heute ebensoviele Millionen als damals Hundert.
Winter- und Regenzeit, während welcher die Landstrassen nahe-
zu unpassierbar waren, hemmten das ganze Verkehrsleben: alles
vermied die Reise und betrachtete die unvermeidliche als ein
Wagnis, bei dem es ohne Abenteuer nicht abgieng (s. G. Frey-
tag). Dan. Defoe (»An Essay on Projects« 1697) betrachtet die
Instandhaltung der öffentlichen Landstrassen« als eine ungeheure
Last für die Nation, eine Last, über welche dieselbe stöhnt —
und dabei ist der Zustand der Strassen ein recht schlechter.«
Auf 18 Seiten schildert er als eine, erst in weiter Ferne zu ver-
wirklichende Utopie, dass in England ein Chausseennetz ange-

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[[218]/0234] Anlage 16 zu oben S. 119 und 127. Ausbau und Rückwirkung der Organisation. Was der schon mehrfach (z. B. S. 85, 119 und 214) berührte systematische Ausbau eines Verkehrs-Netzes und der Transport- Organisation bedeutet, wird klar, wenn man sich in den primi- tiven Zustand der Transportmittel zu Anfang des 17. Jhh. zurückversetzt. Man hatte damals eine Fahrbahn und eine Fahr- post, aber praktikabel waren beide noch nicht. Wohl war die Zahl der Verbindungswege zwischen den Hauptorten, namentlich in Mittel- und Westdeutschland oder in Frankreich (wo 1553 die Totallänge der Strassen 25000 Km. betrug) sehr gross. Aber die Fahrbahn bestand lediglich aus der Grasnarbe, wie in den Pussten, oder aus der gewöhnlichen Ackerkrume. Noch im 18. Jahrhundert war der Zustand der Heer- und Hauptstrassen nicht besser als der unserer Feldwege: sie be- standen aus nackter Erde und waren nur im Sommer bei schö- nem Wetter passierbar (s. d. Schilderungen im »Veredarius« S. 101—103). In Frankreich kosteten 1600 die Wege- und Strassenbauten dem Staat 17600 frcs; (1610: 400000 frs, 1700: 3—4 Mill. frs), heute ebensoviele Millionen als damals Hundert. Winter- und Regenzeit, während welcher die Landstrassen nahe- zu unpassierbar waren, hemmten das ganze Verkehrsleben: alles vermied die Reise und betrachtete die unvermeidliche als ein Wagnis, bei dem es ohne Abenteuer nicht abgieng (s. G. Frey- tag). Dan. Defoe (»An Essay on Projects« 1697) betrachtet die Instandhaltung der öffentlichen Landstrassen« als eine ungeheure Last für die Nation, eine Last, über welche dieselbe stöhnt — und dabei ist der Zustand der Strassen ein recht schlechter.« Auf 18 Seiten schildert er als eine, erst in weiter Ferne zu ver- wirklichende Utopie, dass in England ein Chausseennetz ange-

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Zitationshilfe: Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. [218]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/234>, abgerufen am 24.11.2024.