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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893.

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aber unmöglich eine solche abgeben. Im Jahre 1516 war ja
Karl V. erst Herzog von Burgund, die "lettres patentes" sind
von der niederländischen Kanzlei ausgefertigt, Franz von Taxis
war -- seit 1500 -- ein spanisch-niederländischer Beamter oder
Lehensträger geworden; das Patent des flandrischen Herzogs
für einen seiner flandrischen Beamten konnte für das Deutsche
Reich keinerlei Bezug haben. Den richtigen Sinn des Patents
kann man, was übersehen worden ist, genauer feststellen, wenn
man seinen Wortlaut mit den früher von der spanischen
Kanzlei ausgefertigter Patenten
und Passe-partouts
vergleicht. Es genügt, wenn ich hiefür auf die Urkunden ver-
weise, welche in den "Anales de las Ordenanzas" 1879, S. 429
(Okt. 1389), 463 (Sept. 1499) u. s. f. sich vorfinden. Als Karl V.
deutscher Kaiser geworden, erneuerte er (1520) das Patent;
Neues, insbesondere ein Reichsregal, wollte er, wie aus der ein-
fachen Wiederholung des früheren Wortlauts zu ersehen ist, nicht
schaffen; jedenfalls hätte er dann auch die Raten der Taxis'schen
Besoldung anders verteilt, von welcher nach wie vor 6/10 auf
Spanien, 3/10 auf Neapel, und 1/10 auf die Niederlande ange-
wiesen blieben.

Die "Kronjuristen" des Hauses Taxis suchten in das Patent
von 1516 bezw. 1536 oder 1543 alles mögliche hinein zu inter-
pretieren, aber an den feststehenden Thatsachen der Allmäh-
lichkeit der Entwickelung muss jede Sophistik scheitern.

Noch weniger ernst sind die Versuche zu nehmen, die, in
Anlehnung an die Rezeption des römischen Rechtes, vielfach
angestellt wurden, um einen Rechtsboden durch Uebertragung
der Grundsätze des römischen "Cursus publicus" zu schaffen.
Vor allem sind die Taxis'sche Reichspost und der römische
cursus publicus -- das wird aus gegenwärtiger Abhandlung klar
hervorgehen -- zwei ganz wesentlich verschiedenartige Dinge;
eines beweist für das andere gar nichts. Sodann konnte für
das Verhältnis des Kaisers zu den Kurfürsten und Reichsstädten
das römische Recht nicht massgebend sein und war es auch nie.
Schon zwei Jahrhunderte früher, in der "Goldenen Bulle" von 1356
waren alle kaiserlichen Gerechtsame und Regale, wie das Münz-,
Zoll-, Bergwerks-, Satz-, Judenschutz- und Abzugs-Recht auf die

aber unmöglich eine solche abgeben. Im Jahre 1516 war ja
Karl V. erst Herzog von Burgund, die »lettres patentes« sind
von der niederländischen Kanzlei ausgefertigt, Franz von Taxis
war — seit 1500 — ein spanisch-niederländischer Beamter oder
Lehensträger geworden; das Patent des flandrischen Herzogs
für einen seiner flandrischen Beamten konnte für das Deutsche
Reich keinerlei Bezug haben. Den richtigen Sinn des Patents
kann man, was übersehen worden ist, genauer feststellen, wenn
man seinen Wortlaut mit den früher von der spanischen
Kanzlei ausgefertigter Patenten
und Passe-partouts
vergleicht. Es genügt, wenn ich hiefür auf die Urkunden ver-
weise, welche in den »Anales de las Ordenanzas« 1879, S. 429
(Okt. 1389), 463 (Sept. 1499) u. s. f. sich vorfinden. Als Karl V.
deutscher Kaiser geworden, erneuerte er (1520) das Patent;
Neues, insbesondere ein Reichsregal, wollte er, wie aus der ein-
fachen Wiederholung des früheren Wortlauts zu ersehen ist, nicht
schaffen; jedenfalls hätte er dann auch die Raten der Taxis’schen
Besoldung anders verteilt, von welcher nach wie vor 6/10 auf
Spanien, 3/10 auf Neapel, und 1/10 auf die Niederlande ange-
wiesen blieben.

Die »Kronjuristen« des Hauses Taxis suchten in das Patent
von 1516 bezw. 1536 oder 1543 alles mögliche hinein zu inter-
pretieren, aber an den feststehenden Thatsachen der Allmäh-
lichkeit der Entwickelung muss jede Sophistik scheitern.

Noch weniger ernst sind die Versuche zu nehmen, die, in
Anlehnung an die Rezeption des römischen Rechtes, vielfach
angestellt wurden, um einen Rechtsboden durch Uebertragung
der Grundsätze des römischen »Cursus publicus« zu schaffen.
Vor allem sind die Taxis’sche Reichspost und der römische
cursus publicus — das wird aus gegenwärtiger Abhandlung klar
hervorgehen — zwei ganz wesentlich verschiedenartige Dinge;
eines beweist für das andere gar nichts. Sodann konnte für
das Verhältnis des Kaisers zu den Kurfürsten und Reichsstädten
das römische Recht nicht massgebend sein und war es auch nie.
Schon zwei Jahrhunderte früher, in der »Goldenen Bulle« von 1356
waren alle kaiserlichen Gerechtsame und Regale, wie das Münz-,
Zoll-, Bergwerks-, Satz-, Judenschutz- und Abzugs-Recht auf die

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[203/0219] aber unmöglich eine solche abgeben. Im Jahre 1516 war ja Karl V. erst Herzog von Burgund, die »lettres patentes« sind von der niederländischen Kanzlei ausgefertigt, Franz von Taxis war — seit 1500 — ein spanisch-niederländischer Beamter oder Lehensträger geworden; das Patent des flandrischen Herzogs für einen seiner flandrischen Beamten konnte für das Deutsche Reich keinerlei Bezug haben. Den richtigen Sinn des Patents kann man, was übersehen worden ist, genauer feststellen, wenn man seinen Wortlaut mit den früher von der spanischen Kanzlei ausgefertigter Patenten und Passe-partouts vergleicht. Es genügt, wenn ich hiefür auf die Urkunden ver- weise, welche in den »Anales de las Ordenanzas« 1879, S. 429 (Okt. 1389), 463 (Sept. 1499) u. s. f. sich vorfinden. Als Karl V. deutscher Kaiser geworden, erneuerte er (1520) das Patent; Neues, insbesondere ein Reichsregal, wollte er, wie aus der ein- fachen Wiederholung des früheren Wortlauts zu ersehen ist, nicht schaffen; jedenfalls hätte er dann auch die Raten der Taxis’schen Besoldung anders verteilt, von welcher nach wie vor 6/10 auf Spanien, 3/10 auf Neapel, und 1/10 auf die Niederlande ange- wiesen blieben. Die »Kronjuristen« des Hauses Taxis suchten in das Patent von 1516 bezw. 1536 oder 1543 alles mögliche hinein zu inter- pretieren, aber an den feststehenden Thatsachen der Allmäh- lichkeit der Entwickelung muss jede Sophistik scheitern. Noch weniger ernst sind die Versuche zu nehmen, die, in Anlehnung an die Rezeption des römischen Rechtes, vielfach angestellt wurden, um einen Rechtsboden durch Uebertragung der Grundsätze des römischen »Cursus publicus« zu schaffen. Vor allem sind die Taxis’sche Reichspost und der römische cursus publicus — das wird aus gegenwärtiger Abhandlung klar hervorgehen — zwei ganz wesentlich verschiedenartige Dinge; eines beweist für das andere gar nichts. Sodann konnte für das Verhältnis des Kaisers zu den Kurfürsten und Reichsstädten das römische Recht nicht massgebend sein und war es auch nie. Schon zwei Jahrhunderte früher, in der »Goldenen Bulle« von 1356 waren alle kaiserlichen Gerechtsame und Regale, wie das Münz-, Zoll-, Bergwerks-, Satz-, Judenschutz- und Abzugs-Recht auf die

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Zitationshilfe: Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/219>, abgerufen am 25.11.2024.