Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite

wählte Brenner Route neben hundert andern gleichmässig er-
wähnten, insbesondere gegenüber dem "Camino de Suizzari"
über den Gotthard oder über Brixen-Chur (S. 34. 39. 81) auch
nicht mit der unscheinbarsten Notiz auszeichnet.

Ich schliesse weiter daraus, sowie aus dem unbefangenen
Gebrauch des Wortes "Poste", das nirgends eine Erläuterung
erhält, dass in den Tagen Herbas die Nebenbedeutung (für
"poste" = Station) als Transport-Anstalt in Italien noch nicht
so allgemein gebräuchlich war, als in Deutschland. Zu Her-
bas Zeit, am Ende des 16. Jahrhunderts hat das Wort "posta"
noch seine ursprüngliche Bedeutung. Es bezeichnet zunächst
die Station (posita statio), den Endpunkt der Distanz von der
Nachbar-Station, sodann diese Entfernung selbst. Daher ge-
brauchen die damaligen Schriftsteller häufig die Wendung "cur-
rere plures postas", "correre le poste"; noch zu Anfang dieses
Jahrhunderts konnte man in Süddeutschland hören, "es ist zur
nächsten Station 1/2 oder 1 Post", d. h. die Wegelänge beträgt
1 bezw. 2 Meilen.

Mittlerweile erwächst eine neue Organisation, für welche
das deckende Wort noch nicht vorhanden ist. Wo aber "Be-
griffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein". Dass
die tropische Bedeutung nicht lange vor Codogno dem Wort
"poste" beigelegt werden konnte, lässt sich durch die Zwischen-
glieder zwischen ihm und Herba, nämlich durch verschiedene
nach 1563 erschienenen Neuauflagen des Herba'schen Büchleins
und ähnliche Itinerarien 1) feststellen. Aus dem J. 1591 z. B. be-
sitzt die Berliner Bibliothek ein "Sommaire, description de la
France, Allemagne, Italie et Espagne, avec la Guide des chemins",
(294 S.S.) von Th. de Mayerne Turquet, neuaufgelegt 1604.
Auch für diesen Reiseführer besteht der einzige Zweck darin

1) Z. B. von Th. Zwinger, Methodus apodemica, Basel 1577; "Kronne
und Ausbund aller wegweiser
", Cöln 1597; Itinerarium universae Germa-
niae (anonym in Frankfurt a.M. 1601 erschienen); Allgemeiner oder General
Rayssbuch und Wegweiser
, (ebenfalls anonym zu Ursel 1603 herausgegeben);
Deliciae Italiae, index viatorius indicans itinera von Cyprian Eichov 1603;
von demselben Autor "Deliciarum Germaniae, index simul et viatorius,
Ursellis 1604; M. Quaad, Deliciae Galliae", 1603 u. s. f.

wählte Brenner Route neben hundert andern gleichmässig er-
wähnten, insbesondere gegenüber dem »Camino de Suizzari«
über den Gotthard oder über Brixen-Chur (S. 34. 39. 81) auch
nicht mit der unscheinbarsten Notiz auszeichnet.

Ich schliesse weiter daraus, sowie aus dem unbefangenen
Gebrauch des Wortes »Poste«, das nirgends eine Erläuterung
erhält, dass in den Tagen Herbas die Nebenbedeutung (für
»poste« = Station) als Transport-Anstalt in Italien noch nicht
so allgemein gebräuchlich war, als in Deutschland. Zu Her-
bas Zeit, am Ende des 16. Jahrhunderts hat das Wort »posta«
noch seine ursprüngliche Bedeutung. Es bezeichnet zunächst
die Station (posita statio), den Endpunkt der Distanz von der
Nachbar-Station, sodann diese Entfernung selbst. Daher ge-
brauchen die damaligen Schriftsteller häufig die Wendung »cur-
rere plures postas«, »correre le poste«; noch zu Anfang dieses
Jahrhunderts konnte man in Süddeutschland hören, »es ist zur
nächsten Station ½ oder 1 Post«, d. h. die Wegelänge beträgt
1 bezw. 2 Meilen.

Mittlerweile erwächst eine neue Organisation, für welche
das deckende Wort noch nicht vorhanden ist. Wo aber »Be-
griffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein«. Dass
die tropische Bedeutung nicht lange vor Codogno dem Wort
»poste« beigelegt werden konnte, lässt sich durch die Zwischen-
glieder zwischen ihm und Herba, nämlich durch verschiedene
nach 1563 erschienenen Neuauflagen des Herba’schen Büchleins
und ähnliche Itinerarien 1) feststellen. Aus dem J. 1591 z. B. be-
sitzt die Berliner Bibliothek ein »Sommaire, description de la
France, Allemagne, Italie et Espagne, avec la Guide des chemins«,
(294 S.S.) von Th. de Mayerne Turquet, neuaufgelegt 1604.
Auch für diesen Reiseführer besteht der einzige Zweck darin

1) Z. B. von Th. Zwinger, Methodus apodemica, Basel 1577; »Kronne
und Ausbund aller wegweiser
«, Cöln 1597; Itinerarium universae Germa-
niae (anonym in Frankfurt a.M. 1601 erschienen); Allgemeiner oder General
Rayssbuch und Wegweiser
, (ebenfalls anonym zu Ursel 1603 herausgegeben);
Deliciae Italiae, index viatorius indicans itinera von Cyprian Eichov 1603;
von demselben Autor »Deliciarum Germaniae, index simul et viatorius,
Ursellis 1604; M. Quaad, Deliciae Galliae«, 1603 u. s. f.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0198" n="182"/>
wählte Brenner Route neben hundert andern gleichmässig er-<lb/>
wähnten, insbesondere gegenüber dem »Camino de Suizzari«<lb/>
über den Gotthard oder über Brixen-Chur (S. 34. 39. 81) auch<lb/>
nicht mit der unscheinbarsten Notiz auszeichnet.</p><lb/>
            <p>Ich schliesse weiter daraus, sowie aus dem unbefangenen<lb/>
Gebrauch des Wortes »Poste«, das nirgends eine Erläuterung<lb/>
erhält, dass in den Tagen Herbas die Nebenbedeutung (für<lb/>
»poste« = Station) als Transport-Anstalt in Italien noch nicht<lb/>
so allgemein gebräuchlich war, als in Deutschland. Zu Her-<lb/>
bas Zeit, am Ende des 16. Jahrhunderts hat das Wort »posta«<lb/>
noch seine ursprüngliche Bedeutung. Es bezeichnet zunächst<lb/>
die Station (posita statio), den Endpunkt der Distanz von der<lb/>
Nachbar-Station, sodann diese Entfernung selbst. Daher ge-<lb/>
brauchen die damaligen Schriftsteller häufig die Wendung »cur-<lb/>
rere plures postas«, »correre le poste«; noch zu Anfang dieses<lb/>
Jahrhunderts konnte man in Süddeutschland hören, »es ist zur<lb/>
nächsten Station ½ oder 1 Post«, d. h. die Wegelänge beträgt<lb/>
1 bezw. 2 Meilen.</p><lb/>
            <p>Mittlerweile erwächst eine neue <hi rendition="#g">Organisation</hi>, für welche<lb/>
das deckende Wort noch nicht vorhanden ist. Wo aber »Be-<lb/>
griffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein«. Dass<lb/>
die tropische Bedeutung nicht lange vor Codogno dem Wort<lb/>
»poste« beigelegt werden konnte, lässt sich durch die Zwischen-<lb/>
glieder zwischen ihm und Herba, nämlich durch verschiedene<lb/>
nach 1563 erschienenen Neuauflagen des Herba&#x2019;schen Büchleins<lb/>
und ähnliche Itinerarien <note place="foot" n="1)">Z. B. von <hi rendition="#g">Th. Zwinger</hi>, Methodus apodemica, Basel 1577; »<hi rendition="#i">Kronne<lb/>
und Ausbund aller wegweiser</hi>«, Cöln 1597; Itinerarium universae Germa-<lb/>
niae (anonym in Frankfurt a.M. 1601 erschienen); <hi rendition="#i">Allgemeiner oder General<lb/>
Rayssbuch und Wegweiser</hi>, (ebenfalls anonym zu Ursel 1603 herausgegeben);<lb/>
Deliciae Italiae, index viatorius indicans itinera von Cyprian <hi rendition="#g">Eichov</hi> 1603;<lb/>
von demselben Autor »Deliciarum Germaniae, index simul et viatorius,<lb/>
Ursellis 1604; M. <hi rendition="#g">Quaad</hi>, Deliciae Galliae«, 1603 u. s. f.</note> feststellen. Aus dem J. 1591 z. B. be-<lb/>
sitzt die Berliner Bibliothek ein »Sommaire, description de la<lb/>
France, Allemagne, Italie et Espagne, avec la Guide des chemins«,<lb/>
(294 S.S.) von Th. de Mayerne Turquet, neuaufgelegt 1604.<lb/>
Auch für diesen Reiseführer besteht der einzige Zweck darin<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0198] wählte Brenner Route neben hundert andern gleichmässig er- wähnten, insbesondere gegenüber dem »Camino de Suizzari« über den Gotthard oder über Brixen-Chur (S. 34. 39. 81) auch nicht mit der unscheinbarsten Notiz auszeichnet. Ich schliesse weiter daraus, sowie aus dem unbefangenen Gebrauch des Wortes »Poste«, das nirgends eine Erläuterung erhält, dass in den Tagen Herbas die Nebenbedeutung (für »poste« = Station) als Transport-Anstalt in Italien noch nicht so allgemein gebräuchlich war, als in Deutschland. Zu Her- bas Zeit, am Ende des 16. Jahrhunderts hat das Wort »posta« noch seine ursprüngliche Bedeutung. Es bezeichnet zunächst die Station (posita statio), den Endpunkt der Distanz von der Nachbar-Station, sodann diese Entfernung selbst. Daher ge- brauchen die damaligen Schriftsteller häufig die Wendung »cur- rere plures postas«, »correre le poste«; noch zu Anfang dieses Jahrhunderts konnte man in Süddeutschland hören, »es ist zur nächsten Station ½ oder 1 Post«, d. h. die Wegelänge beträgt 1 bezw. 2 Meilen. Mittlerweile erwächst eine neue Organisation, für welche das deckende Wort noch nicht vorhanden ist. Wo aber »Be- griffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein«. Dass die tropische Bedeutung nicht lange vor Codogno dem Wort »poste« beigelegt werden konnte, lässt sich durch die Zwischen- glieder zwischen ihm und Herba, nämlich durch verschiedene nach 1563 erschienenen Neuauflagen des Herba’schen Büchleins und ähnliche Itinerarien 1) feststellen. Aus dem J. 1591 z. B. be- sitzt die Berliner Bibliothek ein »Sommaire, description de la France, Allemagne, Italie et Espagne, avec la Guide des chemins«, (294 S.S.) von Th. de Mayerne Turquet, neuaufgelegt 1604. Auch für diesen Reiseführer besteht der einzige Zweck darin 1) Z. B. von Th. Zwinger, Methodus apodemica, Basel 1577; »Kronne und Ausbund aller wegweiser«, Cöln 1597; Itinerarium universae Germa- niae (anonym in Frankfurt a.M. 1601 erschienen); Allgemeiner oder General Rayssbuch und Wegweiser, (ebenfalls anonym zu Ursel 1603 herausgegeben); Deliciae Italiae, index viatorius indicans itinera von Cyprian Eichov 1603; von demselben Autor »Deliciarum Germaniae, index simul et viatorius, Ursellis 1604; M. Quaad, Deliciae Galliae«, 1603 u. s. f.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/198
Zitationshilfe: Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/198>, abgerufen am 22.11.2024.