die damaligen Einrichtungen auf das spätere Postwesen geübt, durch einen Einblick in die in den Archiven in Königsberg befindlichen Originalschriften und Rechnungen des vormaligen Hauptordenshauses in Marienburg überzeugen".
Leider habe ich keine Gelegenheit gehabt, von den be- treffenden Königsberger Urkunden Einsicht zu nehmen. Ich bin aber vorweg überzeugt, dass aus denselben nicht das heraus- gelesen werden kann, was Kirchenheim über das Jahr der Ent- stehung, über das Wirken und den Einfluss dieser Art von Post- anstalt aufstellt. Wohl könnte das internationale Ordenshaus von Marco Polos Berichten, von der Chalifenpost, von der Organisation Barcelonas profitiert haben; aber diese Botenanstalt hätte, wäre sie wirklich schon im 13. Jahrhundert ins Leben gerufen worden, anderweitig, da die Boten nach Wien, Venedig u. s. w. kamen, zur Nachahmung aneifern müssen: für einen gleichzeitigen Einfluss habe ich aber noch nirgends einen Beleg gefunden. Aber auch von einem nachwirkenden Einfluss kann keine Rede sein; selbst Matthias findet es (S. 159) auffallend, dass "in keiner Schrift der Beibehaltung jener Briefbeförderungsweise durch reitende Postillons" gedacht wird.
Was die archivalischen Urkunden anbelangt, so hebt Kirchen- heim selbst hervor, dass in dieser Richtung die bekannten Werke von Voigt und Ewald zu wünschen übrig lassen. Bei M. Perlbach (Die Statuten des deutschen Ordens 1891, S. 99) findet sich nur eine bezügliche Stelle unter den "Consuetudines majores" Zif. 11.: "Von des meisters bestien unde seinem gesinde. Uber daz mac er zwene loufende knechte han zu tragene botteschaft unde brieve". Endlich beruft sich Kirchenheim noch auf Mat- thias (1832) I. 153, der allerdings auf Grund der Einsicht in die Königsberger Originalschriften und Rechnungen das gleiche wie Kirchenheim und (S. 158) die Erfindung des Postwesens im Jahre 1276 durch die Deutschordensritter behauptet. Ich habe nun gegen Matthias schon deshalb ein Misstrauen, weil er (S. 155) nur einen Urkunden-Beleg und zwar aus dem Jahre 1407 für einen Boten anzuführen vermag. Dass damals der Deutsch- orden einen ständigen Boten gegen Jahreslohn hielt, und bedurfte, ist selbstverständlich, beweist aber nicht die Organisation
die damaligen Einrichtungen auf das spätere Postwesen geübt, durch einen Einblick in die in den Archiven in Königsberg befindlichen Originalschriften und Rechnungen des vormaligen Hauptordenshauses in Marienburg überzeugen«.
Leider habe ich keine Gelegenheit gehabt, von den be- treffenden Königsberger Urkunden Einsicht zu nehmen. Ich bin aber vorweg überzeugt, dass aus denselben nicht das heraus- gelesen werden kann, was Kirchenheim über das Jahr der Ent- stehung, über das Wirken und den Einfluss dieser Art von Post- anstalt aufstellt. Wohl könnte das internationale Ordenshaus von Marco Polos Berichten, von der Chalifenpost, von der Organisation Barcelonas profitiert haben; aber diese Botenanstalt hätte, wäre sie wirklich schon im 13. Jahrhundert ins Leben gerufen worden, anderweitig, da die Boten nach Wien, Venedig u. s. w. kamen, zur Nachahmung aneifern müssen: für einen gleichzeitigen Einfluss habe ich aber noch nirgends einen Beleg gefunden. Aber auch von einem nachwirkenden Einfluss kann keine Rede sein; selbst Matthias findet es (S. 159) auffallend, dass »in keiner Schrift der Beibehaltung jener Briefbeförderungsweise durch reitende Postillons« gedacht wird.
Was die archivalischen Urkunden anbelangt, so hebt Kirchen- heim selbst hervor, dass in dieser Richtung die bekannten Werke von Voigt und Ewald zu wünschen übrig lassen. Bei M. Perlbach (Die Statuten des deutschen Ordens 1891, S. 99) findet sich nur eine bezügliche Stelle unter den »Consuetudines majores« Zif. 11.: »Von des meisters bestien unde sînem gesinde. Uber daz mac er zwêne loufende knechte hân zu tragene botteschaft unde brieve«. Endlich beruft sich Kirchenheim noch auf Mat- thias (1832) I. 153, der allerdings auf Grund der Einsicht in die Königsberger Originalschriften und Rechnungen das gleiche wie Kirchenheim und (S. 158) die Erfindung des Postwesens im Jahre 1276 durch die Deutschordensritter behauptet. Ich habe nun gegen Matthias schon deshalb ein Misstrauen, weil er (S. 155) nur einen Urkunden-Beleg und zwar aus dem Jahre 1407 für einen Boten anzuführen vermag. Dass damals der Deutsch- orden einen ständigen Boten gegen Jahreslohn hielt, und bedurfte, ist selbstverständlich, beweist aber nicht die Organisation
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[154/0170]
die damaligen Einrichtungen auf das spätere Postwesen geübt,
durch einen Einblick in die in den Archiven in Königsberg
befindlichen Originalschriften und Rechnungen des vormaligen
Hauptordenshauses in Marienburg überzeugen«.
Leider habe ich keine Gelegenheit gehabt, von den be-
treffenden Königsberger Urkunden Einsicht zu nehmen. Ich
bin aber vorweg überzeugt, dass aus denselben nicht das heraus-
gelesen werden kann, was Kirchenheim über das Jahr der Ent-
stehung, über das Wirken und den Einfluss dieser Art von Post-
anstalt aufstellt. Wohl könnte das internationale Ordenshaus von
Marco Polos Berichten, von der Chalifenpost, von der Organisation
Barcelonas profitiert haben; aber diese Botenanstalt hätte, wäre
sie wirklich schon im 13. Jahrhundert ins Leben gerufen worden,
anderweitig, da die Boten nach Wien, Venedig u. s. w. kamen,
zur Nachahmung aneifern müssen: für einen gleichzeitigen
Einfluss habe ich aber noch nirgends einen Beleg gefunden.
Aber auch von einem nachwirkenden Einfluss kann keine
Rede sein; selbst Matthias findet es (S. 159) auffallend, dass
»in keiner Schrift der Beibehaltung jener Briefbeförderungsweise
durch reitende Postillons« gedacht wird.
Was die archivalischen Urkunden anbelangt, so hebt Kirchen-
heim selbst hervor, dass in dieser Richtung die bekannten
Werke von Voigt und Ewald zu wünschen übrig lassen. Bei
M. Perlbach (Die Statuten des deutschen Ordens 1891, S. 99)
findet sich nur eine bezügliche Stelle unter den »Consuetudines
majores« Zif. 11.: »Von des meisters bestien unde sînem gesinde.
Uber daz mac er zwêne loufende knechte hân zu tragene botteschaft
unde brieve«. Endlich beruft sich Kirchenheim noch auf Mat-
thias (1832) I. 153, der allerdings auf Grund der Einsicht in die
Königsberger Originalschriften und Rechnungen das gleiche wie
Kirchenheim und (S. 158) die Erfindung des Postwesens im
Jahre 1276 durch die Deutschordensritter behauptet. Ich habe
nun gegen Matthias schon deshalb ein Misstrauen, weil er
(S. 155) nur einen Urkunden-Beleg und zwar aus dem Jahre 1407
für einen Boten anzuführen vermag. Dass damals der Deutsch-
orden einen ständigen Boten gegen Jahreslohn hielt, und bedurfte,
ist selbstverständlich, beweist aber nicht die Organisation
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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/170>, abgerufen am 30.07.2024.
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