Huber, Victor Aimé: Sieben Briefe über englisches Revival und deutsche Erweckung. Frankfurt (Main), 1862.einschlagenden Fragen nach den in der lutherischen Kirche gegebenen einſchlagenden Fragen nach den in der lutheriſchen Kirche gegebenen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0063" n="57"/> einſchlagenden Fragen nach den in der lutheriſchen Kirche gegebenen<lb/> Normen finde ich nun, wie ich ſchon von vorne herein erklärt habe,<lb/> keinen genügenden Beruf, ſondern ich muß mich damit begnügen,<lb/> jene Fragen zu formuliren und mit einigen Randbemerkungen Denen<lb/> zur Beantwortung vorzulegen, deren höhern Beruf ich mit Freuden<lb/> anerkenne und woran es ja auch in Jhrem Kreiſe, geehrteſter<lb/> Freund, nicht fehlen wird. Zunächſt bedarf wohl die Voraus-<lb/> ſetzung keiner weitern Begründung, daß die lutheriſche Kirche, oder,<lb/> allgemeiner geſagt, lutheriſches Weſen in der Hauptſache dieſelben<lb/> Bedenken dem Revival gegenüber haben wird, wie die anglikaniſche,<lb/> wenigſtens in den ſtriktern Richtungen, welche in der Lehre von den<lb/> Sakramenten lutheriſiren. Denn, wenn auch dort auf das Amt (in<lb/> Folge der vermeintlichen Apoſtoliſchen Succeſſion u. ſ. w.) noch weit<lb/> mehr Gewicht gelegt wird, als bei uns und überhaupt die kirchliche<lb/> Excluſivität viel weiter getrieben wird, ſo genügt doch auch die<lb/> bisherige lutheriſche Auffaßung dieſer Dinge vollkommen, um eine<lb/> Betheiligung an einem Revival im Sinn und Form der engliſchen<lb/> mit ihrer Promiscuität von Geiſtlichen und Laien aus allen Kirchen<lb/> zwar nicht zu einer innerlichen Unmöglichkeit zu machen, doch jeden-<lb/> falls mit außerordentlichen Schwierigkeiten zu umgeben. Und, wohl-<lb/> gemerkt, ich habe hier nicht etwa die peſſimiſtiſchen Zerrbilder des<lb/> Revivals im Auge, wonach z. B. auch Laien die Kanzel beſtiegen<lb/> hätten, woran kein wahres Wort, ſondern ich rede von den That-<lb/> ſachen, die ich ſelbſt in meiner Darſtellung anerkannt habe. Zu<lb/> dieſen ſpecifiſch kirchlichen Bedenken kommt nun noch die Jdioſyn-<lb/> kraſie des <hi rendition="#g">deutſchen Gemüths,</hi> der <hi rendition="#g">deutſchen Jnnerlichkeit</hi><lb/> — vielleicht auch der deutſchen <hi rendition="#g">Menſchenfurcht</hi> und <hi rendition="#g">Schwer-<lb/> fälligkeit</hi> gegen ſo manche Einzelnheiten namentlich in der ſeel-<lb/> ſorgeriſchen Praxis des Revivals, worauf ich hier nicht zurück zu<lb/> kommen brauche. Dinge, die allerdings auch außerhalb der luthe-<lb/> riſchen Kirche die <hi rendition="#g">nationale</hi> Jdioſynkraſie mehr oder weniger her-<lb/> vorrufen werden, aber doch nicht in dem Maaße, wie <hi rendition="#g">da,</hi> wo ſie<lb/> durch kirchliche Bedenken getragen und geſchärft wird. Uebrigens<lb/> fehlt auch die nationale Jdioſynkraſie in England keineswegs (wie<lb/> ich ſchon früher andeutete), obgleich es ganz falſch iſt, wenn man<lb/> in dem Revival eine Wirkung ſpecifiſch <hi rendition="#g">keltiſcher</hi> Nationalität<lb/> hat ſehen wollen. Denn auch Ulſter iſt ganz überwiegend nicht<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [57/0063]
einſchlagenden Fragen nach den in der lutheriſchen Kirche gegebenen
Normen finde ich nun, wie ich ſchon von vorne herein erklärt habe,
keinen genügenden Beruf, ſondern ich muß mich damit begnügen,
jene Fragen zu formuliren und mit einigen Randbemerkungen Denen
zur Beantwortung vorzulegen, deren höhern Beruf ich mit Freuden
anerkenne und woran es ja auch in Jhrem Kreiſe, geehrteſter
Freund, nicht fehlen wird. Zunächſt bedarf wohl die Voraus-
ſetzung keiner weitern Begründung, daß die lutheriſche Kirche, oder,
allgemeiner geſagt, lutheriſches Weſen in der Hauptſache dieſelben
Bedenken dem Revival gegenüber haben wird, wie die anglikaniſche,
wenigſtens in den ſtriktern Richtungen, welche in der Lehre von den
Sakramenten lutheriſiren. Denn, wenn auch dort auf das Amt (in
Folge der vermeintlichen Apoſtoliſchen Succeſſion u. ſ. w.) noch weit
mehr Gewicht gelegt wird, als bei uns und überhaupt die kirchliche
Excluſivität viel weiter getrieben wird, ſo genügt doch auch die
bisherige lutheriſche Auffaßung dieſer Dinge vollkommen, um eine
Betheiligung an einem Revival im Sinn und Form der engliſchen
mit ihrer Promiscuität von Geiſtlichen und Laien aus allen Kirchen
zwar nicht zu einer innerlichen Unmöglichkeit zu machen, doch jeden-
falls mit außerordentlichen Schwierigkeiten zu umgeben. Und, wohl-
gemerkt, ich habe hier nicht etwa die peſſimiſtiſchen Zerrbilder des
Revivals im Auge, wonach z. B. auch Laien die Kanzel beſtiegen
hätten, woran kein wahres Wort, ſondern ich rede von den That-
ſachen, die ich ſelbſt in meiner Darſtellung anerkannt habe. Zu
dieſen ſpecifiſch kirchlichen Bedenken kommt nun noch die Jdioſyn-
kraſie des deutſchen Gemüths, der deutſchen Jnnerlichkeit
— vielleicht auch der deutſchen Menſchenfurcht und Schwer-
fälligkeit gegen ſo manche Einzelnheiten namentlich in der ſeel-
ſorgeriſchen Praxis des Revivals, worauf ich hier nicht zurück zu
kommen brauche. Dinge, die allerdings auch außerhalb der luthe-
riſchen Kirche die nationale Jdioſynkraſie mehr oder weniger her-
vorrufen werden, aber doch nicht in dem Maaße, wie da, wo ſie
durch kirchliche Bedenken getragen und geſchärft wird. Uebrigens
fehlt auch die nationale Jdioſynkraſie in England keineswegs (wie
ich ſchon früher andeutete), obgleich es ganz falſch iſt, wenn man
in dem Revival eine Wirkung ſpecifiſch keltiſcher Nationalität
hat ſehen wollen. Denn auch Ulſter iſt ganz überwiegend nicht
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