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Huber, Victor Aimé: Sieben Briefe über englisches Revival und deutsche Erweckung. Frankfurt (Main), 1862.

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Frankreich noch von populärem voltairisirendem Unglauben mit
aktiver Feindseligkeit pulsirt, ist Kinderei gegen jenen englischen
Materialismus. Der Einfluß dieses sogenannten secularist move-
ment
ist aber um so größer, da unter den Wortführern unstreitig
mehre wirklich nicht nur geistig begabte und gebildete, sondern auch
sittlich und bürgerlich unbescholtene Männer sind. Diese positive
Opposition gegen Christenthum und Kirche findet sich besonders unter
den intelligentern Elementen der sogenannten arbeitenden Classen in
den Städten und unter der Fabrikbevölkerung, während unter den
ländlichen Arbeitern mehr jener Stumpfsinn vorherrscht, der sich zum
Theil gar wohl mit einer äußerlichen Kirchlichkeit verträgt, noch
öfters aber mit einer sittlichen Zerrüttung verbunden ist, wozu,
wenigstens nach der geschlechtlichen Seite, namentlich die Wohnungs-
verhältniße fast unfehlbar führen. Das letztere gilt auch von der
Masse der städtischen Arbeiter -- jedoch keineswegs in höherem
Maaß als auf dem Lande, wie man so oft nach doktrinären oder
socialen Voraussetzungen und Sympathien behauptet hat. Jm
Gegentheil steht namentlich die viel verschrieene Fabrikbevölkerung,
besonders auf dem Lande, durchschnittlich in jeder Beziehung höher
als die eigentlichen ländlichen Arbeiter. Dazu kommt endlich sowohl
zu Stadt als zu Land, obgleich überwiegend in den großen Städten,
zumal London, die eigentliche sociale Hefe, jene faulige Masse,
welche sich in den Cloaken des socialen Lebens wälzt, in gänzlicher
sittlicher, religiöser und intellektueller Verwilderung, meist ohne einen
andern Zusammenhang mit der modernen Civilisation als durch
deren Laster, großentheils im Elend oder von Sünde und Ver-
brechen lebend, zum Theil auch im Betrieb der niedrigsten Arten
der Jndustrie (wie z. B. die sogenannten costermongers u. s. w.)
die Mittel zu einer Art von rohem Wohlleben gewinnend. Dieser
Auswurf des socialen Lebens, wovon die am tiefsten Gefallenen
des weiblichen Geschlechts einen so großen Theil bilden, findet sich
in England nach Verhältniß anderer statistischer Momente (Be-
völkerung u. s. w.) in größern Massen und tritt frecher hervor, als
in irgend einem andern Lande. *) Zur Charakteristik dieser Zu-

*) Zur Orientirung in diesen Regionen findet man das vollständigste Material
in Mayhew's London Labour and London Poor -- einem Buch, wovon

Frankreich noch von populärem voltairiſirendem Unglauben mit
aktiver Feindſeligkeit pulſirt, iſt Kinderei gegen jenen engliſchen
Materialismus. Der Einfluß dieſes ſogenannten secularist move-
ment
iſt aber um ſo größer, da unter den Wortführern unſtreitig
mehre wirklich nicht nur geiſtig begabte und gebildete, ſondern auch
ſittlich und bürgerlich unbeſcholtene Männer ſind. Dieſe poſitive
Oppoſition gegen Chriſtenthum und Kirche findet ſich beſonders unter
den intelligentern Elementen der ſogenannten arbeitenden Claſſen in
den Städten und unter der Fabrikbevölkerung, während unter den
ländlichen Arbeitern mehr jener Stumpfſinn vorherrſcht, der ſich zum
Theil gar wohl mit einer äußerlichen Kirchlichkeit verträgt, noch
öfters aber mit einer ſittlichen Zerrüttung verbunden iſt, wozu,
wenigſtens nach der geſchlechtlichen Seite, namentlich die Wohnungs-
verhältniße faſt unfehlbar führen. Das letztere gilt auch von der
Maſſe der ſtädtiſchen Arbeiter — jedoch keineswegs in höherem
Maaß als auf dem Lande, wie man ſo oft nach doktrinären oder
ſocialen Vorausſetzungen und Sympathien behauptet hat. Jm
Gegentheil ſteht namentlich die viel verſchrieene Fabrikbevölkerung,
beſonders auf dem Lande, durchſchnittlich in jeder Beziehung höher
als die eigentlichen ländlichen Arbeiter. Dazu kommt endlich ſowohl
zu Stadt als zu Land, obgleich überwiegend in den großen Städten,
zumal London, die eigentliche ſociale Hefe, jene faulige Maſſe,
welche ſich in den Cloaken des ſocialen Lebens wälzt, in gänzlicher
ſittlicher, religiöſer und intellektueller Verwilderung, meiſt ohne einen
andern Zuſammenhang mit der modernen Civiliſation als durch
deren Laſter, großentheils im Elend oder von Sünde und Ver-
brechen lebend, zum Theil auch im Betrieb der niedrigſten Arten
der Jnduſtrie (wie z. B. die ſogenannten costermongers u. ſ. w.)
die Mittel zu einer Art von rohem Wohlleben gewinnend. Dieſer
Auswurf des ſocialen Lebens, wovon die am tiefſten Gefallenen
des weiblichen Geſchlechts einen ſo großen Theil bilden, findet ſich
in England nach Verhältniß anderer ſtatiſtiſcher Momente (Be-
völkerung u. ſ. w.) in größern Maſſen und tritt frecher hervor, als
in irgend einem andern Lande. *) Zur Charakteriſtik dieſer Zu-

*) Zur Orientirung in dieſen Regionen findet man das vollſtändigſte Material
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[14/0020] Frankreich noch von populärem voltairiſirendem Unglauben mit aktiver Feindſeligkeit pulſirt, iſt Kinderei gegen jenen engliſchen Materialismus. Der Einfluß dieſes ſogenannten secularist move- ment iſt aber um ſo größer, da unter den Wortführern unſtreitig mehre wirklich nicht nur geiſtig begabte und gebildete, ſondern auch ſittlich und bürgerlich unbeſcholtene Männer ſind. Dieſe poſitive Oppoſition gegen Chriſtenthum und Kirche findet ſich beſonders unter den intelligentern Elementen der ſogenannten arbeitenden Claſſen in den Städten und unter der Fabrikbevölkerung, während unter den ländlichen Arbeitern mehr jener Stumpfſinn vorherrſcht, der ſich zum Theil gar wohl mit einer äußerlichen Kirchlichkeit verträgt, noch öfters aber mit einer ſittlichen Zerrüttung verbunden iſt, wozu, wenigſtens nach der geſchlechtlichen Seite, namentlich die Wohnungs- verhältniße faſt unfehlbar führen. Das letztere gilt auch von der Maſſe der ſtädtiſchen Arbeiter — jedoch keineswegs in höherem Maaß als auf dem Lande, wie man ſo oft nach doktrinären oder ſocialen Vorausſetzungen und Sympathien behauptet hat. Jm Gegentheil ſteht namentlich die viel verſchrieene Fabrikbevölkerung, beſonders auf dem Lande, durchſchnittlich in jeder Beziehung höher als die eigentlichen ländlichen Arbeiter. Dazu kommt endlich ſowohl zu Stadt als zu Land, obgleich überwiegend in den großen Städten, zumal London, die eigentliche ſociale Hefe, jene faulige Maſſe, welche ſich in den Cloaken des ſocialen Lebens wälzt, in gänzlicher ſittlicher, religiöſer und intellektueller Verwilderung, meiſt ohne einen andern Zuſammenhang mit der modernen Civiliſation als durch deren Laſter, großentheils im Elend oder von Sünde und Ver- brechen lebend, zum Theil auch im Betrieb der niedrigſten Arten der Jnduſtrie (wie z. B. die ſogenannten costermongers u. ſ. w.) die Mittel zu einer Art von rohem Wohlleben gewinnend. Dieſer Auswurf des ſocialen Lebens, wovon die am tiefſten Gefallenen des weiblichen Geſchlechts einen ſo großen Theil bilden, findet ſich in England nach Verhältniß anderer ſtatiſtiſcher Momente (Be- völkerung u. ſ. w.) in größern Maſſen und tritt frecher hervor, als in irgend einem andern Lande. *) Zur Charakteriſtik dieſer Zu- *) Zur Orientirung in dieſen Regionen findet man das vollſtändigſte Material in Mayhew’s London Labour and London Poor — einem Buch, wovon

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Zitationshilfe: Huber, Victor Aimé: Sieben Briefe über englisches Revival und deutsche Erweckung. Frankfurt (Main), 1862, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_revival_1862/20>, abgerufen am 24.11.2024.