Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

fe ich nicht, denn die Stadt liegt lange nicht so
feucht wie viele andere. Die Bauart ist nicht
schlechter, die Lebensmittel gut. Ihr Anzug ist
schon sehr häßlich, und wird häßlicher je weiter
herab man am Rhein kommt. Widrige weiße
Hauben die das Kinn umgeben, wie die weißen
Strählenhaare eines gewissen Affen, der Manga-
bey aus Madagaskar nach Büffon, und lange
Jacken, die eine höchst nachtheilige Abtheilung in
die Gestalt bringen. Leer ist die Stadt heute wie
vormals, allein die Heerden von unverschämten
Bettlern, die ich vor zwanzig Jahren vor den
Kirchthüren fand, sind verschwunden. Dennoch
wird der Stillstand des Handels hier so schmerz-
lich gefühlt, daß die Menschen nicht wohlhaben-
der können geworden seyn, sehr leicht aber thäti-
ger. Die schönen Hauser der ehemaligen Dom-
herrn sind verkauft, ihre ehemaligen Besitzer ha-
ben mit einer Pension, welche die jedes andern
Ordensgeistlichen nicht überstieg, das Land verlas-
sen, und durch diese Auswanderung muß der Er-
werb sich auch vermindert haben.

Von nun an war mir die Gegend am linken
Rheinufer ganz unbekannt. Von den Thoren von
Cölln an geht der Weg im Sande fort, der nur

fe ich nicht, denn die Stadt liegt lange nicht ſo
feucht wie viele andere. Die Bauart iſt nicht
ſchlechter, die Lebensmittel gut. Ihr Anzug iſt
ſchon ſehr haͤßlich, und wird haͤßlicher je weiter
herab man am Rhein kommt. Widrige weiße
Hauben die das Kinn umgeben, wie die weißen
Straͤhlenhaare eines gewiſſen Affen, der Manga-
bey aus Madagaskar nach Buͤffon, und lange
Jacken, die eine hoͤchſt nachtheilige Abtheilung in
die Geſtalt bringen. Leer iſt die Stadt heute wie
vormals, allein die Heerden von unverſchaͤmten
Bettlern, die ich vor zwanzig Jahren vor den
Kirchthuͤren fand, ſind verſchwunden. Dennoch
wird der Stillſtand des Handels hier ſo ſchmerz-
lich gefuͤhlt, daß die Menſchen nicht wohlhaben-
der koͤnnen geworden ſeyn, ſehr leicht aber thaͤti-
ger. Die ſchoͤnen Hauſer der ehemaligen Dom-
herrn ſind verkauft, ihre ehemaligen Beſitzer ha-
ben mit einer Penſion, welche die jedes andern
Ordensgeiſtlichen nicht uͤberſtieg, das Land verlaſ-
ſen, und durch dieſe Auswanderung muß der Er-
werb ſich auch vermindert haben.

Von nun an war mir die Gegend am linken
Rheinufer ganz unbekannt. Von den Thoren von
Coͤlln an geht der Weg im Sande fort, der nur

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0088" n="74"/>
fe ich nicht, denn die Stadt liegt lange nicht &#x017F;o<lb/>
feucht wie viele andere. Die Bauart i&#x017F;t nicht<lb/>
&#x017F;chlechter, die Lebensmittel gut. Ihr Anzug i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;chon &#x017F;ehr ha&#x0364;ßlich, und wird ha&#x0364;ßlicher je weiter<lb/>
herab man am Rhein kommt. Widrige weiße<lb/>
Hauben die das Kinn umgeben, wie die weißen<lb/>
Stra&#x0364;hlenhaare eines gewi&#x017F;&#x017F;en Affen, der Manga-<lb/>
bey aus Madagaskar nach Bu&#x0364;ffon, und lange<lb/>
Jacken, die eine ho&#x0364;ch&#x017F;t nachtheilige Abtheilung in<lb/>
die Ge&#x017F;talt bringen. Leer i&#x017F;t die Stadt heute wie<lb/>
vormals, allein die Heerden von unver&#x017F;cha&#x0364;mten<lb/>
Bettlern, die ich vor zwanzig Jahren vor den<lb/>
Kirchthu&#x0364;ren fand, &#x017F;ind ver&#x017F;chwunden. Dennoch<lb/>
wird der Still&#x017F;tand des Handels hier &#x017F;o &#x017F;chmerz-<lb/>
lich gefu&#x0364;hlt, daß die Men&#x017F;chen nicht wohlhaben-<lb/>
der ko&#x0364;nnen geworden &#x017F;eyn, &#x017F;ehr leicht aber tha&#x0364;ti-<lb/>
ger. Die &#x017F;cho&#x0364;nen Hau&#x017F;er der ehemaligen Dom-<lb/>
herrn &#x017F;ind verkauft, ihre ehemaligen Be&#x017F;itzer ha-<lb/>
ben mit einer Pen&#x017F;ion, welche die jedes andern<lb/>
Ordensgei&#x017F;tlichen nicht u&#x0364;ber&#x017F;tieg, das Land verla&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, und durch die&#x017F;e Auswanderung muß der Er-<lb/>
werb &#x017F;ich auch vermindert haben.</p><lb/>
        <p>Von nun an war mir die Gegend am linken<lb/>
Rheinufer ganz unbekannt. Von den Thoren von<lb/>
Co&#x0364;lln an geht der Weg im Sande fort, der nur<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[74/0088] fe ich nicht, denn die Stadt liegt lange nicht ſo feucht wie viele andere. Die Bauart iſt nicht ſchlechter, die Lebensmittel gut. Ihr Anzug iſt ſchon ſehr haͤßlich, und wird haͤßlicher je weiter herab man am Rhein kommt. Widrige weiße Hauben die das Kinn umgeben, wie die weißen Straͤhlenhaare eines gewiſſen Affen, der Manga- bey aus Madagaskar nach Buͤffon, und lange Jacken, die eine hoͤchſt nachtheilige Abtheilung in die Geſtalt bringen. Leer iſt die Stadt heute wie vormals, allein die Heerden von unverſchaͤmten Bettlern, die ich vor zwanzig Jahren vor den Kirchthuͤren fand, ſind verſchwunden. Dennoch wird der Stillſtand des Handels hier ſo ſchmerz- lich gefuͤhlt, daß die Menſchen nicht wohlhaben- der koͤnnen geworden ſeyn, ſehr leicht aber thaͤti- ger. Die ſchoͤnen Hauſer der ehemaligen Dom- herrn ſind verkauft, ihre ehemaligen Beſitzer ha- ben mit einer Penſion, welche die jedes andern Ordensgeiſtlichen nicht uͤberſtieg, das Land verlaſ- ſen, und durch dieſe Auswanderung muß der Er- werb ſich auch vermindert haben. Von nun an war mir die Gegend am linken Rheinufer ganz unbekannt. Von den Thoren von Coͤlln an geht der Weg im Sande fort, der nur

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/88
Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/88>, abgerufen am 27.11.2024.