Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

falteten Hände gen Himmel gehoben, ohne Angst,
ohne einen Ruf nach Hülfe -- die Wogen stiegen,
sie stand, sie stiegen höher, sie wankte und ver-
schwand in der Fluth.

Der Präfekt des Departements bewog mehrere
Einwohner von Cleve, sich zu vereinen, und Jo-
hanna auf dem Hügel, wo sie sich, der leidenden
Mutter zu helfen, in den Tod wagte, ein Denk-
mal zu stiften. Die Inschrift eines einfachen Steins
ruft ihre Mitschwestern zur Nachfolge auf, und
eine Allegorie bezeichnet die That. Diese ist aber
nicht für den Meissel geeignet, wenn sie gleich von
einem zarten dichterischen Gefühl zeugt. Das
Basrelief soll einen blühenden Rosenstrauch darstel-
len, den die stürmenden Wogen verschlingen.
Was aber durch seine Beweglichkeit zur Einbil-
dungskraft spricht, kann die bleibende Schöpfung
des Bildhauers oder Malers nicht darstellen.

Ein Denkmal, das wohl dauernder seyn wird,
wie der Stein auf Johanna's Opferaltar, schenkte
ihr Göthe. Er besang, wie mir in Cleve gesagt
ward, ihren Tod. Welchen höhern Lohn kennt
das Lied, als solche Thaten zu verewigen. --

Wenn ich mich nicht vor der Beschuldigung,
paradox zu seyn, scheute, so würde ich unbedingt

B b 2

falteten Haͤnde gen Himmel gehoben, ohne Angſt,
ohne einen Ruf nach Huͤlfe — die Wogen ſtiegen,
ſie ſtand, ſie ſtiegen hoͤher, ſie wankte und ver-
ſchwand in der Fluth.

Der Praͤfekt des Departements bewog mehrere
Einwohner von Cleve, ſich zu vereinen, und Jo-
hanna auf dem Huͤgel, wo ſie ſich, der leidenden
Mutter zu helfen, in den Tod wagte, ein Denk-
mal zu ſtiften. Die Inſchrift eines einfachen Steins
ruft ihre Mitſchweſtern zur Nachfolge auf, und
eine Allegorie bezeichnet die That. Dieſe iſt aber
nicht fuͤr den Meiſſel geeignet, wenn ſie gleich von
einem zarten dichteriſchen Gefuͤhl zeugt. Das
Basrelief ſoll einen bluͤhenden Roſenſtrauch darſtel-
len, den die ſtuͤrmenden Wogen verſchlingen.
Was aber durch ſeine Beweglichkeit zur Einbil-
dungskraft ſpricht, kann die bleibende Schoͤpfung
des Bildhauers oder Malers nicht darſtellen.

Ein Denkmal, das wohl dauernder ſeyn wird,
wie der Stein auf Johanna’s Opferaltar, ſchenkte
ihr Goͤthe. Er beſang, wie mir in Cleve geſagt
ward, ihren Tod. Welchen hoͤhern Lohn kennt
das Lied, als ſolche Thaten zu verewigen. —

Wenn ich mich nicht vor der Beſchuldigung,
paradox zu ſeyn, ſcheute, ſo wuͤrde ich unbedingt

B b 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0401" n="387"/>
falteten Ha&#x0364;nde gen Himmel gehoben, ohne Ang&#x017F;t,<lb/>
ohne einen Ruf nach Hu&#x0364;lfe &#x2014; die Wogen &#x017F;tiegen,<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;tand, &#x017F;ie &#x017F;tiegen ho&#x0364;her, &#x017F;ie wankte und ver-<lb/>
&#x017F;chwand in der Fluth.</p><lb/>
        <p>Der Pra&#x0364;fekt des Departements bewog mehrere<lb/>
Einwohner von Cleve, &#x017F;ich zu vereinen, und Jo-<lb/>
hanna auf dem Hu&#x0364;gel, wo &#x017F;ie &#x017F;ich, der leidenden<lb/>
Mutter zu helfen, in den Tod wagte, ein Denk-<lb/>
mal zu &#x017F;tiften. Die In&#x017F;chrift eines einfachen Steins<lb/>
ruft ihre Mit&#x017F;chwe&#x017F;tern zur Nachfolge auf, und<lb/>
eine Allegorie bezeichnet die That. Die&#x017F;e i&#x017F;t aber<lb/>
nicht fu&#x0364;r den Mei&#x017F;&#x017F;el geeignet, wenn &#x017F;ie gleich von<lb/>
einem zarten dichteri&#x017F;chen Gefu&#x0364;hl zeugt. Das<lb/>
Basrelief &#x017F;oll einen blu&#x0364;henden Ro&#x017F;en&#x017F;trauch dar&#x017F;tel-<lb/>
len, den die &#x017F;tu&#x0364;rmenden Wogen ver&#x017F;chlingen.<lb/>
Was aber durch &#x017F;eine Beweglichkeit zur Einbil-<lb/>
dungskraft &#x017F;pricht, kann die bleibende Scho&#x0364;pfung<lb/>
des Bildhauers oder Malers nicht dar&#x017F;tellen.</p><lb/>
        <p>Ein Denkmal, das wohl dauernder &#x017F;eyn wird,<lb/>
wie der Stein auf Johanna&#x2019;s Opferaltar, &#x017F;chenkte<lb/>
ihr Go&#x0364;the. Er be&#x017F;ang, wie mir in Cleve ge&#x017F;agt<lb/>
ward, ihren Tod. Welchen ho&#x0364;hern Lohn kennt<lb/>
das Lied, als &#x017F;olche Thaten zu verewigen. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Wenn ich mich nicht vor der Be&#x017F;chuldigung,<lb/>
paradox zu &#x017F;eyn, &#x017F;cheute, &#x017F;o wu&#x0364;rde ich unbedingt<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B b 2</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[387/0401] falteten Haͤnde gen Himmel gehoben, ohne Angſt, ohne einen Ruf nach Huͤlfe — die Wogen ſtiegen, ſie ſtand, ſie ſtiegen hoͤher, ſie wankte und ver- ſchwand in der Fluth. Der Praͤfekt des Departements bewog mehrere Einwohner von Cleve, ſich zu vereinen, und Jo- hanna auf dem Huͤgel, wo ſie ſich, der leidenden Mutter zu helfen, in den Tod wagte, ein Denk- mal zu ſtiften. Die Inſchrift eines einfachen Steins ruft ihre Mitſchweſtern zur Nachfolge auf, und eine Allegorie bezeichnet die That. Dieſe iſt aber nicht fuͤr den Meiſſel geeignet, wenn ſie gleich von einem zarten dichteriſchen Gefuͤhl zeugt. Das Basrelief ſoll einen bluͤhenden Roſenſtrauch darſtel- len, den die ſtuͤrmenden Wogen verſchlingen. Was aber durch ſeine Beweglichkeit zur Einbil- dungskraft ſpricht, kann die bleibende Schoͤpfung des Bildhauers oder Malers nicht darſtellen. Ein Denkmal, das wohl dauernder ſeyn wird, wie der Stein auf Johanna’s Opferaltar, ſchenkte ihr Goͤthe. Er beſang, wie mir in Cleve geſagt ward, ihren Tod. Welchen hoͤhern Lohn kennt das Lied, als ſolche Thaten zu verewigen. — Wenn ich mich nicht vor der Beſchuldigung, paradox zu ſeyn, ſcheute, ſo wuͤrde ich unbedingt B b 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/401
Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/401>, abgerufen am 24.11.2024.