sich vor ihr dahin gerettet hatten, riefen ihrem Heldenmuthe Beifall zu, indeß sie, unbekümmert über den Ruhm ihrer That, der Mutter einen er- träglichen Sitz zu machen suchte, und dann schwei- gend den Hügel hinab in die Fluth zurück eilte. Alles rief ihr zu, daß der Tod ihrer harre -- sie deutete auf einen Damm, wo eine benachbarte Da- me, mit der das fromme Mädchen weiter in keiner Verbindung stand, sich mit ihren zwei Kindern hingerettet hatte, und nun von einem Augenblick zum andern von dem wach senden Wasser verschlun- gen zu werden bedroht war. "Die will ich ret- ten," rief Johanna, und strebte durch die Fluth. Sie gelangte zu der verzweifelnden Mutter, aber weiter vermochte ihr Muth nichts. -- Die Wogen waren von Moment zu Moment gestiegen, die Rückkehr, die Rettung war unmöglich. Sie be- spülten schon den Boden, der die Todesopfer trug. Die elende Mutter sah schaudernd in das nahende Verderben, sah verzweifelnd auf ihre Hülfe flehen- den Kinder, schlang ihr Gewand um beide, und stürzte sich mit ihnen in die Fluth. Nun stand Jo- hanna, die diese Scene schweigend mit angesehen hatte, allein; man sah sie von der nahen Höhe, wohin sie ihre Mutter gerettet hatte, still ihre ge-
ſich vor ihr dahin gerettet hatten, riefen ihrem Heldenmuthe Beifall zu, indeß ſie, unbekuͤmmert uͤber den Ruhm ihrer That, der Mutter einen er- traͤglichen Sitz zu machen ſuchte, und dann ſchwei- gend den Huͤgel hinab in die Fluth zuruͤck eilte. Alles rief ihr zu, daß der Tod ihrer harre — ſie deutete auf einen Damm, wo eine benachbarte Da- me, mit der das fromme Maͤdchen weiter in keiner Verbindung ſtand, ſich mit ihren zwei Kindern hingerettet hatte, und nun von einem Augenblick zum andern von dem wach ſenden Waſſer verſchlun- gen zu werden bedroht war. „Die will ich ret- ten,“ rief Johanna, und ſtrebte durch die Fluth. Sie gelangte zu der verzweifelnden Mutter, aber weiter vermochte ihr Muth nichts. — Die Wogen waren von Moment zu Moment geſtiegen, die Ruͤckkehr, die Rettung war unmoͤglich. Sie be- ſpuͤlten ſchon den Boden, der die Todesopfer trug. Die elende Mutter ſah ſchaudernd in das nahende Verderben, ſah verzweifelnd auf ihre Huͤlfe flehen- den Kinder, ſchlang ihr Gewand um beide, und ſtuͤrzte ſich mit ihnen in die Fluth. Nun ſtand Jo- hanna, die dieſe Scene ſchweigend mit angeſehen hatte, allein; man ſah ſie von der nahen Hoͤhe, wohin ſie ihre Mutter gerettet hatte, ſtill ihre ge-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0400"n="386"/>ſich vor ihr dahin gerettet hatten, riefen ihrem<lb/>
Heldenmuthe Beifall zu, indeß ſie, unbekuͤmmert<lb/>
uͤber den Ruhm ihrer That, der Mutter einen er-<lb/>
traͤglichen Sitz zu machen ſuchte, und dann ſchwei-<lb/>
gend den Huͤgel hinab in die Fluth zuruͤck eilte.<lb/>
Alles rief ihr zu, daß der Tod ihrer harre —ſie<lb/>
deutete auf einen Damm, wo eine benachbarte Da-<lb/>
me, mit der das fromme Maͤdchen weiter in keiner<lb/>
Verbindung ſtand, ſich mit ihren zwei Kindern<lb/>
hingerettet hatte, und nun von einem Augenblick<lb/>
zum andern von dem wach ſenden Waſſer verſchlun-<lb/>
gen zu werden bedroht war. „Die will ich ret-<lb/>
ten,“ rief Johanna, und ſtrebte durch die Fluth.<lb/>
Sie gelangte zu der verzweifelnden Mutter, aber<lb/>
weiter vermochte ihr Muth nichts. — Die Wogen<lb/>
waren von Moment zu Moment geſtiegen, die<lb/>
Ruͤckkehr, die Rettung war unmoͤglich. Sie be-<lb/>ſpuͤlten ſchon den Boden, der die Todesopfer trug.<lb/>
Die elende Mutter ſah ſchaudernd in das nahende<lb/>
Verderben, ſah verzweifelnd auf ihre Huͤlfe flehen-<lb/>
den Kinder, ſchlang ihr Gewand um beide, und<lb/>ſtuͤrzte ſich mit ihnen in die Fluth. Nun ſtand Jo-<lb/>
hanna, die dieſe Scene ſchweigend mit angeſehen<lb/>
hatte, allein; man ſah ſie von der nahen Hoͤhe,<lb/>
wohin ſie ihre Mutter gerettet hatte, ſtill ihre ge-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[386/0400]
ſich vor ihr dahin gerettet hatten, riefen ihrem
Heldenmuthe Beifall zu, indeß ſie, unbekuͤmmert
uͤber den Ruhm ihrer That, der Mutter einen er-
traͤglichen Sitz zu machen ſuchte, und dann ſchwei-
gend den Huͤgel hinab in die Fluth zuruͤck eilte.
Alles rief ihr zu, daß der Tod ihrer harre — ſie
deutete auf einen Damm, wo eine benachbarte Da-
me, mit der das fromme Maͤdchen weiter in keiner
Verbindung ſtand, ſich mit ihren zwei Kindern
hingerettet hatte, und nun von einem Augenblick
zum andern von dem wach ſenden Waſſer verſchlun-
gen zu werden bedroht war. „Die will ich ret-
ten,“ rief Johanna, und ſtrebte durch die Fluth.
Sie gelangte zu der verzweifelnden Mutter, aber
weiter vermochte ihr Muth nichts. — Die Wogen
waren von Moment zu Moment geſtiegen, die
Ruͤckkehr, die Rettung war unmoͤglich. Sie be-
ſpuͤlten ſchon den Boden, der die Todesopfer trug.
Die elende Mutter ſah ſchaudernd in das nahende
Verderben, ſah verzweifelnd auf ihre Huͤlfe flehen-
den Kinder, ſchlang ihr Gewand um beide, und
ſtuͤrzte ſich mit ihnen in die Fluth. Nun ſtand Jo-
hanna, die dieſe Scene ſchweigend mit angeſehen
hatte, allein; man ſah ſie von der nahen Hoͤhe,
wohin ſie ihre Mutter gerettet hatte, ſtill ihre ge-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/400>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.