diesesmal nicht bei Rhenen, sondern bei Cuilen- burg über den Rhein, der hier sehr breit ist, und zwar auf dem größten Floß, oder fliegenden Brük- ke, die ich noch sah. Es befanden sich außer un- srer Chaise noch dreizehn andere Fuhrwerke darin, ohne daß der Platz sehr überladen schien. Wir eilten so schnell, daß ich die bekannten Gegenstände nur im Fluge begrüßte. Statt bei Nimwegen über die Waal zu gehen, setzten wir schon bei Tiel über, und ich sah noch den schönen Anbau des Lan- des an dem linken Ufer des Flusses bis an die Thore von Nimwegen. In Cleve machte mich ein zufäl- liges Zusammentreffen mit dem Präfekten des De- partements mit einer Thatsache aus der Geschichte der letzten Ueberschwemmung bekannt, die ich euch mittheilen muß.
Johanna Sebus, die Tochter eines armen Mannes in einem der Dörfer, die bei dem Durch- bruch der Dämme zuerst litten, sah ihre Hütte plötzlich von den Wogen umflossen. Sie lud ihre von Gliederschmerzen gelähmte Mutter auf ihre Schultern, und trug sie mit Anstrengung all' ihrer Kräfte durch die brausenden Wasser, die unter ih- ren Schritten heranwuchsen, bis auf eine Höhe, wo sie gegen das Verderben gesichert war. Die
B b
dieſesmal nicht bei Rhenen, ſondern bei Cuilen- burg uͤber den Rhein, der hier ſehr breit iſt, und zwar auf dem groͤßten Floß, oder fliegenden Bruͤk- ke, die ich noch ſah. Es befanden ſich außer un- ſrer Chaiſe noch dreizehn andere Fuhrwerke darin, ohne daß der Platz ſehr uͤberladen ſchien. Wir eilten ſo ſchnell, daß ich die bekannten Gegenſtaͤnde nur im Fluge begruͤßte. Statt bei Nimwegen uͤber die Waal zu gehen, ſetzten wir ſchon bei Tiel uͤber, und ich ſah noch den ſchoͤnen Anbau des Lan- des an dem linken Ufer des Fluſſes bis an die Thore von Nimwegen. In Cleve machte mich ein zufaͤl- liges Zuſammentreffen mit dem Praͤfekten des De- partements mit einer Thatſache aus der Geſchichte der letzten Ueberſchwemmung bekannt, die ich euch mittheilen muß.
Johanna Sebus, die Tochter eines armen Mannes in einem der Doͤrfer, die bei dem Durch- bruch der Daͤmme zuerſt litten, ſah ihre Huͤtte ploͤtzlich von den Wogen umfloſſen. Sie lud ihre von Gliederſchmerzen gelaͤhmte Mutter auf ihre Schultern, und trug ſie mit Anſtrengung all’ ihrer Kraͤfte durch die brauſenden Waſſer, die unter ih- ren Schritten heranwuchſen, bis auf eine Hoͤhe, wo ſie gegen das Verderben geſichert war. Die
B b
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0399"n="385"/>
dieſesmal nicht bei Rhenen, ſondern bei Cuilen-<lb/>
burg uͤber den Rhein, der hier ſehr breit iſt, und<lb/>
zwar auf dem groͤßten Floß, oder fliegenden Bruͤk-<lb/>
ke, die ich noch ſah. Es befanden ſich außer un-<lb/>ſrer Chaiſe noch dreizehn andere Fuhrwerke darin,<lb/>
ohne daß der Platz ſehr uͤberladen ſchien. Wir<lb/>
eilten ſo ſchnell, daß ich die bekannten Gegenſtaͤnde<lb/>
nur im Fluge begruͤßte. Statt bei Nimwegen<lb/>
uͤber die Waal zu gehen, ſetzten wir ſchon bei Tiel<lb/>
uͤber, und ich ſah noch den ſchoͤnen Anbau des Lan-<lb/>
des an dem linken Ufer des Fluſſes bis an die Thore<lb/>
von Nimwegen. In Cleve machte mich ein zufaͤl-<lb/>
liges Zuſammentreffen mit dem Praͤfekten des De-<lb/>
partements mit einer Thatſache aus der Geſchichte<lb/>
der letzten Ueberſchwemmung bekannt, die ich euch<lb/>
mittheilen muß.</p><lb/><p>Johanna Sebus, die Tochter eines armen<lb/>
Mannes in einem der Doͤrfer, die bei dem Durch-<lb/>
bruch der Daͤmme zuerſt litten, ſah ihre Huͤtte<lb/>
ploͤtzlich von den Wogen umfloſſen. Sie lud ihre<lb/>
von Gliederſchmerzen gelaͤhmte Mutter auf ihre<lb/>
Schultern, und trug ſie mit Anſtrengung all’ ihrer<lb/>
Kraͤfte durch die brauſenden Waſſer, die unter ih-<lb/>
ren Schritten heranwuchſen, bis auf eine Hoͤhe,<lb/>
wo ſie gegen das Verderben geſichert war. Die<lb/><fwplace="bottom"type="sig">B b</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[385/0399]
dieſesmal nicht bei Rhenen, ſondern bei Cuilen-
burg uͤber den Rhein, der hier ſehr breit iſt, und
zwar auf dem groͤßten Floß, oder fliegenden Bruͤk-
ke, die ich noch ſah. Es befanden ſich außer un-
ſrer Chaiſe noch dreizehn andere Fuhrwerke darin,
ohne daß der Platz ſehr uͤberladen ſchien. Wir
eilten ſo ſchnell, daß ich die bekannten Gegenſtaͤnde
nur im Fluge begruͤßte. Statt bei Nimwegen
uͤber die Waal zu gehen, ſetzten wir ſchon bei Tiel
uͤber, und ich ſah noch den ſchoͤnen Anbau des Lan-
des an dem linken Ufer des Fluſſes bis an die Thore
von Nimwegen. In Cleve machte mich ein zufaͤl-
liges Zuſammentreffen mit dem Praͤfekten des De-
partements mit einer Thatſache aus der Geſchichte
der letzten Ueberſchwemmung bekannt, die ich euch
mittheilen muß.
Johanna Sebus, die Tochter eines armen
Mannes in einem der Doͤrfer, die bei dem Durch-
bruch der Daͤmme zuerſt litten, ſah ihre Huͤtte
ploͤtzlich von den Wogen umfloſſen. Sie lud ihre
von Gliederſchmerzen gelaͤhmte Mutter auf ihre
Schultern, und trug ſie mit Anſtrengung all’ ihrer
Kraͤfte durch die brauſenden Waſſer, die unter ih-
ren Schritten heranwuchſen, bis auf eine Hoͤhe,
wo ſie gegen das Verderben geſichert war. Die
B b
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/399>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.