diesem einen Moment berührten sich nie unsre Wesen.
Vor der Thür zur Orgel entdeckten wir ein Ge- mälde, das einen bessern Platz verdiente, das ei- nen Platz verdiente, wo es die Augen erfreuen und die Kunstliebenden unterrichten könnte. Die Kir- chendiener wußten nicht recht, woher es sey; es habe irgendwo im Rathhause gehangen, und weil es dort an Platz fehle, sey es hierher gebracht. Das Kostüm war aus den Zeiten des Münsterschen Friedens; es stellte fünf Männer vor, von denen drei Ritter und zween Geistliche an einem Tisch mit Gespräch beschäftigt schienen. Eine Gruppe der lebendigsten Gestalten in Lebensgröße, von welchen die vorderste, wie es schien, die Haupt- gestalt, nie wieder aus meiner Fantasie schwinden wird.
Es war die einzige sitzende, ein blühender Mann, der, vom Gemälde absehend, mit über- einandergeschlagenen Beinen, einen Arm über die Stullehne gelegt, mit einer feinen Sicherheit im Blick aussieht, als sey er seiner Sache mit den andern gewiß. Er ist aber dennoch sinnend mit ihnen beschäftigt, indeß der Ritter zur Rechten mit ihm zu sprechen scheint, der zur Linken aber jenem
dieſem einen Moment beruͤhrten ſich nie unſre Weſen.
Vor der Thuͤr zur Orgel entdeckten wir ein Ge- maͤlde, das einen beſſern Platz verdiente, das ei- nen Platz verdiente, wo es die Augen erfreuen und die Kunſtliebenden unterrichten koͤnnte. Die Kir- chendiener wußten nicht recht, woher es ſey; es habe irgendwo im Rathhauſe gehangen, und weil es dort an Platz fehle, ſey es hierher gebracht. Das Koſtuͤm war aus den Zeiten des Muͤnſterſchen Friedens; es ſtellte fuͤnf Maͤnner vor, von denen drei Ritter und zween Geiſtliche an einem Tiſch mit Geſpraͤch beſchaͤftigt ſchienen. Eine Gruppe der lebendigſten Geſtalten in Lebensgroͤße, von welchen die vorderſte, wie es ſchien, die Haupt- geſtalt, nie wieder aus meiner Fantaſie ſchwinden wird.
Es war die einzige ſitzende, ein bluͤhender Mann, der, vom Gemaͤlde abſehend, mit uͤber- einandergeſchlagenen Beinen, einen Arm uͤber die Stullehne gelegt, mit einer feinen Sicherheit im Blick ausſieht, als ſey er ſeiner Sache mit den andern gewiß. Er iſt aber dennoch ſinnend mit ihnen beſchaͤftigt, indeß der Ritter zur Rechten mit ihm zu ſprechen ſcheint, der zur Linken aber jenem
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dieſem einen Moment beruͤhrten ſich nie unſre
Weſen.
Vor der Thuͤr zur Orgel entdeckten wir ein Ge-
maͤlde, das einen beſſern Platz verdiente, das ei-
nen Platz verdiente, wo es die Augen erfreuen und
die Kunſtliebenden unterrichten koͤnnte. Die Kir-
chendiener wußten nicht recht, woher es ſey; es
habe irgendwo im Rathhauſe gehangen, und weil
es dort an Platz fehle, ſey es hierher gebracht.
Das Koſtuͤm war aus den Zeiten des Muͤnſterſchen
Friedens; es ſtellte fuͤnf Maͤnner vor, von denen
drei Ritter und zween Geiſtliche an einem Tiſch
mit Geſpraͤch beſchaͤftigt ſchienen. Eine Gruppe
der lebendigſten Geſtalten in Lebensgroͤße, von
welchen die vorderſte, wie es ſchien, die Haupt-
geſtalt, nie wieder aus meiner Fantaſie ſchwinden
wird.
Es war die einzige ſitzende, ein bluͤhender
Mann, der, vom Gemaͤlde abſehend, mit uͤber-
einandergeſchlagenen Beinen, einen Arm uͤber die
Stullehne gelegt, mit einer feinen Sicherheit im
Blick ausſieht, als ſey er ſeiner Sache mit den
andern gewiß. Er iſt aber dennoch ſinnend mit
ihnen beſchaͤftigt, indeß der Ritter zur Rechten
mit ihm zu ſprechen ſcheint, der zur Linken aber jenem
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/395>, abgerufen am 24.11.2024.
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