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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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Sarg emporsteigen, und empfand noch einmal die
Vernichtung in Schmerz, die wie die höchste Ent-
zückung der Freude hoch über die Erde empor
hebt. --

Die Harmonie schwieg und ich folgte meinen
Begleitern auf die Orgel, um das Kunstwerk nä-
her zu betrachten. Ich fand im Organisten einen
Greis von acht und siebenzig Jahren, ein Gesicht
voll himmlischer Ruhe und Heiterkeit, mit blauen
klaren Augen, die noch von Freundlichkeit strahl-
ten, obgleich ihnen das Licht des Tages fast erlo-
schen war, und sie die Noten nicht mehr erkann-
ten. Seit sechzig Jahren, erzählte er, spiele er
in dieser Kirche die Orgel; er bedürfe der Noten
nicht, denn alle die Gesänge seyen in seinem Her-
zen, und er lerne noch jetzt neue nach dem Gehör. --
Sechzig Jahre lang mit diesen rührenden Weisen
die Herzen erweckt, die Herzen beruhigt zu haben!
sechzig Jahre mit dem besten, in dem Gemüthe so
vieler, vieler Tausende, mit Schmerz und Andacht
in unsichtbarem Verkehr gestanden seyn! -- Mei-
ne Theilnahme und Freude und meine nicht zu
verbergende Rührung machten den heitern Greis
ganz vertraut -- ich bat ihn um Chorale, und er
spielte mir meine liebsten: Befiehl du deine We-

Sarg emporſteigen, und empfand noch einmal die
Vernichtung in Schmerz, die wie die hoͤchſte Ent-
zuͤckung der Freude hoch uͤber die Erde empor
hebt. —

Die Harmonie ſchwieg und ich folgte meinen
Begleitern auf die Orgel, um das Kunſtwerk naͤ-
her zu betrachten. Ich fand im Organiſten einen
Greis von acht und ſiebenzig Jahren, ein Geſicht
voll himmliſcher Ruhe und Heiterkeit, mit blauen
klaren Augen, die noch von Freundlichkeit ſtrahl-
ten, obgleich ihnen das Licht des Tages faſt erlo-
ſchen war, und ſie die Noten nicht mehr erkann-
ten. Seit ſechzig Jahren, erzaͤhlte er, ſpiele er
in dieſer Kirche die Orgel; er beduͤrfe der Noten
nicht, denn alle die Geſaͤnge ſeyen in ſeinem Her-
zen, und er lerne noch jetzt neue nach dem Gehoͤr. —
Sechzig Jahre lang mit dieſen ruͤhrenden Weiſen
die Herzen erweckt, die Herzen beruhigt zu haben!
ſechzig Jahre mit dem beſten, in dem Gemuͤthe ſo
vieler, vieler Tauſende, mit Schmerz und Andacht
in unſichtbarem Verkehr geſtanden ſeyn! — Mei-
ne Theilnahme und Freude und meine nicht zu
verbergende Ruͤhrung machten den heitern Greis
ganz vertraut — ich bat ihn um Chorale, und er
ſpielte mir meine liebſten: Befiehl du deine We-

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[379/0393] Sarg emporſteigen, und empfand noch einmal die Vernichtung in Schmerz, die wie die hoͤchſte Ent- zuͤckung der Freude hoch uͤber die Erde empor hebt. — Die Harmonie ſchwieg und ich folgte meinen Begleitern auf die Orgel, um das Kunſtwerk naͤ- her zu betrachten. Ich fand im Organiſten einen Greis von acht und ſiebenzig Jahren, ein Geſicht voll himmliſcher Ruhe und Heiterkeit, mit blauen klaren Augen, die noch von Freundlichkeit ſtrahl- ten, obgleich ihnen das Licht des Tages faſt erlo- ſchen war, und ſie die Noten nicht mehr erkann- ten. Seit ſechzig Jahren, erzaͤhlte er, ſpiele er in dieſer Kirche die Orgel; er beduͤrfe der Noten nicht, denn alle die Geſaͤnge ſeyen in ſeinem Her- zen, und er lerne noch jetzt neue nach dem Gehoͤr. — Sechzig Jahre lang mit dieſen ruͤhrenden Weiſen die Herzen erweckt, die Herzen beruhigt zu haben! ſechzig Jahre mit dem beſten, in dem Gemuͤthe ſo vieler, vieler Tauſende, mit Schmerz und Andacht in unſichtbarem Verkehr geſtanden ſeyn! — Mei- ne Theilnahme und Freude und meine nicht zu verbergende Ruͤhrung machten den heitern Greis ganz vertraut — ich bat ihn um Chorale, und er ſpielte mir meine liebſten: Befiehl du deine We-

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/393>, abgerufen am 24.11.2024.