da mahlten sie in mattem Schimmer sanfte Tin- ten auf die grauen Grabsteine. Das thut ja der Widerschein des Himmelslichtes auf allen Grä- bern. --
Ich hatte einen holländischen Katalog, oder Beschreibung jedes der Fenster mitgenommen, konnte also des Führers entbehren, welcher sonst Fremde begleitet. Da mir die Geschichten jedes Feusters wenig Interesse einflößten, hatte ich mich gar nicht um sie bekümmert, bis ich eine wunder- bare Stimme erschallen hörte, die von diesem, von mir vernachläßigten Führer, herrührte, der ein halbes Dutzend wißbegierige Fremde umherleitete. Der Mensch, eine lange, knochigte, breite Gestalt mit rabenschwarzer Stutzperücke, hielt in der einen Hand das Büchlein, in der andern ein langes Rohr mit silbernem Knopf, mit dem er auf die jedesmalige Darstellung deutete, und dessen Bewe- gung die Augen der Fremden erstaunt und hinstar- rend folgten. Es sollten Juden seyn, wie man mir sagte, und das mischte eine wunderliche Em- pfindung von wehmüthigem Staunen in meine Lustigkeit über die Macht, mit der die gesellschaft- lichen Verhältnisse, die lebhaftesten Gefühle ban- nen, so daß diese Juden das Sanhedrin, und den
da mahlten ſie in mattem Schimmer ſanfte Tin- ten auf die grauen Grabſteine. Das thut ja der Widerſchein des Himmelslichtes auf allen Graͤ- bern. —
Ich hatte einen hollaͤndiſchen Katalog, oder Beſchreibung jedes der Fenſter mitgenommen, konnte alſo des Fuͤhrers entbehren, welcher ſonſt Fremde begleitet. Da mir die Geſchichten jedes Feuſters wenig Intereſſe einfloͤßten, hatte ich mich gar nicht um ſie bekuͤmmert, bis ich eine wunder- bare Stimme erſchallen hoͤrte, die von dieſem, von mir vernachlaͤßigten Fuͤhrer, herruͤhrte, der ein halbes Dutzend wißbegierige Fremde umherleitete. Der Menſch, eine lange, knochigte, breite Geſtalt mit rabenſchwarzer Stutzperuͤcke, hielt in der einen Hand das Buͤchlein, in der andern ein langes Rohr mit ſilbernem Knopf, mit dem er auf die jedesmalige Darſtellung deutete, und deſſen Bewe- gung die Augen der Fremden erſtaunt und hinſtar- rend folgten. Es ſollten Juden ſeyn, wie man mir ſagte, und das miſchte eine wunderliche Em- pfindung von wehmuͤthigem Staunen in meine Luſtigkeit uͤber die Macht, mit der die geſellſchaft- lichen Verhaͤltniſſe, die lebhafteſten Gefuͤhle ban- nen, ſo daß dieſe Juden das Sanhedrin, und den
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da mahlten ſie in mattem Schimmer ſanfte Tin-
ten auf die grauen Grabſteine. Das thut ja der
Widerſchein des Himmelslichtes auf allen Graͤ-
bern. —
Ich hatte einen hollaͤndiſchen Katalog, oder
Beſchreibung jedes der Fenſter mitgenommen,
konnte alſo des Fuͤhrers entbehren, welcher ſonſt
Fremde begleitet. Da mir die Geſchichten jedes
Feuſters wenig Intereſſe einfloͤßten, hatte ich mich
gar nicht um ſie bekuͤmmert, bis ich eine wunder-
bare Stimme erſchallen hoͤrte, die von dieſem, von
mir vernachlaͤßigten Fuͤhrer, herruͤhrte, der ein
halbes Dutzend wißbegierige Fremde umherleitete.
Der Menſch, eine lange, knochigte, breite Geſtalt
mit rabenſchwarzer Stutzperuͤcke, hielt in der einen
Hand das Buͤchlein, in der andern ein langes
Rohr mit ſilbernem Knopf, mit dem er auf die
jedesmalige Darſtellung deutete, und deſſen Bewe-
gung die Augen der Fremden erſtaunt und hinſtar-
rend folgten. Es ſollten Juden ſeyn, wie man
mir ſagte, und das miſchte eine wunderliche Em-
pfindung von wehmuͤthigem Staunen in meine
Luſtigkeit uͤber die Macht, mit der die geſellſchaft-
lichen Verhaͤltniſſe, die lebhafteſten Gefuͤhle ban-
nen, ſo daß dieſe Juden das Sanhedrin, und den
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/388>, abgerufen am 24.11.2024.
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