nicht würdiger wohnen, als in dem Hause einer Familie, in der Geist und Güte so lange einwoh- nend war. Mit dem ganzen Gefühl des unge- heuern Ganges, den das Schicksal genommen hat, ging ich vor dem Zimmer vorüber, wo ich die alte Gräfin, von ihren Kindern froh umgeben, gesehn hatte. -- -- Die Sache, welche eben vor dem Tribunale verhandelt ward, hatte kein be- sonderes Interesse; ein Franzose, wie es dem Na- men und der Sprache nach schien, ward beschul- digt, für die Befreiung eines Conscribirten dreißig Louisd'or genommen zu haben. Der Kläger war ein Deutscher, auch die Zeugen waren Deutsche. Vor den Richtern neben den Secretairen stand der Dollmetscher, -- ein Deutscher -- vor den Gra- dins, um welche diese erhöht sitzen, saßen an ei- nem Tische die beiden gerichtlichen Vertheidiger, welche der Angeklagte selbst wählt. Das Verhör ward in beiden Sprachen geführt, und wenn in der Verdeutschung etwas dem Angeklagten Nach- theiliges gesagt ward, nahm der Vertheidiger das Wort, so wie der Dollmetscher Bemerkungen machte, wenn dem Deutschen nachtheilige Wen- dungen gebraucht wurden. Der Präsident, -- bei dieser Sitzung Krankheits halber nicht Reb-
nicht wuͤrdiger wohnen, als in dem Hauſe einer Familie, in der Geiſt und Guͤte ſo lange einwoh- nend war. Mit dem ganzen Gefuͤhl des unge- heuern Ganges, den das Schickſal genommen hat, ging ich vor dem Zimmer voruͤber, wo ich die alte Graͤfin, von ihren Kindern froh umgeben, geſehn hatte. — — Die Sache, welche eben vor dem Tribunale verhandelt ward, hatte kein be- ſonderes Intereſſe; ein Franzoſe, wie es dem Na- men und der Sprache nach ſchien, ward beſchul- digt, fuͤr die Befreiung eines Conſcribirten dreißig Louisd’or genommen zu haben. Der Klaͤger war ein Deutſcher, auch die Zeugen waren Deutſche. Vor den Richtern neben den Secretairen ſtand der Dollmetſcher, — ein Deutſcher — vor den Gra- dins, um welche dieſe erhoͤht ſitzen, ſaßen an ei- nem Tiſche die beiden gerichtlichen Vertheidiger, welche der Angeklagte ſelbſt waͤhlt. Das Verhoͤr ward in beiden Sprachen gefuͤhrt, und wenn in der Verdeutſchung etwas dem Angeklagten Nach- theiliges geſagt ward, nahm der Vertheidiger das Wort, ſo wie der Dollmetſcher Bemerkungen machte, wenn dem Deutſchen nachtheilige Wen- dungen gebraucht wurden. Der Praͤſident, — bei dieſer Sitzung Krankheits halber nicht Reb-
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nicht wuͤrdiger wohnen, als in dem Hauſe einer
Familie, in der Geiſt und Guͤte ſo lange einwoh-
nend war. Mit dem ganzen Gefuͤhl des unge-
heuern Ganges, den das Schickſal genommen
hat, ging ich vor dem Zimmer voruͤber, wo ich
die alte Graͤfin, von ihren Kindern froh umgeben,
geſehn hatte. — — Die Sache, welche eben vor
dem Tribunale verhandelt ward, hatte kein be-
ſonderes Intereſſe; ein Franzoſe, wie es dem Na-
men und der Sprache nach ſchien, ward beſchul-
digt, fuͤr die Befreiung eines Conſcribirten dreißig
Louisd’or genommen zu haben. Der Klaͤger war
ein Deutſcher, auch die Zeugen waren Deutſche.
Vor den Richtern neben den Secretairen ſtand der
Dollmetſcher, — ein Deutſcher — vor den Gra-
dins, um welche dieſe erhoͤht ſitzen, ſaßen an ei-
nem Tiſche die beiden gerichtlichen Vertheidiger,
welche der Angeklagte ſelbſt waͤhlt. Das Verhoͤr
ward in beiden Sprachen gefuͤhrt, und wenn in
der Verdeutſchung etwas dem Angeklagten Nach-
theiliges geſagt ward, nahm der Vertheidiger das
Wort, ſo wie der Dollmetſcher Bemerkungen
machte, wenn dem Deutſchen nachtheilige Wen-
dungen gebraucht wurden. Der Praͤſident, —
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/38>, abgerufen am 22.12.2024.
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