Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht würdiger wohnen, als in dem Hause einer
Familie, in der Geist und Güte so lange einwoh-
nend war. Mit dem ganzen Gefühl des unge-
heuern Ganges, den das Schicksal genommen
hat, ging ich vor dem Zimmer vorüber, wo ich
die alte Gräfin, von ihren Kindern froh umgeben,
gesehn hatte. -- -- Die Sache, welche eben vor
dem Tribunale verhandelt ward, hatte kein be-
sonderes Interesse; ein Franzose, wie es dem Na-
men und der Sprache nach schien, ward beschul-
digt, für die Befreiung eines Conscribirten dreißig
Louisd'or genommen zu haben. Der Kläger war
ein Deutscher, auch die Zeugen waren Deutsche.
Vor den Richtern neben den Secretairen stand der
Dollmetscher, -- ein Deutscher -- vor den Gra-
dins, um welche diese erhöht sitzen, saßen an ei-
nem Tische die beiden gerichtlichen Vertheidiger,
welche der Angeklagte selbst wählt. Das Verhör
ward in beiden Sprachen geführt, und wenn in
der Verdeutschung etwas dem Angeklagten Nach-
theiliges gesagt ward, nahm der Vertheidiger das
Wort, so wie der Dollmetscher Bemerkungen
machte, wenn dem Deutschen nachtheilige Wen-
dungen gebraucht wurden. Der Präsident, --
bei dieser Sitzung Krankheits halber nicht Reb-

nicht wuͤrdiger wohnen, als in dem Hauſe einer
Familie, in der Geiſt und Guͤte ſo lange einwoh-
nend war. Mit dem ganzen Gefuͤhl des unge-
heuern Ganges, den das Schickſal genommen
hat, ging ich vor dem Zimmer voruͤber, wo ich
die alte Graͤfin, von ihren Kindern froh umgeben,
geſehn hatte. — — Die Sache, welche eben vor
dem Tribunale verhandelt ward, hatte kein be-
ſonderes Intereſſe; ein Franzoſe, wie es dem Na-
men und der Sprache nach ſchien, ward beſchul-
digt, fuͤr die Befreiung eines Conſcribirten dreißig
Louisd’or genommen zu haben. Der Klaͤger war
ein Deutſcher, auch die Zeugen waren Deutſche.
Vor den Richtern neben den Secretairen ſtand der
Dollmetſcher, — ein Deutſcher — vor den Gra-
dins, um welche dieſe erhoͤht ſitzen, ſaßen an ei-
nem Tiſche die beiden gerichtlichen Vertheidiger,
welche der Angeklagte ſelbſt waͤhlt. Das Verhoͤr
ward in beiden Sprachen gefuͤhrt, und wenn in
der Verdeutſchung etwas dem Angeklagten Nach-
theiliges geſagt ward, nahm der Vertheidiger das
Wort, ſo wie der Dollmetſcher Bemerkungen
machte, wenn dem Deutſchen nachtheilige Wen-
dungen gebraucht wurden. Der Praͤſident, —
bei dieſer Sitzung Krankheits halber nicht Reb-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0038" n="24"/>
nicht wu&#x0364;rdiger wohnen, als in dem Hau&#x017F;e einer<lb/>
Familie, in der Gei&#x017F;t und Gu&#x0364;te &#x017F;o lange einwoh-<lb/>
nend war. Mit dem ganzen Gefu&#x0364;hl des unge-<lb/>
heuern Ganges, den das Schick&#x017F;al genommen<lb/>
hat, ging ich vor dem Zimmer voru&#x0364;ber, wo ich<lb/>
die alte Gra&#x0364;fin, von ihren Kindern froh umgeben,<lb/>
ge&#x017F;ehn hatte. &#x2014; &#x2014; Die Sache, welche eben vor<lb/>
dem Tribunale verhandelt ward, hatte kein be-<lb/>
&#x017F;onderes Intere&#x017F;&#x017F;e; ein Franzo&#x017F;e, wie es dem Na-<lb/>
men und der Sprache nach &#x017F;chien, ward be&#x017F;chul-<lb/>
digt, fu&#x0364;r die Befreiung eines Con&#x017F;cribirten dreißig<lb/>
Louisd&#x2019;or genommen zu haben. Der Kla&#x0364;ger war<lb/>
ein Deut&#x017F;cher, auch die Zeugen waren Deut&#x017F;che.<lb/>
Vor den Richtern neben den Secretairen &#x017F;tand der<lb/>
Dollmet&#x017F;cher, &#x2014; ein Deut&#x017F;cher &#x2014; vor den Gra-<lb/>
dins, um welche die&#x017F;e erho&#x0364;ht &#x017F;itzen, &#x017F;aßen an ei-<lb/>
nem Ti&#x017F;che die beiden gerichtlichen Vertheidiger,<lb/>
welche der Angeklagte &#x017F;elb&#x017F;t wa&#x0364;hlt. Das Verho&#x0364;r<lb/>
ward in beiden Sprachen gefu&#x0364;hrt, und wenn in<lb/>
der Verdeut&#x017F;chung etwas dem Angeklagten Nach-<lb/>
theiliges ge&#x017F;agt ward, nahm der Vertheidiger das<lb/>
Wort, &#x017F;o wie der Dollmet&#x017F;cher Bemerkungen<lb/>
machte, wenn dem Deut&#x017F;chen nachtheilige Wen-<lb/>
dungen gebraucht wurden. Der Pra&#x0364;&#x017F;ident, &#x2014;<lb/>
bei die&#x017F;er Sitzung Krankheits halber nicht Reb-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0038] nicht wuͤrdiger wohnen, als in dem Hauſe einer Familie, in der Geiſt und Guͤte ſo lange einwoh- nend war. Mit dem ganzen Gefuͤhl des unge- heuern Ganges, den das Schickſal genommen hat, ging ich vor dem Zimmer voruͤber, wo ich die alte Graͤfin, von ihren Kindern froh umgeben, geſehn hatte. — — Die Sache, welche eben vor dem Tribunale verhandelt ward, hatte kein be- ſonderes Intereſſe; ein Franzoſe, wie es dem Na- men und der Sprache nach ſchien, ward beſchul- digt, fuͤr die Befreiung eines Conſcribirten dreißig Louisd’or genommen zu haben. Der Klaͤger war ein Deutſcher, auch die Zeugen waren Deutſche. Vor den Richtern neben den Secretairen ſtand der Dollmetſcher, — ein Deutſcher — vor den Gra- dins, um welche dieſe erhoͤht ſitzen, ſaßen an ei- nem Tiſche die beiden gerichtlichen Vertheidiger, welche der Angeklagte ſelbſt waͤhlt. Das Verhoͤr ward in beiden Sprachen gefuͤhrt, und wenn in der Verdeutſchung etwas dem Angeklagten Nach- theiliges geſagt ward, nahm der Vertheidiger das Wort, ſo wie der Dollmetſcher Bemerkungen machte, wenn dem Deutſchen nachtheilige Wen- dungen gebraucht wurden. Der Praͤſident, — bei dieſer Sitzung Krankheits halber nicht Reb-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/38
Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/38>, abgerufen am 22.12.2024.