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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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Sammelplatz bestimmten, als sie, ihren Vater zu
rächen, die Ermordung Morizens von Nassau be-
schlossen hatten. Hart am Wege liegt ein Land-
gut, das ehedem Olden Barnweld bewohnte. --
Es ist immer eine eigene Empfindung, Orte, die
man nur mit großen tragischen Begebenheiten zu-
gleich nennen hörte, so still vom Lichte der Sonne
umflossen, mit allen Ausmahlungen eines behag-
lichen Alltaglebens ausstaffirt zu sehen. Im Haag
stand ich mit eben diesen Betrachtungen beschäf-
tigt, auf der Stelle, wo van der Witte, ein Opfer
der Volkswuth fiel, die nicht einmal die Form
des Gesetzes zu bedürfen glaubte. Es gingen
Mägde mit Gemüskörben darüber, es spielten
Knaben da -- freilich wusch des Himmels Re-
gen das vergossene Blut von den Steinen, freilich
würde ja das Ohr keine Freudentöne aufnehmen
können, wenn die des Jammers nicht so bald ver-
hallten -- aber doch lächelt man schmerzlich, wenn
die Menschen sogar vieles vergessen. --

Delft ist ein sehr netter, lebendiger Ort. Ich
hielt mich einige Augenblicke bei dem Prinzenhause
auf, wo Wilhelm von Oranien ermordet ward.
Hätte jene Geschichte doch nicht die viele Beimi-
schung von Religionseifer! Das ist eine Zuthat,

Sammelplatz beſtimmten, als ſie, ihren Vater zu
raͤchen, die Ermordung Morizens von Naſſau be-
ſchloſſen hatten. Hart am Wege liegt ein Land-
gut, das ehedem Olden Barnweld bewohnte. —
Es iſt immer eine eigene Empfindung, Orte, die
man nur mit großen tragiſchen Begebenheiten zu-
gleich nennen hoͤrte, ſo ſtill vom Lichte der Sonne
umfloſſen, mit allen Ausmahlungen eines behag-
lichen Alltaglebens ausſtaffirt zu ſehen. Im Haag
ſtand ich mit eben dieſen Betrachtungen beſchaͤf-
tigt, auf der Stelle, wo van der Witte, ein Opfer
der Volkswuth fiel, die nicht einmal die Form
des Geſetzes zu beduͤrfen glaubte. Es gingen
Maͤgde mit Gemuͤskoͤrben daruͤber, es ſpielten
Knaben da — freilich wuſch des Himmels Re-
gen das vergoſſene Blut von den Steinen, freilich
wuͤrde ja das Ohr keine Freudentoͤne aufnehmen
koͤnnen, wenn die des Jammers nicht ſo bald ver-
hallten — aber doch laͤchelt man ſchmerzlich, wenn
die Menſchen ſogar vieles vergeſſen. —

Delft iſt ein ſehr netter, lebendiger Ort. Ich
hielt mich einige Augenblicke bei dem Prinzenhauſe
auf, wo Wilhelm von Oranien ermordet ward.
Haͤtte jene Geſchichte doch nicht die viele Beimi-
ſchung von Religionseifer! Das iſt eine Zuthat,

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[350/0364] Sammelplatz beſtimmten, als ſie, ihren Vater zu raͤchen, die Ermordung Morizens von Naſſau be- ſchloſſen hatten. Hart am Wege liegt ein Land- gut, das ehedem Olden Barnweld bewohnte. — Es iſt immer eine eigene Empfindung, Orte, die man nur mit großen tragiſchen Begebenheiten zu- gleich nennen hoͤrte, ſo ſtill vom Lichte der Sonne umfloſſen, mit allen Ausmahlungen eines behag- lichen Alltaglebens ausſtaffirt zu ſehen. Im Haag ſtand ich mit eben dieſen Betrachtungen beſchaͤf- tigt, auf der Stelle, wo van der Witte, ein Opfer der Volkswuth fiel, die nicht einmal die Form des Geſetzes zu beduͤrfen glaubte. Es gingen Maͤgde mit Gemuͤskoͤrben daruͤber, es ſpielten Knaben da — freilich wuſch des Himmels Re- gen das vergoſſene Blut von den Steinen, freilich wuͤrde ja das Ohr keine Freudentoͤne aufnehmen koͤnnen, wenn die des Jammers nicht ſo bald ver- hallten — aber doch laͤchelt man ſchmerzlich, wenn die Menſchen ſogar vieles vergeſſen. — Delft iſt ein ſehr netter, lebendiger Ort. Ich hielt mich einige Augenblicke bei dem Prinzenhauſe auf, wo Wilhelm von Oranien ermordet ward. Haͤtte jene Geſchichte doch nicht die viele Beimi- ſchung von Religionseifer! Das iſt eine Zuthat,

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/364>, abgerufen am 24.11.2024.