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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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stade. So saß ich einst manche Stunde an dem
stillen Neufchateller See, und sah den Mond über
den Schneebergen einherwandeln. --

Von den Bettlern wirklich verjagt, gingen wir
den Strand immer weiter nach Norden hinab, bis
sie zurückblieben, einen zerlumpten Knaben aus-
genommen, der sich beharrlich vorgesetzt hatte,
unser Cicerone zu seyn. So verhaßt mir diese
Störung war, konnte ich doch endlich dem Lachen
nicht widerstehen, wie der Bursche unermüdlich
war, mir alle die Gegenstände, welche meine Auf-
merksamkeit beschäftigten, zu erklären. Ich sprach
lebhaft mit meinem Gefährten in seiner Sprache,
und zeigte auf das Meer hin, das wir jetzt, in-
dem wir die Dünen hinan kletterten, weiter über-
sahen. Die Gegenstände auffassend, auf die ich
deutete, machten seine Auslegungen mit unserm
Gespräch einen so barocken Contrast, daß mein
Unwille über die Störung nur von meiner Lach-
lust aufgewogen werden konnte. Es war fast
sechs Uhr, die Sonne, bereit in die Fluthen zu
tauchen, durchbrach noch einmal die Wolken,
färbte ihren Weg golden, und die Höhe über sich
mit dunkelm tiefen Blau. -- Nach Norden und
Süden thürmten sich schwarze Dunstgebirge. Nun

ſtade. So ſaß ich einſt manche Stunde an dem
ſtillen Neufchateller See, und ſah den Mond uͤber
den Schneebergen einherwandeln. —

Von den Bettlern wirklich verjagt, gingen wir
den Strand immer weiter nach Norden hinab, bis
ſie zuruͤckblieben, einen zerlumpten Knaben aus-
genommen, der ſich beharrlich vorgeſetzt hatte,
unſer Cicerone zu ſeyn. So verhaßt mir dieſe
Stoͤrung war, konnte ich doch endlich dem Lachen
nicht widerſtehen, wie der Burſche unermuͤdlich
war, mir alle die Gegenſtaͤnde, welche meine Auf-
merkſamkeit beſchaͤftigten, zu erklaͤren. Ich ſprach
lebhaft mit meinem Gefaͤhrten in ſeiner Sprache,
und zeigte auf das Meer hin, das wir jetzt, in-
dem wir die Duͤnen hinan kletterten, weiter uͤber-
ſahen. Die Gegenſtaͤnde auffaſſend, auf die ich
deutete, machten ſeine Auslegungen mit unſerm
Geſpraͤch einen ſo barocken Contraſt, daß mein
Unwille uͤber die Stoͤrung nur von meiner Lach-
luſt aufgewogen werden konnte. Es war faſt
ſechs Uhr, die Sonne, bereit in die Fluthen zu
tauchen, durchbrach noch einmal die Wolken,
faͤrbte ihren Weg golden, und die Hoͤhe uͤber ſich
mit dunkelm tiefen Blau. — Nach Norden und
Suͤden thuͤrmten ſich ſchwarze Dunſtgebirge. Nun

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[347/0361] ſtade. So ſaß ich einſt manche Stunde an dem ſtillen Neufchateller See, und ſah den Mond uͤber den Schneebergen einherwandeln. — Von den Bettlern wirklich verjagt, gingen wir den Strand immer weiter nach Norden hinab, bis ſie zuruͤckblieben, einen zerlumpten Knaben aus- genommen, der ſich beharrlich vorgeſetzt hatte, unſer Cicerone zu ſeyn. So verhaßt mir dieſe Stoͤrung war, konnte ich doch endlich dem Lachen nicht widerſtehen, wie der Burſche unermuͤdlich war, mir alle die Gegenſtaͤnde, welche meine Auf- merkſamkeit beſchaͤftigten, zu erklaͤren. Ich ſprach lebhaft mit meinem Gefaͤhrten in ſeiner Sprache, und zeigte auf das Meer hin, das wir jetzt, in- dem wir die Duͤnen hinan kletterten, weiter uͤber- ſahen. Die Gegenſtaͤnde auffaſſend, auf die ich deutete, machten ſeine Auslegungen mit unſerm Geſpraͤch einen ſo barocken Contraſt, daß mein Unwille uͤber die Stoͤrung nur von meiner Lach- luſt aufgewogen werden konnte. Es war faſt ſechs Uhr, die Sonne, bereit in die Fluthen zu tauchen, durchbrach noch einmal die Wolken, faͤrbte ihren Weg golden, und die Hoͤhe uͤber ſich mit dunkelm tiefen Blau. — Nach Norden und Suͤden thuͤrmten ſich ſchwarze Dunſtgebirge. Nun

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/361>, abgerufen am 24.11.2024.