che so leicht schlichtet, und alle Rechte so klar aus- einander setzt, den wir aber auf die armen gekrön- ten Häupter am wenigsten anwenden, und langte im Haag an. Die Stadt war recht artig erleuch- tet, und schien mir bei Laternenlichte recht hübsch; aber so einen überraschenden Anblick hatte ich nicht erwartet, wie mir der nächste Morgen darbot. Es war schöner Sonnenschein -- ich erblickte vor mir ein klares, großes, viereckigtes Wasserbecken, dessen Flut ein belebender Herbstwind kräuselte; in seiner Mitte lag eine kleine mit Pappeln bepflanz- te Insel, die einer Menge Schwänen zum Aufent- halt diente. Still und wohlgefällig gleiteten diese schönen Thiere über die silberne Wasserfläche; die Sonne warf den Schatten der schönen Gebäude am östlichen Ufer in scharfen Umrissen auf die stille Flut und färbte die herbstlichen Blätter der präch- tigen Bäume, die westlich des Pfeifenbergs -- so heißt der Spaziergang am Ufer des Wassers -- beschatteten, mit goldenem Schimmer. Die Glok- kenspiele der Thürme ertönten dabei, und die Häu- ser, die ich links die Straße hinab und rechts durch die Bäume schimmern sah, trugen alle das Gepräge der Festigkeit und des Wohlstandes. Ich war recht begierig, in dieser einladenden Stadt
che ſo leicht ſchlichtet, und alle Rechte ſo klar aus- einander ſetzt, den wir aber auf die armen gekroͤn- ten Haͤupter am wenigſten anwenden, und langte im Haag an. Die Stadt war recht artig erleuch- tet, und ſchien mir bei Laternenlichte recht huͤbſch; aber ſo einen uͤberraſchenden Anblick hatte ich nicht erwartet, wie mir der naͤchſte Morgen darbot. Es war ſchoͤner Sonnenſchein — ich erblickte vor mir ein klares, großes, viereckigtes Waſſerbecken, deſſen Flut ein belebender Herbſtwind kraͤuſelte; in ſeiner Mitte lag eine kleine mit Pappeln bepflanz- te Inſel, die einer Menge Schwaͤnen zum Aufent- halt diente. Still und wohlgefaͤllig gleiteten dieſe ſchoͤnen Thiere uͤber die ſilberne Waſſerflaͤche; die Sonne warf den Schatten der ſchoͤnen Gebaͤude am oͤſtlichen Ufer in ſcharfen Umriſſen auf die ſtille Flut und faͤrbte die herbſtlichen Blaͤtter der praͤch- tigen Baͤume, die weſtlich des Pfeifenbergs — ſo heißt der Spaziergang am Ufer des Waſſers — beſchatteten, mit goldenem Schimmer. Die Glok- kenſpiele der Thuͤrme ertoͤnten dabei, und die Haͤu- ſer, die ich links die Straße hinab und rechts durch die Baͤume ſchimmern ſah, trugen alle das Gepraͤge der Feſtigkeit und des Wohlſtandes. Ich war recht begierig, in dieſer einladenden Stadt
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che ſo leicht ſchlichtet, und alle Rechte ſo klar aus-
einander ſetzt, den wir aber auf die armen gekroͤn-
ten Haͤupter am wenigſten anwenden, und langte
im Haag an. Die Stadt war recht artig erleuch-
tet, und ſchien mir bei Laternenlichte recht huͤbſch;
aber ſo einen uͤberraſchenden Anblick hatte ich nicht
erwartet, wie mir der naͤchſte Morgen darbot.
Es war ſchoͤner Sonnenſchein — ich erblickte vor
mir ein klares, großes, viereckigtes Waſſerbecken,
deſſen Flut ein belebender Herbſtwind kraͤuſelte; in
ſeiner Mitte lag eine kleine mit Pappeln bepflanz-
te Inſel, die einer Menge Schwaͤnen zum Aufent-
halt diente. Still und wohlgefaͤllig gleiteten dieſe
ſchoͤnen Thiere uͤber die ſilberne Waſſerflaͤche; die
Sonne warf den Schatten der ſchoͤnen Gebaͤude
am oͤſtlichen Ufer in ſcharfen Umriſſen auf die ſtille
Flut und faͤrbte die herbſtlichen Blaͤtter der praͤch-
tigen Baͤume, die weſtlich des Pfeifenbergs — ſo
heißt der Spaziergang am Ufer des Waſſers —
beſchatteten, mit goldenem Schimmer. Die Glok-
kenſpiele der Thuͤrme ertoͤnten dabei, und die Haͤu-
ſer, die ich links die Straße hinab und rechts
durch die Baͤume ſchimmern ſah, trugen alle das
Gepraͤge der Feſtigkeit und des Wohlſtandes. Ich
war recht begierig, in dieſer einladenden Stadt
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/333>, abgerufen am 24.11.2024.
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