Vorgang in Leyden erregte. Mir hat die wenige Theilnahme, das schnelle Vergessen an diesem, mißfallen. Im Auslande meine ich, denn die braven Holländer haben geholfen, wie sie auf ih- rem Wege dem Gemeinwesen immer zu helfen suchen, mit freigebiger Großmuth, und der gute König that was er konnte, also unendlich viel. Er gab nicht blos, sondern eilte bei der ersten Nachricht auf den Schauplatz des Unglücks, und tröstete die geängstete Stadt durch seine Gegen- wart und seine persönliche Sorgfalt für die Heim- losen und Beraubten. Außer den ersten Zeitungs- nachrichten haben wir Ausländer Leyden lassen auffliegen so hoch es wollte, indeß wir Geldau von allen schönen Künsten darstellen und entstellen ließen, in Versen, Pappdeckel und Farben. Das ist sehr schön, aber Gefühl und Vernunft möchte doch wohl bei dem Leydener Unglück eben so ernst ergriffen seyn. Schon daß Geldau durch eine Wirkung der Naturkräfte zerstört ward, macht alle die Darstellungen kleinlich. Gott wirkte -- und ich möchte nur auf den Trümmern knieen und schweigen. Bey dem Unglück in Leyden sind eine solche Menge Mittelglieder zwischen dem hohen Schicksalswillen und seiner furchtbaren Vollzie-
Vorgang in Leyden erregte. Mir hat die wenige Theilnahme, das ſchnelle Vergeſſen an dieſem, mißfallen. Im Auslande meine ich, denn die braven Hollaͤnder haben geholfen, wie ſie auf ih- rem Wege dem Gemeinweſen immer zu helfen ſuchen, mit freigebiger Großmuth, und der gute Koͤnig that was er konnte, alſo unendlich viel. Er gab nicht blos, ſondern eilte bei der erſten Nachricht auf den Schauplatz des Ungluͤcks, und troͤſtete die geaͤngſtete Stadt durch ſeine Gegen- wart und ſeine perſoͤnliche Sorgfalt fuͤr die Heim- loſen und Beraubten. Außer den erſten Zeitungs- nachrichten haben wir Auslaͤnder Leyden laſſen auffliegen ſo hoch es wollte, indeß wir Geldau von allen ſchoͤnen Kuͤnſten darſtellen und entſtellen ließen, in Verſen, Pappdeckel und Farben. Das iſt ſehr ſchoͤn, aber Gefuͤhl und Vernunft moͤchte doch wohl bei dem Leydener Ungluͤck eben ſo ernſt ergriffen ſeyn. Schon daß Geldau durch eine Wirkung der Naturkraͤfte zerſtoͤrt ward, macht alle die Darſtellungen kleinlich. Gott wirkte — und ich moͤchte nur auf den Truͤmmern knieen und ſchweigen. Bey dem Ungluͤck in Leyden ſind eine ſolche Menge Mittelglieder zwiſchen dem hohen Schickſalswillen und ſeiner furchtbaren Vollzie-
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Vorgang in Leyden erregte. Mir hat die wenige
Theilnahme, das ſchnelle Vergeſſen an dieſem,
mißfallen. Im Auslande meine ich, denn die
braven Hollaͤnder haben geholfen, wie ſie auf ih-
rem Wege dem Gemeinweſen immer zu helfen
ſuchen, mit freigebiger Großmuth, und der gute
Koͤnig that was er konnte, alſo unendlich viel.
Er gab nicht blos, ſondern eilte bei der erſten
Nachricht auf den Schauplatz des Ungluͤcks, und
troͤſtete die geaͤngſtete Stadt durch ſeine Gegen-
wart und ſeine perſoͤnliche Sorgfalt fuͤr die Heim-
loſen und Beraubten. Außer den erſten Zeitungs-
nachrichten haben wir Auslaͤnder Leyden laſſen
auffliegen ſo hoch es wollte, indeß wir Geldau
von allen ſchoͤnen Kuͤnſten darſtellen und entſtellen
ließen, in Verſen, Pappdeckel und Farben. Das
iſt ſehr ſchoͤn, aber Gefuͤhl und Vernunft moͤchte
doch wohl bei dem Leydener Ungluͤck eben ſo ernſt
ergriffen ſeyn. Schon daß Geldau durch eine
Wirkung der Naturkraͤfte zerſtoͤrt ward, macht
alle die Darſtellungen kleinlich. Gott wirkte —
und ich moͤchte nur auf den Truͤmmern knieen und
ſchweigen. Bey dem Ungluͤck in Leyden ſind eine
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/326>, abgerufen am 24.11.2024.
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