Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811."zücken aus, das ich empfand, indem ich diese *) Dieser allgemein geschätzte Mann, der mit seiner Sat-
tin und der ganzen Familie seines Schwagers in demsel- ben Zimmer war, ward wahrscheinlich von dem Kamin an den ihn seine Frau bei der Explosion gelehnt sah, zer- schmettert. Diese Unglückliche, die über die Hälfte ihrer ersten Schwangerschaft war, verließ die ganze Nacht die Trümmer nicht, ließ vor ihren Augen wühlen und wüh- len, und horchte unter dem Geräusch der Grabenden nach dem Röcheln ihres sterbenden Geliebten. O die Gottheit muß einen Balsam haben für jede Wunde, da sie einem zarten weiblichen Herzen die Kraft gab, so eine Nacht zu überleben. Diese edeln Gatten liebten sich viele Jahre lang, ihre Treue überwand alle Hindernisse, nur erst seit Kurzem waren sie vereint. Der König hat „zuͤcken aus, das ich empfand, indem ich dieſe *) Dieſer allgemein geſchaͤtzte Mann, der mit ſeiner Sat-
tin und der ganzen Familie ſeines Schwagers in demſel- ben Zimmer war, ward wahrſcheinlich von dem Kamin an den ihn ſeine Frau bei der Exploſion gelehnt ſah, zer- ſchmettert. Dieſe Ungluͤckliche, die uͤber die Haͤlfte ihrer erſten Schwangerſchaft war, verließ die ganze Nacht die Truͤmmer nicht, ließ vor ihren Augen wuͤhlen und wuͤh- len, und horchte unter dem Geraͤuſch der Grabenden nach dem Roͤcheln ihres ſterbenden Geliebten. O die Gottheit muß einen Balſam haben fuͤr jede Wunde, da ſie einem zarten weiblichen Herzen die Kraft gab, ſo eine Nacht zu uͤberleben. Dieſe edeln Gatten liebten ſich viele Jahre lang, ihre Treue uͤberwand alle Hinderniſſe, nur erſt ſeit Kurzem waren ſie vereint. Der Koͤnig hat <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0323" n="309"/> „zuͤcken aus, das ich empfand, indem ich dieſe<lb/> „Hand faßte! alles andere war leicht. Man ver-<lb/> „groͤßerte die Oeffnung, und bald zog ich, zuerſt<lb/> „das Kind, dann ſeine Mutter, und endlich Ma-<lb/> „dame * *, meines Freundes Schwaͤgerin, her-<lb/> „vor. Doch dieſe letzte, ſtieg ſie gleich lebend aus<lb/> „dieſer Gruft, ließ ihr Theuerſtes auf Erden in<lb/> „ihr zuruͤck. Welch ſchreckliches Schauſpiel war<lb/> „dieſe ganze Nacht durch der Schmerz dieſes un-<lb/> „gluͤcklichen Weibes! Sie wiſſen, daß wir Herrn<lb/> „von * * erſt ſehr ſpaͤt in der Nacht, und todt<lb/> „heraus gruben <note xml:id="note-0323" next="#note-0324" place="foot" n="*)">Dieſer allgemein geſchaͤtzte Mann, der mit ſeiner Sat-<lb/> tin und der ganzen Familie ſeines Schwagers in demſel-<lb/> ben Zimmer war, ward wahrſcheinlich von dem Kamin<lb/> an den ihn ſeine Frau bei der Exploſion gelehnt ſah, zer-<lb/> ſchmettert. Dieſe Ungluͤckliche, die uͤber die Haͤlfte ihrer<lb/> erſten Schwangerſchaft war, verließ die ganze Nacht die<lb/> Truͤmmer nicht, ließ vor ihren Augen wuͤhlen und wuͤh-<lb/> len, und horchte unter dem Geraͤuſch der Grabenden<lb/> nach dem Roͤcheln ihres ſterbenden Geliebten. O die<lb/> Gottheit muß einen Balſam haben fuͤr jede Wunde, da<lb/> ſie einem zarten weiblichen Herzen die Kraft gab, ſo eine<lb/> Nacht zu uͤberleben. Dieſe edeln Gatten liebten ſich<lb/> viele Jahre lang, ihre Treue uͤberwand alle Hinderniſſe,<lb/> nur erſt ſeit Kurzem waren ſie vereint. Der Koͤnig hat</note>. Sein Bedienter, und drei<lb/> „Maͤgde des Hauſes wurden gerettet, und leben.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [309/0323]
„zuͤcken aus, das ich empfand, indem ich dieſe
„Hand faßte! alles andere war leicht. Man ver-
„groͤßerte die Oeffnung, und bald zog ich, zuerſt
„das Kind, dann ſeine Mutter, und endlich Ma-
„dame * *, meines Freundes Schwaͤgerin, her-
„vor. Doch dieſe letzte, ſtieg ſie gleich lebend aus
„dieſer Gruft, ließ ihr Theuerſtes auf Erden in
„ihr zuruͤck. Welch ſchreckliches Schauſpiel war
„dieſe ganze Nacht durch der Schmerz dieſes un-
„gluͤcklichen Weibes! Sie wiſſen, daß wir Herrn
„von * * erſt ſehr ſpaͤt in der Nacht, und todt
„heraus gruben *). Sein Bedienter, und drei
„Maͤgde des Hauſes wurden gerettet, und leben.
*) Dieſer allgemein geſchaͤtzte Mann, der mit ſeiner Sat-
tin und der ganzen Familie ſeines Schwagers in demſel-
ben Zimmer war, ward wahrſcheinlich von dem Kamin
an den ihn ſeine Frau bei der Exploſion gelehnt ſah, zer-
ſchmettert. Dieſe Ungluͤckliche, die uͤber die Haͤlfte ihrer
erſten Schwangerſchaft war, verließ die ganze Nacht die
Truͤmmer nicht, ließ vor ihren Augen wuͤhlen und wuͤh-
len, und horchte unter dem Geraͤuſch der Grabenden
nach dem Roͤcheln ihres ſterbenden Geliebten. O die
Gottheit muß einen Balſam haben fuͤr jede Wunde, da
ſie einem zarten weiblichen Herzen die Kraft gab, ſo eine
Nacht zu uͤberleben. Dieſe edeln Gatten liebten ſich
viele Jahre lang, ihre Treue uͤberwand alle Hinderniſſe,
nur erſt ſeit Kurzem waren ſie vereint. Der Koͤnig hat
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/323 |
Zitationshilfe: | Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/323>, abgerufen am 16.07.2024. |