-- welche Reihe von Gewaltthätigkeiten verflicht da nicht unsre Phantasie, von der Geschichte be- reichert, in ihre Lage. Nicht allein die Wohltha- ten der Ruhe und Sicherheit beschäftigten meine Betrachtungen, sondern auch alle die sanften Tu- genden und forschenden Wissenschaften die aus ih- nen entstehen. Ich stand in einer stürmischen Mondnacht an dem Fenster, und vertiefte mich in diese Betrachtungen, indeß mein Blick auf der Aussicht, die vor mir lag, ruhete. Den Tag über hatte mich das lebendige Treiben auf dem Kanal, und an dem gegenseitigen Ufer ungemein ergötzt. Von halb drei bis drei Uhr hatte ich mei- ne Aufmerksamkeit darauf gewendet, die Fahrzeu- ge zu zählen, die vor dem Fenster vorbei schifften, -- ich hatte in der halben Stunde dreizehn Schif- fe gezählt. Alles waren große Barken mit drei Seegeln, meistens mit Torf, Brettern und Säcken beladen -- die kleinen Kähne rechnete ich nicht mit. Jetzt nach Mitternacht herrschte eine allgemeine Stille; auf und ab dem Kanal lagen viele Fahrzeuge am Ufer, deren kleine Wimpel an der Spitze des Mastbaums bei den einzelnen Windstößen flatterten. Ihr sanftes Schwanken bewegte zuweilen das ruhige Wasser, daß es leise
— welche Reihe von Gewaltthaͤtigkeiten verflicht da nicht unſre Phantaſie, von der Geſchichte be- reichert, in ihre Lage. Nicht allein die Wohltha- ten der Ruhe und Sicherheit beſchaͤftigten meine Betrachtungen, ſondern auch alle die ſanften Tu- genden und forſchenden Wiſſenſchaften die aus ih- nen entſtehen. Ich ſtand in einer ſtuͤrmiſchen Mondnacht an dem Fenſter, und vertiefte mich in dieſe Betrachtungen, indeß mein Blick auf der Ausſicht, die vor mir lag, ruhete. Den Tag uͤber hatte mich das lebendige Treiben auf dem Kanal, und an dem gegenſeitigen Ufer ungemein ergoͤtzt. Von halb drei bis drei Uhr hatte ich mei- ne Aufmerkſamkeit darauf gewendet, die Fahrzeu- ge zu zaͤhlen, die vor dem Fenſter vorbei ſchifften, — ich hatte in der halben Stunde dreizehn Schif- fe gezaͤhlt. Alles waren große Barken mit drei Seegeln, meiſtens mit Torf, Brettern und Saͤcken beladen — die kleinen Kaͤhne rechnete ich nicht mit. Jetzt nach Mitternacht herrſchte eine allgemeine Stille; auf und ab dem Kanal lagen viele Fahrzeuge am Ufer, deren kleine Wimpel an der Spitze des Maſtbaums bei den einzelnen Windſtoͤßen flatterten. Ihr ſanftes Schwanken bewegte zuweilen das ruhige Waſſer, daß es leiſe
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0309"n="295"/>— welche Reihe von Gewaltthaͤtigkeiten verflicht<lb/>
da nicht unſre Phantaſie, von der Geſchichte be-<lb/>
reichert, in ihre Lage. Nicht allein die Wohltha-<lb/>
ten der Ruhe und Sicherheit beſchaͤftigten meine<lb/>
Betrachtungen, ſondern auch alle die ſanften Tu-<lb/>
genden und forſchenden Wiſſenſchaften die aus ih-<lb/>
nen entſtehen. Ich ſtand in einer ſtuͤrmiſchen<lb/>
Mondnacht an dem Fenſter, und vertiefte mich in<lb/>
dieſe Betrachtungen, indeß mein Blick auf der<lb/>
Ausſicht, die vor mir lag, ruhete. Den Tag<lb/>
uͤber hatte mich das lebendige Treiben auf dem<lb/>
Kanal, und an dem gegenſeitigen Ufer ungemein<lb/>
ergoͤtzt. Von halb drei bis drei Uhr hatte ich mei-<lb/>
ne Aufmerkſamkeit darauf gewendet, die Fahrzeu-<lb/>
ge zu zaͤhlen, die vor dem Fenſter vorbei ſchifften,<lb/>— ich hatte in der halben Stunde dreizehn Schif-<lb/>
fe gezaͤhlt. Alles waren große Barken mit drei<lb/>
Seegeln, meiſtens mit Torf, Brettern und<lb/>
Saͤcken beladen — die kleinen Kaͤhne rechnete ich<lb/>
nicht mit. Jetzt nach Mitternacht herrſchte eine<lb/>
allgemeine Stille; auf und ab dem Kanal lagen<lb/>
viele Fahrzeuge am Ufer, deren kleine Wimpel an<lb/>
der Spitze des Maſtbaums bei den einzelnen<lb/>
Windſtoͤßen flatterten. Ihr ſanftes Schwanken<lb/>
bewegte zuweilen das ruhige Waſſer, daß es leiſe<lb/></p></div></body></text></TEI>
[295/0309]
— welche Reihe von Gewaltthaͤtigkeiten verflicht
da nicht unſre Phantaſie, von der Geſchichte be-
reichert, in ihre Lage. Nicht allein die Wohltha-
ten der Ruhe und Sicherheit beſchaͤftigten meine
Betrachtungen, ſondern auch alle die ſanften Tu-
genden und forſchenden Wiſſenſchaften die aus ih-
nen entſtehen. Ich ſtand in einer ſtuͤrmiſchen
Mondnacht an dem Fenſter, und vertiefte mich in
dieſe Betrachtungen, indeß mein Blick auf der
Ausſicht, die vor mir lag, ruhete. Den Tag
uͤber hatte mich das lebendige Treiben auf dem
Kanal, und an dem gegenſeitigen Ufer ungemein
ergoͤtzt. Von halb drei bis drei Uhr hatte ich mei-
ne Aufmerkſamkeit darauf gewendet, die Fahrzeu-
ge zu zaͤhlen, die vor dem Fenſter vorbei ſchifften,
— ich hatte in der halben Stunde dreizehn Schif-
fe gezaͤhlt. Alles waren große Barken mit drei
Seegeln, meiſtens mit Torf, Brettern und
Saͤcken beladen — die kleinen Kaͤhne rechnete ich
nicht mit. Jetzt nach Mitternacht herrſchte eine
allgemeine Stille; auf und ab dem Kanal lagen
viele Fahrzeuge am Ufer, deren kleine Wimpel an
der Spitze des Maſtbaums bei den einzelnen
Windſtoͤßen flatterten. Ihr ſanftes Schwanken
bewegte zuweilen das ruhige Waſſer, daß es leiſe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/309>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.