te erst am dritten Tage ihre Rückkehr nach * * antreten. Da meine Gastfreunde auf keine so lange Abwesenheit von mir gerechnet hatten, schick- te ich meine Begleiterin mit ihrem Wagen nach * * zurück, und wir beiden Weiber, die kranke * * und ich blieben ganz allein. Wir geben wohl zu wenig auf die Vortheile Achtung, die uns in zahl- losen Fällen aus der jetzigen Kultur erwachsen, und deklamiren nur stets über das Verderbniß das sie erzeugt. Wir beiden Weiber befanden uns jetzt ganz allein, von allen Menschen, die durch per- sönliche Verhältnisse zu unserm Schutze aufgern- fen waren, auf mehrere Meilen entfernt, ohne Kenntniß der Landessprache vollkommen sicher und behaglich an diesem Ort, den wir beide zum ersten Mal sahen. Man könnte wohl noch hinzu setzen, daß ein Dutzend Meilen von uns der Feind stand, und demnach im ganzen Lande kriegerische Bewe- gungen gemacht wurden. Welche Gewohnheit von Gesetzmäßigkeit und Sittlichkeit gehört nicht dazu, um einen so ruhigen Zustand der Gesell- schaft hervor zu bringen! -- muß nicht, wo er besteht, einem Haufen Bösen Gelegenheit und Beispiel genommen seyn? Denke man sich so ver- einzelt zwei Frauen im funfzehnten Jahrhundert,
te erſt am dritten Tage ihre Ruͤckkehr nach * * antreten. Da meine Gaſtfreunde auf keine ſo lange Abweſenheit von mir gerechnet hatten, ſchick- te ich meine Begleiterin mit ihrem Wagen nach * * zuruͤck, und wir beiden Weiber, die kranke * * und ich blieben ganz allein. Wir geben wohl zu wenig auf die Vortheile Achtung, die uns in zahl- loſen Faͤllen aus der jetzigen Kultur erwachſen, und deklamiren nur ſtets uͤber das Verderbniß das ſie erzeugt. Wir beiden Weiber befanden uns jetzt ganz allein, von allen Menſchen, die durch per- ſoͤnliche Verhaͤltniſſe zu unſerm Schutze aufgern- fen waren, auf mehrere Meilen entfernt, ohne Kenntniß der Landesſprache vollkommen ſicher und behaglich an dieſem Ort, den wir beide zum erſten Mal ſahen. Man koͤnnte wohl noch hinzu ſetzen, daß ein Dutzend Meilen von uns der Feind ſtand, und demnach im ganzen Lande kriegeriſche Bewe- gungen gemacht wurden. Welche Gewohnheit von Geſetzmaͤßigkeit und Sittlichkeit gehoͤrt nicht dazu, um einen ſo ruhigen Zuſtand der Geſell- ſchaft hervor zu bringen! — muß nicht, wo er beſteht, einem Haufen Boͤſen Gelegenheit und Beiſpiel genommen ſeyn? Denke man ſich ſo ver- einzelt zwei Frauen im funfzehnten Jahrhundert,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0308"n="294"/>
te erſt am dritten Tage ihre Ruͤckkehr nach * *<lb/>
antreten. Da meine Gaſtfreunde auf keine ſo<lb/>
lange Abweſenheit von mir gerechnet hatten, ſchick-<lb/>
te ich meine Begleiterin mit ihrem Wagen nach<lb/>
* * zuruͤck, und wir beiden Weiber, die kranke * *<lb/>
und ich blieben ganz allein. Wir geben wohl zu<lb/>
wenig auf die Vortheile Achtung, die uns in zahl-<lb/>
loſen Faͤllen aus der jetzigen Kultur erwachſen, und<lb/>
deklamiren nur ſtets uͤber das Verderbniß das ſie<lb/>
erzeugt. Wir beiden Weiber befanden uns jetzt<lb/>
ganz allein, von allen Menſchen, die durch per-<lb/>ſoͤnliche Verhaͤltniſſe zu unſerm Schutze aufgern-<lb/>
fen waren, auf mehrere Meilen entfernt, ohne<lb/>
Kenntniß der Landesſprache vollkommen ſicher und<lb/>
behaglich an dieſem Ort, den wir beide zum erſten<lb/>
Mal ſahen. Man koͤnnte wohl noch hinzu ſetzen,<lb/>
daß ein Dutzend Meilen von uns der Feind ſtand,<lb/>
und demnach im ganzen Lande kriegeriſche Bewe-<lb/>
gungen gemacht wurden. Welche Gewohnheit<lb/>
von Geſetzmaͤßigkeit und Sittlichkeit gehoͤrt nicht<lb/>
dazu, um einen ſo ruhigen Zuſtand der Geſell-<lb/>ſchaft hervor zu bringen! — muß nicht, wo er<lb/>
beſteht, einem Haufen Boͤſen Gelegenheit und<lb/>
Beiſpiel genommen ſeyn? Denke man ſich ſo ver-<lb/>
einzelt zwei Frauen im funfzehnten Jahrhundert,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[294/0308]
te erſt am dritten Tage ihre Ruͤckkehr nach * *
antreten. Da meine Gaſtfreunde auf keine ſo
lange Abweſenheit von mir gerechnet hatten, ſchick-
te ich meine Begleiterin mit ihrem Wagen nach
* * zuruͤck, und wir beiden Weiber, die kranke * *
und ich blieben ganz allein. Wir geben wohl zu
wenig auf die Vortheile Achtung, die uns in zahl-
loſen Faͤllen aus der jetzigen Kultur erwachſen, und
deklamiren nur ſtets uͤber das Verderbniß das ſie
erzeugt. Wir beiden Weiber befanden uns jetzt
ganz allein, von allen Menſchen, die durch per-
ſoͤnliche Verhaͤltniſſe zu unſerm Schutze aufgern-
fen waren, auf mehrere Meilen entfernt, ohne
Kenntniß der Landesſprache vollkommen ſicher und
behaglich an dieſem Ort, den wir beide zum erſten
Mal ſahen. Man koͤnnte wohl noch hinzu ſetzen,
daß ein Dutzend Meilen von uns der Feind ſtand,
und demnach im ganzen Lande kriegeriſche Bewe-
gungen gemacht wurden. Welche Gewohnheit
von Geſetzmaͤßigkeit und Sittlichkeit gehoͤrt nicht
dazu, um einen ſo ruhigen Zuſtand der Geſell-
ſchaft hervor zu bringen! — muß nicht, wo er
beſteht, einem Haufen Boͤſen Gelegenheit und
Beiſpiel genommen ſeyn? Denke man ſich ſo ver-
einzelt zwei Frauen im funfzehnten Jahrhundert,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/308>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.