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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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gen einst so heftig auf den allgemeinen Wohlstand
wirken, daß die Bewohner -- nur eines Distrikts,
aus Armuth, aus Ueberdruß, oder weil ein höhe-
res, wenn auch nur momentanes Interesse sie fort-
riß, ihr Deichgeschäft nicht zu betreiben, so würde
sich bald eine Verwüstung über dieses Land ver-
breiten, deren Fortschritt nicht zu berechnen wäre.
Ich glaube nicht, daß der Wille und die Macht
der Regierung den Gemeingeist, der jetzt dieses
künstlich erschaffne Land künstlich erhält, ersetzen
könnte. Ihre besoldeten Werkzeuge hätten nicht
den Eifer den allgemeiner Vortheil dem Privatbe-
sitzer einflößt, und das lange Recht sich selbst zu
berathen, würde statt Eifer für das allgemeine
Beste, Uebelwollen gegen den aufgedrungenen Be-
rather einflößen; Leidenschaft träte an die Stelle
der ruhigen Sorgfalt, welche die feindlichen Ele-
mente bis jetzt in Zaum hielt, und wir könntens
vielleicht noch erleben, daß sich da ein faules Meer
verbreitete, wo jetzt frohe Menschen leben, und
lachende Triften sich ausbreiten.

Wir kamen so früh in Jagersdorf an, daß uns
Zeit blieb, die Gegend zu besehen. Wir ließen
uns den Leck hinunter fahren bis Almeiden, einem
netten Dorfe von lauter Weiden umgeben. In

gen einſt ſo heftig auf den allgemeinen Wohlſtand
wirken, daß die Bewohner — nur eines Diſtrikts,
aus Armuth, aus Ueberdruß, oder weil ein hoͤhe-
res, wenn auch nur momentanes Intereſſe ſie fort-
riß, ihr Deichgeſchaͤft nicht zu betreiben, ſo wuͤrde
ſich bald eine Verwuͤſtung uͤber dieſes Land ver-
breiten, deren Fortſchritt nicht zu berechnen waͤre.
Ich glaube nicht, daß der Wille und die Macht
der Regierung den Gemeingeiſt, der jetzt dieſes
kuͤnſtlich erſchaffne Land kuͤnſtlich erhaͤlt, erſetzen
koͤnnte. Ihre beſoldeten Werkzeuge haͤtten nicht
den Eifer den allgemeiner Vortheil dem Privatbe-
ſitzer einfloͤßt, und das lange Recht ſich ſelbſt zu
berathen, wuͤrde ſtatt Eifer fuͤr das allgemeine
Beſte, Uebelwollen gegen den aufgedrungenen Be-
rather einfloͤßen; Leidenſchaft traͤte an die Stelle
der ruhigen Sorgfalt, welche die feindlichen Ele-
mente bis jetzt in Zaum hielt, und wir koͤnntens
vielleicht noch erleben, daß ſich da ein faules Meer
verbreitete, wo jetzt frohe Menſchen leben, und
lachende Triften ſich ausbreiten.

Wir kamen ſo fruͤh in Jagersdorf an, daß uns
Zeit blieb, die Gegend zu beſehen. Wir ließen
uns den Leck hinunter fahren bis Almeiden, einem
netten Dorfe von lauter Weiden umgeben. In

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[283/0297] gen einſt ſo heftig auf den allgemeinen Wohlſtand wirken, daß die Bewohner — nur eines Diſtrikts, aus Armuth, aus Ueberdruß, oder weil ein hoͤhe- res, wenn auch nur momentanes Intereſſe ſie fort- riß, ihr Deichgeſchaͤft nicht zu betreiben, ſo wuͤrde ſich bald eine Verwuͤſtung uͤber dieſes Land ver- breiten, deren Fortſchritt nicht zu berechnen waͤre. Ich glaube nicht, daß der Wille und die Macht der Regierung den Gemeingeiſt, der jetzt dieſes kuͤnſtlich erſchaffne Land kuͤnſtlich erhaͤlt, erſetzen koͤnnte. Ihre beſoldeten Werkzeuge haͤtten nicht den Eifer den allgemeiner Vortheil dem Privatbe- ſitzer einfloͤßt, und das lange Recht ſich ſelbſt zu berathen, wuͤrde ſtatt Eifer fuͤr das allgemeine Beſte, Uebelwollen gegen den aufgedrungenen Be- rather einfloͤßen; Leidenſchaft traͤte an die Stelle der ruhigen Sorgfalt, welche die feindlichen Ele- mente bis jetzt in Zaum hielt, und wir koͤnntens vielleicht noch erleben, daß ſich da ein faules Meer verbreitete, wo jetzt frohe Menſchen leben, und lachende Triften ſich ausbreiten. Wir kamen ſo fruͤh in Jagersdorf an, daß uns Zeit blieb, die Gegend zu beſehen. Wir ließen uns den Leck hinunter fahren bis Almeiden, einem netten Dorfe von lauter Weiden umgeben. In

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/297>, abgerufen am 24.11.2024.