fordernden Blicken begleiteten. Er tritt in das Audienzzimmer, und sein erster Blick fällt auf ein Gemälde dem Eingang gegenüber, das des Admiral Coligny grausame Ermordung darstellt, und zu beiden Seiten des Churfürsten stehen meh- rere französische Große, die jener abscheulichen Verfolgung entgingen, und deren Auge der Prinz, wohin er tritt, begegnen muß. Margaretha von Valois ist es, wie mir däucht, welche diesen Auftritt erzählt. Er enthält einen unendlichen Umfang von Gefühlen. Und es ist ein Moment! Und wie viele Menschengeschichten sah dieses Menschengebäude vergehen bis zu dem schreckli- chen Augenblick, wo es die französische Willkühr zerstörte. Nun schweigt in den öden Mauern Schmerz und Rache und Freude, sie blicken auf das blühende Land herab und scheinen uns zu sa- gen: seht wie viel schneller Gott wieder schafft, als die Menschen erbauen.
Indem ich durch die Straßen ging, machte mich der Lohnbediente auf ein Schauspiel auf- merksam, das er sehr zu bewundern schien. Verschiedene Studirende hatten sich in Juden, Bauern und alte Bürger verkleidet, mit Perücken, Lumpen und altfränkischen Kamisölern, jagten und
fordernden Blicken begleiteten. Er tritt in das Audienzzimmer, und ſein erſter Blick faͤllt auf ein Gemaͤlde dem Eingang gegenuͤber, das des Admiral Coligny grauſame Ermordung darſtellt, und zu beiden Seiten des Churfuͤrſten ſtehen meh- rere franzoͤſiſche Große, die jener abſcheulichen Verfolgung entgingen, und deren Auge der Prinz, wohin er tritt, begegnen muß. Margaretha von Valois iſt es, wie mir daͤucht, welche dieſen Auftritt erzaͤhlt. Er enthaͤlt einen unendlichen Umfang von Gefuͤhlen. Und es iſt ein Moment! Und wie viele Menſchengeſchichten ſah dieſes Menſchengebaͤude vergehen bis zu dem ſchreckli- chen Augenblick, wo es die franzoͤſiſche Willkuͤhr zerſtoͤrte. Nun ſchweigt in den oͤden Mauern Schmerz und Rache und Freude, ſie blicken auf das bluͤhende Land herab und ſcheinen uns zu ſa- gen: ſeht wie viel ſchneller Gott wieder ſchafft, als die Menſchen erbauen.
Indem ich durch die Straßen ging, machte mich der Lohnbediente auf ein Schauſpiel auf- merkſam, das er ſehr zu bewundern ſchien. Verſchiedene Studirende hatten ſich in Juden, Bauern und alte Buͤrger verkleidet, mit Peruͤcken, Lumpen und altfraͤnkiſchen Kamiſoͤlern, jagten und
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fordernden Blicken begleiteten. Er tritt in das
Audienzzimmer, und ſein erſter Blick faͤllt auf
ein Gemaͤlde dem Eingang gegenuͤber, das des
Admiral Coligny grauſame Ermordung darſtellt,
und zu beiden Seiten des Churfuͤrſten ſtehen meh-
rere franzoͤſiſche Große, die jener abſcheulichen
Verfolgung entgingen, und deren Auge der Prinz,
wohin er tritt, begegnen muß. Margaretha
von Valois iſt es, wie mir daͤucht, welche dieſen
Auftritt erzaͤhlt. Er enthaͤlt einen unendlichen
Umfang von Gefuͤhlen. Und es iſt ein Moment!
Und wie viele Menſchengeſchichten ſah dieſes
Menſchengebaͤude vergehen bis zu dem ſchreckli-
chen Augenblick, wo es die franzoͤſiſche Willkuͤhr
zerſtoͤrte. Nun ſchweigt in den oͤden Mauern
Schmerz und Rache und Freude, ſie blicken auf
das bluͤhende Land herab und ſcheinen uns zu ſa-
gen: ſeht wie viel ſchneller Gott wieder ſchafft,
als die Menſchen erbauen.
Indem ich durch die Straßen ging, machte
mich der Lohnbediente auf ein Schauſpiel auf-
merkſam, das er ſehr zu bewundern ſchien.
Verſchiedene Studirende hatten ſich in Juden,
Bauern und alte Buͤrger verkleidet, mit Peruͤcken,
Lumpen und altfraͤnkiſchen Kamiſoͤlern, jagten und
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/27>, abgerufen am 22.12.2024.
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