einigt das Frühstück die Familien im Speisezim- mer; auch hier nimmt man, en famille, Abends den Thee, nur bei gebetnen Gästen wird er im Sallon aufgetragen; auch hier ist das Eßzimmer eine Art von Ansprach- und Beschäftigungsplatz für häusliche Besorgungen. -- Diese große An- nehmlichkeit, das Wohnzimmer vom Geruch der Speisen rein zu erhalten, kennen und verlangen -- besonders in Süddeutschland, die mittlern Stände gar nicht. Fast allgemein opfert man Reinlichkeit und Bequemlichkeit dem Triumph der Eitelkeit auf, ein paar wohlausstaffirte Besuch- zimmer zu haben, setzt aber zwei und drei Betten in ein Schlafzimmer, und athmet den Geruch der Speisen vom Mittagsessen bis zum Nachttisch im Wohnzimmer ein, wo denn das Abendessen am folgenden Morgen wieder sanft nachduftet, bis mit Besen gekehrt ist. So weit es nur der Raum erlaubt, giebt der gute Mittelstand in der Schweiz jedem Familienglied sein eignes Schlafzimmer -- eben so hier zu Lande. Dieses dient zugleich als Kabinet, wo der Bewohner schreibt, liest, allein seyn kann -- das Eßzimmer versammelt die Fa- milie, und im Sallon, oder nur in dem Wohn- zimmer der Hausfrau, wo der Sallon fehlt, ar-
einigt das Fruͤhſtuͤck die Familien im Speiſezim- mer; auch hier nimmt man, en famille, Abends den Thee, nur bei gebetnen Gaͤſten wird er im Sallon aufgetragen; auch hier iſt das Eßzimmer eine Art von Anſprach- und Beſchaͤftigungsplatz fuͤr haͤusliche Beſorgungen. — Dieſe große An- nehmlichkeit, das Wohnzimmer vom Geruch der Speiſen rein zu erhalten, kennen und verlangen — beſonders in Suͤddeutſchland, die mittlern Staͤnde gar nicht. Faſt allgemein opfert man Reinlichkeit und Bequemlichkeit dem Triumph der Eitelkeit auf, ein paar wohlausſtaffirte Beſuch- zimmer zu haben, ſetzt aber zwei und drei Betten in ein Schlafzimmer, und athmet den Geruch der Speiſen vom Mittagseſſen bis zum Nachttiſch im Wohnzimmer ein, wo denn das Abendeſſen am folgenden Morgen wieder ſanft nachduftet, bis mit Beſen gekehrt iſt. So weit es nur der Raum erlaubt, giebt der gute Mittelſtand in der Schweiz jedem Familienglied ſein eignes Schlafzimmer — eben ſo hier zu Lande. Dieſes dient zugleich als Kabinet, wo der Bewohner ſchreibt, lieſt, allein ſeyn kann — das Eßzimmer verſammelt die Fa- milie, und im Sallon, oder nur in dem Wohn- zimmer der Hausfrau, wo der Sallon fehlt, ar-
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einigt das Fruͤhſtuͤck die Familien im Speiſezim-
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den Thee, nur bei gebetnen Gaͤſten wird er im
Sallon aufgetragen; auch hier iſt das Eßzimmer
eine Art von Anſprach- und Beſchaͤftigungsplatz
fuͤr haͤusliche Beſorgungen. — Dieſe große An-
nehmlichkeit, das Wohnzimmer vom Geruch der
Speiſen rein zu erhalten, kennen und verlangen
— beſonders in Suͤddeutſchland, die mittlern
Staͤnde gar nicht. Faſt allgemein opfert man
Reinlichkeit und Bequemlichkeit dem Triumph der
Eitelkeit auf, ein paar wohlausſtaffirte Beſuch-
zimmer zu haben, ſetzt aber zwei und drei Betten
in ein Schlafzimmer, und athmet den Geruch der
Speiſen vom Mittagseſſen bis zum Nachttiſch im
Wohnzimmer ein, wo denn das Abendeſſen am
folgenden Morgen wieder ſanft nachduftet, bis
mit Beſen gekehrt iſt. So weit es nur der Raum
erlaubt, giebt der gute Mittelſtand in der Schweiz
jedem Familienglied ſein eignes Schlafzimmer —
eben ſo hier zu Lande. Dieſes dient zugleich als
Kabinet, wo der Bewohner ſchreibt, lieſt, allein
ſeyn kann — das Eßzimmer verſammelt die Fa-
milie, und im Sallon, oder nur in dem Wohn-
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/254>, abgerufen am 24.11.2024.
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