sie nicht geheizt werden, sondern nur mit Kami- nen versehen sind, und daß man in diesen wenig Feuer macht, des Morgens, des Abends, und nur bei wahrer Winterkälte, sonst begnügen sich die weiblichen Bewohner mit ihren ewigen Stov- chen. Jetzt wird dieses Erdgeschoß meistens der Wirthschaft (die Küche ist ohnehin darin) und dem Gesinde eingeräumt; allein die Eltern des jetzigen Geschlechtes fanden sie noch zur Wohnung sehr be- quem. Die Mutter meines Freundes * *, eine Frau, die durch Stand und Vermögen zu jedem Anspruch berechtigt war, hat diese Zimmer im Schlosse L. erst vor wenigen Jahren verlassen, wie sie es ihrem Sohne und seiner Familie einräumte. Wenn man bei uns einer Frau von Stande so ei- nen Vorschlag thät! -- In einem Hause, wo diese Zimmer von der Dienerschaft bewohnt wur- den, fand ich einige schwäbische Dienstboten, die seit wenig Jahren aus sehr guten Herrschaftshäu- sern hieher gekommen waren. Diese Weiber saßen den ganzen Tag, mit feiner Arbeit beschäftigt, in diesen Gemächern, und obschon sie mir eingestan- den, daß sie im Winter von der Kälte litten, drück- ten sie doch gar nicht den Widerwillen gegen ihre Wohnung aus, den ich von Leuten erwartet hätte,
ſie nicht geheizt werden, ſondern nur mit Kami- nen verſehen ſind, und daß man in dieſen wenig Feuer macht, des Morgens, des Abends, und nur bei wahrer Winterkaͤlte, ſonſt begnuͤgen ſich die weiblichen Bewohner mit ihren ewigen Stov- chen. Jetzt wird dieſes Erdgeſchoß meiſtens der Wirthſchaft (die Kuͤche iſt ohnehin darin) und dem Geſinde eingeraͤumt; allein die Eltern des jetzigen Geſchlechtes fanden ſie noch zur Wohnung ſehr be- quem. Die Mutter meines Freundes * *, eine Frau, die durch Stand und Vermoͤgen zu jedem Anſpruch berechtigt war, hat dieſe Zimmer im Schloſſe L. erſt vor wenigen Jahren verlaſſen, wie ſie es ihrem Sohne und ſeiner Familie einraͤumte. Wenn man bei uns einer Frau von Stande ſo ei- nen Vorſchlag thaͤt! — In einem Hauſe, wo dieſe Zimmer von der Dienerſchaft bewohnt wur- den, fand ich einige ſchwaͤbiſche Dienſtboten, die ſeit wenig Jahren aus ſehr guten Herrſchaftshaͤu- ſern hieher gekommen waren. Dieſe Weiber ſaßen den ganzen Tag, mit feiner Arbeit beſchaͤftigt, in dieſen Gemaͤchern, und obſchon ſie mir eingeſtan- den, daß ſie im Winter von der Kaͤlte litten, druͤck- ten ſie doch gar nicht den Widerwillen gegen ihre Wohnung aus, den ich von Leuten erwartet haͤtte,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0246"n="232"/>ſie nicht geheizt werden, ſondern nur mit Kami-<lb/>
nen verſehen ſind, und daß man in dieſen wenig<lb/>
Feuer macht, des Morgens, des Abends, und<lb/>
nur bei wahrer Winterkaͤlte, ſonſt begnuͤgen ſich<lb/>
die weiblichen Bewohner mit ihren ewigen Stov-<lb/>
chen. Jetzt wird dieſes Erdgeſchoß meiſtens der<lb/>
Wirthſchaft (die Kuͤche iſt ohnehin darin) und dem<lb/>
Geſinde eingeraͤumt; allein die Eltern des jetzigen<lb/>
Geſchlechtes fanden ſie noch zur Wohnung ſehr be-<lb/>
quem. Die Mutter meines Freundes * *, eine<lb/>
Frau, die durch Stand und Vermoͤgen zu jedem<lb/>
Anſpruch berechtigt war, hat dieſe Zimmer im<lb/>
Schloſſe L. erſt vor wenigen Jahren verlaſſen, wie<lb/>ſie es ihrem Sohne und ſeiner Familie einraͤumte.<lb/>
Wenn man bei uns einer Frau von Stande ſo ei-<lb/>
nen Vorſchlag thaͤt! — In einem Hauſe, wo<lb/>
dieſe Zimmer von der Dienerſchaft bewohnt wur-<lb/>
den, fand ich einige ſchwaͤbiſche Dienſtboten, die<lb/>ſeit wenig Jahren aus ſehr guten Herrſchaftshaͤu-<lb/>ſern hieher gekommen waren. Dieſe Weiber ſaßen<lb/>
den ganzen Tag, mit feiner Arbeit beſchaͤftigt, in<lb/>
dieſen Gemaͤchern, und obſchon ſie mir eingeſtan-<lb/>
den, daß ſie im Winter von der Kaͤlte litten, druͤck-<lb/>
ten ſie doch gar nicht den Widerwillen gegen ihre<lb/>
Wohnung aus, den ich von Leuten erwartet haͤtte,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[232/0246]
ſie nicht geheizt werden, ſondern nur mit Kami-
nen verſehen ſind, und daß man in dieſen wenig
Feuer macht, des Morgens, des Abends, und
nur bei wahrer Winterkaͤlte, ſonſt begnuͤgen ſich
die weiblichen Bewohner mit ihren ewigen Stov-
chen. Jetzt wird dieſes Erdgeſchoß meiſtens der
Wirthſchaft (die Kuͤche iſt ohnehin darin) und dem
Geſinde eingeraͤumt; allein die Eltern des jetzigen
Geſchlechtes fanden ſie noch zur Wohnung ſehr be-
quem. Die Mutter meines Freundes * *, eine
Frau, die durch Stand und Vermoͤgen zu jedem
Anſpruch berechtigt war, hat dieſe Zimmer im
Schloſſe L. erſt vor wenigen Jahren verlaſſen, wie
ſie es ihrem Sohne und ſeiner Familie einraͤumte.
Wenn man bei uns einer Frau von Stande ſo ei-
nen Vorſchlag thaͤt! — In einem Hauſe, wo
dieſe Zimmer von der Dienerſchaft bewohnt wur-
den, fand ich einige ſchwaͤbiſche Dienſtboten, die
ſeit wenig Jahren aus ſehr guten Herrſchaftshaͤu-
ſern hieher gekommen waren. Dieſe Weiber ſaßen
den ganzen Tag, mit feiner Arbeit beſchaͤftigt, in
dieſen Gemaͤchern, und obſchon ſie mir eingeſtan-
den, daß ſie im Winter von der Kaͤlte litten, druͤck-
ten ſie doch gar nicht den Widerwillen gegen ihre
Wohnung aus, den ich von Leuten erwartet haͤtte,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/246>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.