ser Art. Diese Landbauenthusiasten sind ein eig- nes Geschlecht. Die ganze Natur ist für sie eine große Dunganstalt, und die Allmacht Gottes of- fenbart sich ihnen ausschließend in der Produktion. Dabei haben sie seit einiger Zeit eine wunderbare Melodie zu ihrem Texte erfunden, die ihnen aber rechter Ernst ist, sie nennen ihr Geschäft reine Be- mühung zum Menschenwohl. Das ists nun in seinen unendlichen Folgen ganz unfehlbar, aber durch ihre Absicht doch nur sehr mittelbar. Mö- gen sie aber ihrem Beruf einen Namen geben wie sie wollen, hat man es ihrer Wissenschaft zu dan- ken, daß diese Gegenden so herrlich blühen, un- geachtet so viele rüstige Arme ihrer Bewohner an der Donau die Sichel des Todes führen, statt hier die fetten Saaten zu fällen -- so segne Gott ihre Wirksamkeit.
Heidelberg war mir wie ein alter Jugendbe- kannter, mit dem ich ehemals Freude und Leid theilte. In den Morgenstunden meines Lebens saß ich unter seinen Ruinen und schwelgte in kin- dischem Schmerz, und die ehrwürdige Größe der Trümmern veredelte mein Gefühl. Mir däucht in der Jugend führt Schmerz uns zum Gebet, ist
ſer Art. Dieſe Landbauenthuſiaſten ſind ein eig- nes Geſchlecht. Die ganze Natur iſt fuͤr ſie eine große Dunganſtalt, und die Allmacht Gottes of- fenbart ſich ihnen ausſchließend in der Produktion. Dabei haben ſie ſeit einiger Zeit eine wunderbare Melodie zu ihrem Texte erfunden, die ihnen aber rechter Ernſt iſt, ſie nennen ihr Geſchaͤft reine Be- muͤhung zum Menſchenwohl. Das iſts nun in ſeinen unendlichen Folgen ganz unfehlbar, aber durch ihre Abſicht doch nur ſehr mittelbar. Moͤ- gen ſie aber ihrem Beruf einen Namen geben wie ſie wollen, hat man es ihrer Wiſſenſchaft zu dan- ken, daß dieſe Gegenden ſo herrlich bluͤhen, un- geachtet ſo viele ruͤſtige Arme ihrer Bewohner an der Donau die Sichel des Todes fuͤhren, ſtatt hier die fetten Saaten zu faͤllen — ſo ſegne Gott ihre Wirkſamkeit.
Heidelberg war mir wie ein alter Jugendbe- kannter, mit dem ich ehemals Freude und Leid theilte. In den Morgenſtunden meines Lebens ſaß ich unter ſeinen Ruinen und ſchwelgte in kin- diſchem Schmerz, und die ehrwuͤrdige Groͤße der Truͤmmern veredelte mein Gefuͤhl. Mir daͤucht in der Jugend fuͤhrt Schmerz uns zum Gebet, iſt
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ſer Art. Dieſe Landbauenthuſiaſten ſind ein eig-
nes Geſchlecht. Die ganze Natur iſt fuͤr ſie eine
große Dunganſtalt, und die Allmacht Gottes of-
fenbart ſich ihnen ausſchließend in der Produktion.
Dabei haben ſie ſeit einiger Zeit eine wunderbare
Melodie zu ihrem Texte erfunden, die ihnen aber
rechter Ernſt iſt, ſie nennen ihr Geſchaͤft reine Be-
muͤhung zum Menſchenwohl. Das iſts nun in
ſeinen unendlichen Folgen ganz unfehlbar, aber
durch ihre Abſicht doch nur ſehr mittelbar. Moͤ-
gen ſie aber ihrem Beruf einen Namen geben wie
ſie wollen, hat man es ihrer Wiſſenſchaft zu dan-
ken, daß dieſe Gegenden ſo herrlich bluͤhen, un-
geachtet ſo viele ruͤſtige Arme ihrer Bewohner an
der Donau die Sichel des Todes fuͤhren, ſtatt hier
die fetten Saaten zu faͤllen — ſo ſegne Gott ihre
Wirkſamkeit.
Heidelberg war mir wie ein alter Jugendbe-
kannter, mit dem ich ehemals Freude und Leid
theilte. In den Morgenſtunden meines Lebens
ſaß ich unter ſeinen Ruinen und ſchwelgte in kin-
diſchem Schmerz, und die ehrwuͤrdige Groͤße der
Truͤmmern veredelte mein Gefuͤhl. Mir daͤucht
in der Jugend fuͤhrt Schmerz uns zum Gebet, iſt
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/21>, abgerufen am 18.12.2024.
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