brands Erleuchtung sehr merkwürdig zu beobach- ten; die beiden Männer wollten ihr Bestes thun. Das ist wie ein frommer Stoßseufzer gegen eine Opferhymne -- beide loben Gott.
Allerlei Kirchen habe ich auch besucht; die hüb- scheste war die neue Kirche nahe am Palais, ein schönes helles Gotteshaus, leer und öde, wie alle protestantische Kirchen. Daß hier vielmehr Stühle als Bänke stehen, in allen Kirchen, giebt ihnen noch mehr Alltägliches; hier fand ich an der Kanzel hinauf, und in einigen andern Kirchen an den Wänden ganze Heere von Stovchen aufgeschichtet, die nebst dem Stuhle bei jedem Gottesdienste ge- miethet werden. Stovchen ist nämlich ein Feuer- kästchen, Fußwärmer, ohne den eine Holländerin sich nie niedersetzt. Eigends dazu bestellte Leute füllen in den Kirchen die kleinen Feuerbecken an, welche in ein hölzernes, mit drei Zuglöchern ver- sehenes Kästchen gestellt werden; neben den Kirch- thüren sind in einem Winkel Heerde, um den dazu nöthigen Torf abzuglühen, und wohl angefüllt ge- ben sie die Stovchenswächterinnen den frommen Seelen unter den Fuß. Auch im Zimmer siehst du vor jedem Anwesenden ein Stovchen hingesetzt; ein Stovchen zu bringen ist die erste Höflichkeit,
brands Erleuchtung ſehr merkwuͤrdig zu beobach- ten; die beiden Maͤnner wollten ihr Beſtes thun. Das iſt wie ein frommer Stoßſeufzer gegen eine Opferhymne — beide loben Gott.
Allerlei Kirchen habe ich auch beſucht; die huͤb- ſcheſte war die neue Kirche nahe am Palais, ein ſchoͤnes helles Gotteshaus, leer und oͤde, wie alle proteſtantiſche Kirchen. Daß hier vielmehr Stuͤhle als Baͤnke ſtehen, in allen Kirchen, giebt ihnen noch mehr Alltaͤgliches; hier fand ich an der Kanzel hinauf, und in einigen andern Kirchen an den Waͤnden ganze Heere von Stovchen aufgeſchichtet, die nebſt dem Stuhle bei jedem Gottesdienſte ge- miethet werden. Stovchen iſt naͤmlich ein Feuer- kaͤſtchen, Fußwaͤrmer, ohne den eine Hollaͤnderin ſich nie niederſetzt. Eigends dazu beſtellte Leute fuͤllen in den Kirchen die kleinen Feuerbecken an, welche in ein hoͤlzernes, mit drei Zugloͤchern ver- ſehenes Kaͤſtchen geſtellt werden; neben den Kirch- thuͤren ſind in einem Winkel Heerde, um den dazu noͤthigen Torf abzugluͤhen, und wohl angefuͤllt ge- ben ſie die Stovchenswaͤchterinnen den frommen Seelen unter den Fuß. Auch im Zimmer ſiehſt du vor jedem Anweſenden ein Stovchen hingeſetzt; ein Stovchen zu bringen iſt die erſte Hoͤflichkeit,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0192"n="178"/>
brands Erleuchtung ſehr merkwuͤrdig zu beobach-<lb/>
ten; die beiden Maͤnner wollten ihr Beſtes thun.<lb/>
Das iſt wie ein frommer Stoßſeufzer gegen eine<lb/>
Opferhymne — beide loben Gott.</p><lb/><p>Allerlei Kirchen habe ich auch beſucht; die huͤb-<lb/>ſcheſte war die neue Kirche nahe am Palais, ein<lb/>ſchoͤnes helles Gotteshaus, leer und oͤde, wie alle<lb/>
proteſtantiſche Kirchen. Daß hier vielmehr Stuͤhle<lb/>
als Baͤnke ſtehen, in allen Kirchen, giebt ihnen noch<lb/>
mehr Alltaͤgliches; hier fand ich an der Kanzel<lb/>
hinauf, und in einigen andern Kirchen an den<lb/>
Waͤnden ganze Heere von Stovchen aufgeſchichtet,<lb/>
die nebſt dem Stuhle bei jedem Gottesdienſte ge-<lb/>
miethet werden. Stovchen iſt naͤmlich ein Feuer-<lb/>
kaͤſtchen, Fußwaͤrmer, ohne den eine Hollaͤnderin<lb/>ſich nie niederſetzt. Eigends dazu beſtellte Leute<lb/>
fuͤllen in den Kirchen die kleinen Feuerbecken an,<lb/>
welche in ein hoͤlzernes, mit drei Zugloͤchern ver-<lb/>ſehenes Kaͤſtchen geſtellt werden; neben den Kirch-<lb/>
thuͤren ſind in einem Winkel Heerde, um den dazu<lb/>
noͤthigen Torf abzugluͤhen, und wohl angefuͤllt ge-<lb/>
ben ſie die Stovchenswaͤchterinnen den frommen<lb/>
Seelen unter den Fuß. Auch im Zimmer ſiehſt<lb/>
du vor jedem Anweſenden ein Stovchen hingeſetzt;<lb/>
ein Stovchen zu bringen iſt die erſte Hoͤflichkeit,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[178/0192]
brands Erleuchtung ſehr merkwuͤrdig zu beobach-
ten; die beiden Maͤnner wollten ihr Beſtes thun.
Das iſt wie ein frommer Stoßſeufzer gegen eine
Opferhymne — beide loben Gott.
Allerlei Kirchen habe ich auch beſucht; die huͤb-
ſcheſte war die neue Kirche nahe am Palais, ein
ſchoͤnes helles Gotteshaus, leer und oͤde, wie alle
proteſtantiſche Kirchen. Daß hier vielmehr Stuͤhle
als Baͤnke ſtehen, in allen Kirchen, giebt ihnen noch
mehr Alltaͤgliches; hier fand ich an der Kanzel
hinauf, und in einigen andern Kirchen an den
Waͤnden ganze Heere von Stovchen aufgeſchichtet,
die nebſt dem Stuhle bei jedem Gottesdienſte ge-
miethet werden. Stovchen iſt naͤmlich ein Feuer-
kaͤſtchen, Fußwaͤrmer, ohne den eine Hollaͤnderin
ſich nie niederſetzt. Eigends dazu beſtellte Leute
fuͤllen in den Kirchen die kleinen Feuerbecken an,
welche in ein hoͤlzernes, mit drei Zugloͤchern ver-
ſehenes Kaͤſtchen geſtellt werden; neben den Kirch-
thuͤren ſind in einem Winkel Heerde, um den dazu
noͤthigen Torf abzugluͤhen, und wohl angefuͤllt ge-
ben ſie die Stovchenswaͤchterinnen den frommen
Seelen unter den Fuß. Auch im Zimmer ſiehſt
du vor jedem Anweſenden ein Stovchen hingeſetzt;
ein Stovchen zu bringen iſt die erſte Hoͤflichkeit,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/192>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.