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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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dazu gehört Albas Gesicht nicht, so lebhaft der
Schauder ist den, es erregt. Und wer sah ihm denn
ins Herz und erforschte ob sein furchtbarer Gang Ziel
oder Mittel war? Wenn er nun seine größte
Kraft angewendet hätte, um seiner Menschlichkeit
zum Trotze durch Blut und Thränen einen Weg
zu gehen, der seiner Ansicht der rechte schien?
wer entscheidet über den Irrthum der Menschen?
Aus den schönen Zügen von Neros Büste blickt
eine Verschobenheit hervor, in der ich thierische
Ausgeartetheit errathen könnte. Albas starre,
kalte, feste Züge könnten mich überreden, die-
ser schreckliche Mensch hielt sich für ein Werkzeug
der Gottheit.

Ein großes Gemählde von Rembrand, ein
Geschenk, das die Stadt Amsterdam dem König
gemacht hat, würde ich gern zehnmal besehen,
und mit meinem Strickzeug beschäftigt, ihm ge-
genüber sitzend, bald glauben, ich säh aus dem
Fenster in einen wandelnden Volkshaufen. Hier
geht ein Mann vorüber einen Staab und eine La-
terne in der Hand -- es mag vielleicht eine Art
Wächter seyn? Dort blickt ein Mädchen hell er-
leuchtet zwischen den vor ihm Wandelnden heraus
-- du siehst sie sprechen, und lehnst dich weiter

dazu gehoͤrt Albas Geſicht nicht, ſo lebhaft der
Schauder iſt den, es erregt. Und wer ſah ihm denn
ins Herz und erforſchte ob ſein furchtbarer Gang Ziel
oder Mittel war? Wenn er nun ſeine groͤßte
Kraft angewendet haͤtte, um ſeiner Menſchlichkeit
zum Trotze durch Blut und Thraͤnen einen Weg
zu gehen, der ſeiner Anſicht der rechte ſchien?
wer entſcheidet uͤber den Irrthum der Menſchen?
Aus den ſchoͤnen Zuͤgen von Neros Buͤſte blickt
eine Verſchobenheit hervor, in der ich thieriſche
Ausgeartetheit errathen koͤnnte. Albas ſtarre,
kalte, feſte Zuͤge koͤnnten mich uͤberreden, die-
ſer ſchreckliche Menſch hielt ſich fuͤr ein Werkzeug
der Gottheit.

Ein großes Gemaͤhlde von Rembrand, ein
Geſchenk, das die Stadt Amſterdam dem Koͤnig
gemacht hat, wuͤrde ich gern zehnmal beſehen,
und mit meinem Strickzeug beſchaͤftigt, ihm ge-
genuͤber ſitzend, bald glauben, ich ſaͤh aus dem
Fenſter in einen wandelnden Volkshaufen. Hier
geht ein Mann voruͤber einen Staab und eine La-
terne in der Hand — es mag vielleicht eine Art
Waͤchter ſeyn? Dort blickt ein Maͤdchen hell er-
leuchtet zwiſchen den vor ihm Wandelnden heraus
— du ſiehſt ſie ſprechen, und lehnſt dich weiter

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[168/0182] dazu gehoͤrt Albas Geſicht nicht, ſo lebhaft der Schauder iſt den, es erregt. Und wer ſah ihm denn ins Herz und erforſchte ob ſein furchtbarer Gang Ziel oder Mittel war? Wenn er nun ſeine groͤßte Kraft angewendet haͤtte, um ſeiner Menſchlichkeit zum Trotze durch Blut und Thraͤnen einen Weg zu gehen, der ſeiner Anſicht der rechte ſchien? wer entſcheidet uͤber den Irrthum der Menſchen? Aus den ſchoͤnen Zuͤgen von Neros Buͤſte blickt eine Verſchobenheit hervor, in der ich thieriſche Ausgeartetheit errathen koͤnnte. Albas ſtarre, kalte, feſte Zuͤge koͤnnten mich uͤberreden, die- ſer ſchreckliche Menſch hielt ſich fuͤr ein Werkzeug der Gottheit. Ein großes Gemaͤhlde von Rembrand, ein Geſchenk, das die Stadt Amſterdam dem Koͤnig gemacht hat, wuͤrde ich gern zehnmal beſehen, und mit meinem Strickzeug beſchaͤftigt, ihm ge- genuͤber ſitzend, bald glauben, ich ſaͤh aus dem Fenſter in einen wandelnden Volkshaufen. Hier geht ein Mann voruͤber einen Staab und eine La- terne in der Hand — es mag vielleicht eine Art Waͤchter ſeyn? Dort blickt ein Maͤdchen hell er- leuchtet zwiſchen den vor ihm Wandelnden heraus — du ſiehſt ſie ſprechen, und lehnſt dich weiter

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/182>, abgerufen am 28.11.2024.