sehr lebendigen Gedanken. Egmont, Wilhelm von Oranien, de Witt, Oulden Barneweld, Mo- ritz, Alba, Erasmus, Grotius -- wer nennt sie alle die ehrwürdigen oder furchtbaren Namen? -- Der Geschichtsgeist jener Tage ging vor meiner Seele vorüber, und ich verlor mich im Nachden- ken über die Wirkung, die es auf ein Volk haben muß, wenn es eine Geschichte hat, wenn die Männer der vergangenen Jahrhunderte ihm ange- hören, seine Ahnen sind, ihre Namen in den le- benden Geschlechtern fortdauern. Giebt es kein Mittel, dieses Andenken fruchtbringend zu ma- chen? muß denn endlich jeder Ton, auch der be- lebendste verhallen? ja, endigt das Nationalda- seyn eines Volkes das eine Geschichte hatte nicht endlich am widrigsten? Das Andenken vergange- nen Werthes trotzt wie eine Mumie der Verwü- stung der Zeit, aber die Nachwelt, das Verdienst ihrer Voreltern sich zurechnend, ist fühllos gegen ihr thatenloses Daseyn, und die Größe der Väter wirkt wie die Vorbitte der Heiligen, die Fröm- migkeit artet in Gepränge aus, und die Liebe er- kaltet in der Brust. Das Andenken der Völkerge- schichten wirkt auf uns wie der Erbadel; weil der Anherr sein Wappen vor vielen Jahrhunderten mit
ſehr lebendigen Gedanken. Egmont, Wilhelm von Oranien, de Witt, Oulden Barneweld, Mo- ritz, Alba, Erasmus, Grotius — wer nennt ſie alle die ehrwuͤrdigen oder furchtbaren Namen? — Der Geſchichtsgeiſt jener Tage ging vor meiner Seele voruͤber, und ich verlor mich im Nachden- ken uͤber die Wirkung, die es auf ein Volk haben muß, wenn es eine Geſchichte hat, wenn die Maͤnner der vergangenen Jahrhunderte ihm ange- hoͤren, ſeine Ahnen ſind, ihre Namen in den le- benden Geſchlechtern fortdauern. Giebt es kein Mittel, dieſes Andenken fruchtbringend zu ma- chen? muß denn endlich jeder Ton, auch der be- lebendſte verhallen? ja, endigt das Nationalda- ſeyn eines Volkes das eine Geſchichte hatte nicht endlich am widrigſten? Das Andenken vergange- nen Werthes trotzt wie eine Mumie der Verwuͤ- ſtung der Zeit, aber die Nachwelt, das Verdienſt ihrer Voreltern ſich zurechnend, iſt fuͤhllos gegen ihr thatenloſes Daſeyn, und die Groͤße der Vaͤter wirkt wie die Vorbitte der Heiligen, die Froͤm- migkeit artet in Gepraͤnge aus, und die Liebe er- kaltet in der Bruſt. Das Andenken der Voͤlkerge- ſchichten wirkt auf uns wie der Erbadel; weil der Anherr ſein Wappen vor vielen Jahrhunderten mit
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ſehr lebendigen Gedanken. Egmont, Wilhelm
von Oranien, de Witt, Oulden Barneweld, Mo-
ritz, Alba, Erasmus, Grotius — wer nennt ſie
alle die ehrwuͤrdigen oder furchtbaren Namen? —
Der Geſchichtsgeiſt jener Tage ging vor meiner
Seele voruͤber, und ich verlor mich im Nachden-
ken uͤber die Wirkung, die es auf ein Volk haben
muß, wenn es eine Geſchichte hat, wenn die
Maͤnner der vergangenen Jahrhunderte ihm ange-
hoͤren, ſeine Ahnen ſind, ihre Namen in den le-
benden Geſchlechtern fortdauern. Giebt es kein
Mittel, dieſes Andenken fruchtbringend zu ma-
chen? muß denn endlich jeder Ton, auch der be-
lebendſte verhallen? ja, endigt das Nationalda-
ſeyn eines Volkes das eine Geſchichte hatte nicht
endlich am widrigſten? Das Andenken vergange-
nen Werthes trotzt wie eine Mumie der Verwuͤ-
ſtung der Zeit, aber die Nachwelt, das Verdienſt
ihrer Voreltern ſich zurechnend, iſt fuͤhllos gegen
ihr thatenloſes Daſeyn, und die Groͤße der Vaͤter
wirkt wie die Vorbitte der Heiligen, die Froͤm-
migkeit artet in Gepraͤnge aus, und die Liebe er-
kaltet in der Bruſt. Das Andenken der Voͤlkerge-
ſchichten wirkt auf uns wie der Erbadel; weil der
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/178>, abgerufen am 28.11.2024.
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