Eure Söhne auf das Meer führt, so glaubt mir, waren sie fähig zu empfinden, so erhebt sie das Auffassen dieses Anblicks über sich selbst. -- Und das thut der Anblick der Welt immer, wenn un- sers Geistes Auge zu sehen geschickt ist, und hat es dann die Welt erblickt, und kehrt dann zurück in sein Inneres, so findet es auch da wieder Wun- der und Größe, und die Seele wird frei, welche Fessel auch dem Busen drückt, den sie belebt.
Einige schöne Stunden brachte ich im königli- chen Museum zu, so nennt man etwas, das noch nicht ist; eine sehr unvollständige Sammlung von Gemälden, der einige Antiken ohne allen Zusam- menhang beigefügt sind. Sie befindet sich im kö- niglichen Palais, dem ehemaligen Rathhause. Die- ses sehr schöne Gebäude steht auf einem freien Platze, wo es sehr gut in die Augen fällt. Ob es den Forderungen der Kunst entspricht, weiß ich und verstehe es nicht, denen meines Gefühls ge- nügt es nicht. Es hat etwas Isolirtes, ohne die Gedanken an Größe zu erregen, weil so viele Fen- ster und Fensterchen drinnen sind; es steht so vier- eckigt, und ist durch nichts mit der äußern Welt verbunden. -- Bald denke ich, es sey noch nicht fertig, bald scheint es mir schon seiner Vollendung
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Eure Soͤhne auf das Meer fuͤhrt, ſo glaubt mir, waren ſie faͤhig zu empfinden, ſo erhebt ſie das Auffaſſen dieſes Anblicks uͤber ſich ſelbſt. — Und das thut der Anblick der Welt immer, wenn un- ſers Geiſtes Auge zu ſehen geſchickt iſt, und hat es dann die Welt erblickt, und kehrt dann zuruͤck in ſein Inneres, ſo findet es auch da wieder Wun- der und Groͤße, und die Seele wird frei, welche Feſſel auch dem Buſen druͤckt, den ſie belebt.
Einige ſchoͤne Stunden brachte ich im koͤnigli- chen Muſeum zu, ſo nennt man etwas, das noch nicht iſt; eine ſehr unvollſtaͤndige Sammlung von Gemaͤlden, der einige Antiken ohne allen Zuſam- menhang beigefuͤgt ſind. Sie befindet ſich im koͤ- niglichen Palais, dem ehemaligen Rathhauſe. Die- ſes ſehr ſchoͤne Gebaͤude ſteht auf einem freien Platze, wo es ſehr gut in die Augen faͤllt. Ob es den Forderungen der Kunſt entſpricht, weiß ich und verſtehe es nicht, denen meines Gefuͤhls ge- nuͤgt es nicht. Es hat etwas Iſolirtes, ohne die Gedanken an Groͤße zu erregen, weil ſo viele Fen- ſter und Fenſterchen drinnen ſind; es ſteht ſo vier- eckigt, und iſt durch nichts mit der aͤußern Welt verbunden. — Bald denke ich, es ſey noch nicht fertig, bald ſcheint es mir ſchon ſeiner Vollendung
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Eure Soͤhne auf das Meer fuͤhrt, ſo glaubt mir,
waren ſie faͤhig zu empfinden, ſo erhebt ſie das
Auffaſſen dieſes Anblicks uͤber ſich ſelbſt. — Und
das thut der Anblick der Welt immer, wenn un-
ſers Geiſtes Auge zu ſehen geſchickt iſt, und hat
es dann die Welt erblickt, und kehrt dann zuruͤck
in ſein Inneres, ſo findet es auch da wieder Wun-
der und Groͤße, und die Seele wird frei, welche
Feſſel auch dem Buſen druͤckt, den ſie belebt.
Einige ſchoͤne Stunden brachte ich im koͤnigli-
chen Muſeum zu, ſo nennt man etwas, das noch
nicht iſt; eine ſehr unvollſtaͤndige Sammlung von
Gemaͤlden, der einige Antiken ohne allen Zuſam-
menhang beigefuͤgt ſind. Sie befindet ſich im koͤ-
niglichen Palais, dem ehemaligen Rathhauſe. Die-
ſes ſehr ſchoͤne Gebaͤude ſteht auf einem freien
Platze, wo es ſehr gut in die Augen faͤllt. Ob
es den Forderungen der Kunſt entſpricht, weiß ich
und verſtehe es nicht, denen meines Gefuͤhls ge-
nuͤgt es nicht. Es hat etwas Iſolirtes, ohne die
Gedanken an Groͤße zu erregen, weil ſo viele Fen-
ſter und Fenſterchen drinnen ſind; es ſteht ſo vier-
eckigt, und iſt durch nichts mit der aͤußern Welt
verbunden. — Bald denke ich, es ſey noch nicht
fertig, bald ſcheint es mir ſchon ſeiner Vollendung
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/175>, abgerufen am 28.11.2024.
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