Bauch und die innern Flügel waren weiß, an Größe glichen sie den Tauben, oder waren noch größer, sie plätscherten auf dem Wasser, ließen sich vom Winde treiben, oder ruderten ihm entgegen, leicht und kräftig, als solltens von ihnen die großen Men- schengebäude lernen, die ihr angeerbtes nasses Reich durchziehen. Mit unglaublicher Leichtigkeit hoben sie sich dann aus der Fluth, wiegten sich über der Wasserfläche, schwangen sich empor, die weißen Federn ihrer Brust blendeten von der Son- ne bestrahlt das Auge, und der Vogel schwamm dahin in dem reinen Elemente, ward zum Punkte im Aether, und verschwand. O wie das Anschauen der Welt von der Welt erhebt! so wie der höchste Moment des Glückes von dem Leben abläßt. Nur im schweren Nebel der Alltäglichkeit, nur im gro- ben Bedürfniß der Sinnen kann das Leben uns fesseln. -- Wie leicht vergessen wir uns selbst, wenn alles um uns größer ist, wie wir. -- Das ist auch der Grund, warum wir so vieles überleben; nur der erliegt dem Schicksal, der nicht den Muth hat, selbst zu verschwinden vor seiner Macht. -- --
Ich dachte, ich hätte viel gesehen -- habe aber nur viel empfunden und also wenig zu erzäh- len. Wenn aber das Schicksal Eure Freunde,
Bauch und die innern Fluͤgel waren weiß, an Groͤße glichen ſie den Tauben, oder waren noch groͤßer, ſie plaͤtſcherten auf dem Waſſer, ließen ſich vom Winde treiben, oder ruderten ihm entgegen, leicht und kraͤftig, als ſolltens von ihnen die großen Men- ſchengebaͤude lernen, die ihr angeerbtes naſſes Reich durchziehen. Mit unglaublicher Leichtigkeit hoben ſie ſich dann aus der Fluth, wiegten ſich uͤber der Waſſerflaͤche, ſchwangen ſich empor, die weißen Federn ihrer Bruſt blendeten von der Son- ne beſtrahlt das Auge, und der Vogel ſchwamm dahin in dem reinen Elemente, ward zum Punkte im Aether, und verſchwand. O wie das Anſchauen der Welt von der Welt erhebt! ſo wie der hoͤchſte Moment des Gluͤckes von dem Leben ablaͤßt. Nur im ſchweren Nebel der Alltaͤglichkeit, nur im gro- ben Beduͤrfniß der Sinnen kann das Leben uns feſſeln. — Wie leicht vergeſſen wir uns ſelbſt, wenn alles um uns groͤßer iſt, wie wir. — Das iſt auch der Grund, warum wir ſo vieles uͤberleben; nur der erliegt dem Schickſal, der nicht den Muth hat, ſelbſt zu verſchwinden vor ſeiner Macht. — —
Ich dachte, ich haͤtte viel geſehen — habe aber nur viel empfunden und alſo wenig zu erzaͤh- len. Wenn aber das Schickſal Eure Freunde,
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Bauch und die innern Fluͤgel waren weiß, an Groͤße
glichen ſie den Tauben, oder waren noch groͤßer,
ſie plaͤtſcherten auf dem Waſſer, ließen ſich vom
Winde treiben, oder ruderten ihm entgegen, leicht
und kraͤftig, als ſolltens von ihnen die großen Men-
ſchengebaͤude lernen, die ihr angeerbtes naſſes
Reich durchziehen. Mit unglaublicher Leichtigkeit
hoben ſie ſich dann aus der Fluth, wiegten ſich
uͤber der Waſſerflaͤche, ſchwangen ſich empor, die
weißen Federn ihrer Bruſt blendeten von der Son-
ne beſtrahlt das Auge, und der Vogel ſchwamm
dahin in dem reinen Elemente, ward zum Punkte
im Aether, und verſchwand. O wie das Anſchauen
der Welt von der Welt erhebt! ſo wie der hoͤchſte
Moment des Gluͤckes von dem Leben ablaͤßt. Nur
im ſchweren Nebel der Alltaͤglichkeit, nur im gro-
ben Beduͤrfniß der Sinnen kann das Leben uns
feſſeln. — Wie leicht vergeſſen wir uns ſelbſt, wenn
alles um uns groͤßer iſt, wie wir. — Das iſt auch
der Grund, warum wir ſo vieles uͤberleben; nur
der erliegt dem Schickſal, der nicht den Muth hat,
ſelbſt zu verſchwinden vor ſeiner Macht. — —
Ich dachte, ich haͤtte viel geſehen — habe
aber nur viel empfunden und alſo wenig zu erzaͤh-
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/174>, abgerufen am 28.11.2024.
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