emporgewachsen -- und diese herrlichen Weiden! -- Ich saß im Schatten, und vor mir auf einem Teppich von schmaragdnen Grase, stand eine hohe Thränenweide, die Luft bewegte die langen Aeste, die Sonne mahlte sie blaßgrün durch helle Be- leuchtung; die zarten Blätter lispeln nicht, der ganze Baum wogt wie ein Geistergewand, und der Schatten gleitet stumm über den grünen Bo- den. Reiche fielen, die Edeln gingen unter, al- les Menschenwerk wandelte furchtbar seit diese junge Schöpfung empor wuchs, aber die Natur schritt fort von Leben zu Leben. Heiliges Pfand, daß nichts untergeht, was sich je des Daseins erfreute!
Ich durchwanderte diesen schönen Garten mit Wehmuth und Freude. Er ist schön, und das Gefühl, mit dem man des ehrwürdigen alten Für- sten gedenkt, dem man oft hier begegnet, macht ihn noch schöner. Seine Freundlichkeit macht den Aufenthalt feierlich, statt zu verscheuchen, und das ist ein Lobspruch, der in dem Herzen seines Volkes als schönes Denkmahl seiner Güte fort- leben wird. Ich besuchte auch den andern Garten wo Scheffauers Monument sieht. Die gute Für- stin, die es errichten ließ, dachte wohl nicht, daß
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emporgewachſen — und dieſe herrlichen Weiden! — Ich ſaß im Schatten, und vor mir auf einem Teppich von ſchmaragdnen Graſe, ſtand eine hohe Thraͤnenweide, die Luft bewegte die langen Aeſte, die Sonne mahlte ſie blaßgruͤn durch helle Be- leuchtung; die zarten Blaͤtter lispeln nicht, der ganze Baum wogt wie ein Geiſtergewand, und der Schatten gleitet ſtumm uͤber den gruͤnen Bo- den. Reiche fielen, die Edeln gingen unter, al- les Menſchenwerk wandelte furchtbar ſeit dieſe junge Schoͤpfung empor wuchs, aber die Natur ſchritt fort von Leben zu Leben. Heiliges Pfand, daß nichts untergeht, was ſich je des Daſeins erfreute!
Ich durchwanderte dieſen ſchoͤnen Garten mit Wehmuth und Freude. Er iſt ſchoͤn, und das Gefuͤhl, mit dem man des ehrwuͤrdigen alten Fuͤr- ſten gedenkt, dem man oft hier begegnet, macht ihn noch ſchoͤner. Seine Freundlichkeit macht den Aufenthalt feierlich, ſtatt zu verſcheuchen, und das iſt ein Lobſpruch, der in dem Herzen ſeines Volkes als ſchoͤnes Denkmahl ſeiner Guͤte fort- leben wird. Ich beſuchte auch den andern Garten wo Scheffauers Monument ſieht. Die gute Fuͤr- ſtin, die es errichten ließ, dachte wohl nicht, daß
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emporgewachſen — und dieſe herrlichen Weiden!
— Ich ſaß im Schatten, und vor mir auf einem
Teppich von ſchmaragdnen Graſe, ſtand eine hohe
Thraͤnenweide, die Luft bewegte die langen Aeſte,
die Sonne mahlte ſie blaßgruͤn durch helle Be-
leuchtung; die zarten Blaͤtter lispeln nicht, der
ganze Baum wogt wie ein Geiſtergewand, und
der Schatten gleitet ſtumm uͤber den gruͤnen Bo-
den. Reiche fielen, die Edeln gingen unter, al-
les Menſchenwerk wandelte furchtbar ſeit dieſe
junge Schoͤpfung empor wuchs, aber die Natur
ſchritt fort von Leben zu Leben. Heiliges Pfand,
daß nichts untergeht, was ſich je des Daſeins
erfreute!
Ich durchwanderte dieſen ſchoͤnen Garten mit
Wehmuth und Freude. Er iſt ſchoͤn, und das
Gefuͤhl, mit dem man des ehrwuͤrdigen alten Fuͤr-
ſten gedenkt, dem man oft hier begegnet, macht
ihn noch ſchoͤner. Seine Freundlichkeit macht den
Aufenthalt feierlich, ſtatt zu verſcheuchen, und
das iſt ein Lobſpruch, der in dem Herzen ſeines
Volkes als ſchoͤnes Denkmahl ſeiner Guͤte fort-
leben wird. Ich beſuchte auch den andern Garten
wo Scheffauers Monument ſieht. Die gute Fuͤr-
ſtin, die es errichten ließ, dachte wohl nicht, daß
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/17>, abgerufen am 22.12.2024.
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